Masi gehört zu den großen Namen des italienischen Weinbaus. Immerhin seit 1772 wird Wein von der Familie angebaut im Vaio dei Masi, dem Tal im Herzen des Valpolicella-Gebiets. Die Trademark des Unternehmens ist der Amarone mit seinen getrockneten Trauben („appassimento“). Fünf Versionen dieser alten Spezialität vertreibt die Winzerfamilie Boscaini heute weltweit (hier etwas ausführlicher zu lesen). Neben dem heimatlichen Veneto ist man als starker Player auch in der Toskana und sogar in Argentinien aktiv. „Doch so kennt man uns eher nicht“, leitet Raffaele Boscaini die aktuelle Verkostung ein.
Denn es geht um Rosé, um „Sprudel“ und leichten Weißwein – allesamt Wachstumskategorien gegenüber dem kräftigen Rotwein. Und auch hier hat Masi in den letzten Jahren einiges auf die Beine gestellt. Am ehesten noch schimmert „unsere Expertise“ – Signore Boscaini meint das Trocknen der Beeren – beim „Masianco” durch. Er wird als Pinot Grigio geführt, weist aber einen kleinen Anteil von Verduzzo-Trauben auf, die getrocknet werden. Es ist eine leichte Reife-Injektion, die der 2023er da erfährt. Scherzhaft nennt ihn Masi intern auch „Supervenetian“ in Anspielung auf die roten „Supertuscans“ der 1990er Jahre.
In der Nase äußert sich das Verfahren in einem Oberton des ansonsten blütenhaft und frisch wirkenden Weißweins. Zum Apfel-Geruch und einem Alzerl Grapefruit gesellt sich nämlich auch Osmanthus. Mit etwas Luft entwickelt sich auch der Geruch von grünen Birnen klarer. Im Mund vereinen sich ebenso Säure und Volumen, geschmacklich darf man einen Mix aus Quitten und Birnenschalen erwarten. Denn der Gerbstoff des 2023er „Masianco“ ist ausgeprägt. Die Säure hält aber gut dagegen und erinnert mit der knackigen Art beinahe an Verjus; auch hier sind es grüne Frucht-Noten und Kräuter, die den Raum einnehmen. Man könnte diesen Pinot Grigio quasi am anderen Ende des Spektrums von Masis roten Weinen wie dem „Costasera“ verorten. Und er bleibt nicht der einzige „Bianco“.
Denn auch der Boom des „Lugana“ am Gardasee ist den Boscainis nicht entgangen. Ihr Beitrag dazu nennt sich „Beldosso“ und stellt einen Trebbiano in Reinkultur und Bio-Qualität dar. Auch der Wein mit dem weißen Engerl als Logo stammt aus dem Jahrgang 2023. Mit einem Hauch von Maischegärung legt der Wein los. Die Nase meldet eine Mischung aus Blätterteig und Apfel. Spannend integriert sich dder Holzfass-Ausbau, der mit der süßen Röstnote an Ferrero „Rocher“ erinnert. Besonders attraktiv an diesem Trebbiano wirkt aber der Pfirsich-Touch. Er folgt auf eine anfangs verhaltene Art, die mehr Struktur, namentlich herbe Noten und feine Mineralik, spüren lässt und keine Fruchtigkeit. Dieser Wein sollte sich daher auch öffnen dürfen im Glas. Dann kommt besagtes Steinobst, mit mehr Zeit aber auch noch mehr an expressiver Frucht. So spart sich der „Beldosso“ für das große Finale auch einen Schwung an Bergamotten auf. Spannend wird sicher, was hier noch in den Folgejahren kommt!
Am meisten aber überraschte die nicht von ungefähr „Masi unexpected“ getaufte Serie aber mit den Schaumweinen. Klassisch nach der Tankmethode (alias „metodo Martinotti“) vergoren, gibt es unter dem Label „Moxxé” einen Rosé, der wunderbar in die Zeit passt. Denn man hat sich einem sehr trockenen Stil verschrieben und auch bei der Farbe nicht nachgeholfen, wie es das ins Korallenrot („corail“) verliebte Rosé-Land Frankreich gerne tut. Vielmehr wurde hier eine Weißweinsorte mit rötlichen Schalen – der Pinot Grigio nämlich – teilgetrocknet und stärker ausgelaugt, um den feinen Lachs-Ton zu erzielen.
Ja, recht blass kommt dieser 2023er ins Glas, bietet aber volle Aromen-Power. Himbeere pur steigt einem in die Nase, aber auch die frische Fruchtigkeit von Maracuja und roten Johannisbeeren ist zu riechen. Eine Angst vor hoher Dosage braucht man trotz dieser olfaktorischen Intensität nicht haben. Cremig und druckvoll rollen nämlich andere Früchte über den Gaumen. Es ist ein Korb an Zitrusfrüchten, die bar jeder Süße Eindruck machen. Es ist kein lauter Schäumer, eher ein eleganter Typus, den man hier im Glas hat. Und vor allem einer, der mit etlichen Gerichten fast mehr Spaß macht als im Apéro-Glas. Dort ist er fast unterverkauft. Zu einer Ceviche, Lachstartar, vor allem aber nahezu rohen, süßen Garnelen hat der rosa „Moxxé” seine Sternstunde. Das Sprudel-Vergnügen alias „bollicine“ wird seit heuer aber sogar noch gesteigert.
100% Pinot, die noch ein Geheimtipp sind
Ganz neu aus dem berühmten Land des versekteten Pinot Nero, dem Oltrepò Pavese, ist nämlich der „Moxxé del Re” 2020. Er stellt einen 100% Pinot dar, der zudem nach klassischer Methode versektet wurde. Das merkt man auch am Druck dieses Schaumweins. Die Perlage schiebt für das Auge schon sichtbar an, der Duft befördert eine fast herbale Frische an das Riechorgan – man denkt an Ananas und Melisse bei diesem Auftakt. Die anfangs leichte Süße macht Platz für einen fruchtigen Mittelteil, in dem Ribisln die rote Rebsorte geschmacklich „verraten“. Engmaschig, von Kohlensäure und Zitrusfruchtigkeit getrieben und mit einem Geschmack nach Blutorange prägt sich der „Moxxé del Re” ein.
Zart herb verrichten die Agrumen ihr geschmackvolles Werk, der so wertig unterhaltene Gaumen verspürt Hunger. Nach mehr Pinot Nero, aber auch nach Essen. Hier gibt es eine klare Empfehlung: Dieser Schaumwein begleitet ein saftiges Carpaccio perfekt. Und es ist kein Zufall, dass auch Raffaele Boscaini zum Abschluss durchblicken lässt, dass man von diesem Edelstoff aus dem Oltrepò Pavese künftig gerne mehr Menge abfüllen will. Wir sind jedenfalls dabei!
Bezugsquellen:
Masi Agricola, „Masianco” Pinot Grigio delle Venezie DOC 2023 kostet EUR 12,06 bei Vinorama, www.vinorama.at
Masi Agricola, „Beldosso” Lugana DOC (bio) 2023 ist um EUR 16,- erhältlich, der „Moxxé” Rosé Spumante Brut Ramato 2023 kostet EUR 13,- und der „Moxxé del Re” 2020 wird um EUR 22,- gehandelt; alle drei Weine werden direkt im Webshop Enoteca Masi angeboten, www.enotecamasi.it