Es geht abwärts. Nicht mit Reinhard Winiwarters Weingut (ganz im Gegenteil!), sondern mit dem Winzer in den Keller. Allerdings nicht in seinen, der befindet sich in Stratzing im Kremstal. Wir aber sausen per Chipkarte in die Katakomben des „Kipferl-Hauses“ in Wien 1. Das heißt wirklich so, obwohl an der Mär vom hier in der Grünangergasse im Türken-Sturm von 1683 erfundenen Kipferl Zweifel bestehen. Mittlerweile residiert im Ziegelgewölbe aber eine Bank. Genauer, die wineBank, in der auch Winiwarter seine Flaschen lagert. Der Wein-Club im Schatten des Stephansdoms ist ebenso neu wie serviceorientiert. Was nicht zuletzt bedeutet, dass es nicht nur private Weinabteile zwischen modernen Kunstwerken der Hauseigentümer gibt, sondern auch Anton Sutterlütys Gebsenkäse aus dem fernen Bregenzer Wald. Denn auch solche Werte reifen hier – natürlich getrennt vom Wein. Doch wir sind nicht zum Essen und Schauen hier, sondern zum Trinken.
Winiwarter selbst ist „spät und quer eingestiegen“ im elterlichen Betrieb, die Weinbereitung obliegt daher auch weitgehend Artur Toifl. Der junge Kellermeister ist heute nicht mit im Wiener Keller. Dafür öffnet Winiwarter selbst eine der markant etikettierten Flaschen. Denn die zeigen Zahlen von 1 (der leichte Veltliner namens „green“) bis 5 (Riedencuvée in Rot). Als Ausnahme gibt es auch eine ausgeschriebene „elf“, dieser Rosé war der Geburtswein der nächsten Generation in Stratzing.
Das Trinken nach Zahlen beginnt für uns mit dem „RW 1“, besser beschrieben als Veltliner vom Kremser Kobl. Dieser klassische Grüne Veltliner des Hauses fällt im warmen Jahr 2015 erwartungsgemäß aromakräftig aus: Nektarine und eine üppige Frucht-Nase, die kurz sogar an Cassis-Noten anstreift, bringt die Hauptsorte des Kremstaler Weinguts mit. Dennoch gesellt sich am Gaumen auch ein unerwartetes „Pfefferl“ zu dieser Steinfrucht-Ballung (im Kostschluck eher als Nektarine zu dechiffrieren). Etwas Maracuja zeigt auch die Säure an, der Rest ist Bremseln oder reine Vitalität eines saftigen Weins, der aber auch noch genug Spannkraft besitzt.
Die Nummer 2 ist gewissermaßen die Nr. 1 unter den Veltlinern, denn die 40 Jahre alten Reben am Kremser Wolfsgraben wurden mit mächtigen 20 Grad KMW Mitte Oktober gelesen (weniger technisch wurden daraus 14% Alkohol). Der als Kremstal DAC Reserve deklarierte Veltliner braucht lange, bis er seine ganze Duftigkeit zeigt. Dann kommen zu den Pfirsich-Tönen auch deutlich mineralische Akzente, Feuerstein und Waldhonig wechseln sich ab, am nachdrücklichsten bleibt der Geruch von Ringlotten. Im Mund zeigt der noch junge Wein viel Schmelz, dem Karamell steht vor allem eine saftige Orangen-Note gegenüber, die von einer leichten herben Zitrusnote abgerundet wird. Definitiv wird der „RW 2“ noch zulegen, er muss nur im Keller liegen für zwei Jahre – ob in der wineBank oder zuhause.
Stratzinger Sonderfälle: Graziler Chardo, kräftiger Zweigelt
Als Exot darf sich die Nummer 3 betrachten, ein 100%-iger Chardonnay, dem man aber bewusst alles Fett entfernt hat. Der von steinigem Grund stammende Weiße überrascht mit einem floralen Duft, Margeriten, aber auch eine wenig weiße Johannesbeere und Kreide ist hier zu erschnuppern. Wäre es ein Blindprobe hier im Kipferl-Keller, würden wir viel Geld auf einen Weißburgunder setzen. Der im Stahltank ausgebaute Chardonnay 2015 bleibt auch am Gaumen straff und von einem schönen Zug geprägt. Gelber Apfel, viel Säure und eine Zitrusfrucht-Ansammlung sorgen für Trinkanimo. Zarte Birnen-Noten mischen sich in diesen untypischen „Chardo“, der bis ins Finish süffig bleibt.
Winiwarters Abstand zum Weingut äußert sich auch in einer recht klaren Sicht. Dass Stratzing „keine echte Rotwein-Gegend ist“, bemerkt der Winzer beim Einschenken seines Zweigelt. Eine Drittelung im Ausbau – je 33% kommen aus Stahltank, großem Holzfass und Barriques – und eine ungewöhnlich lange Lagerzeit sorgen dafür, dass der „RW 5“ überrascht. Dunkle Schokolade und eine schöne Herzkirschen-Note lassen an Mon Chéri denken, dazu kommt eine dezente Holz-Würze (in Form von Lorbeer und Kokosnuss), aber auch eine kühlere rote Fruchtigkeit, die uns an Erdbeeren erinnert. Viel Wohlgeruch für einen Roten aus einer Weißwein-Hochburg, fürwahr!
Auch am Gaumen ist der 2013er Zweigelt vielschichtig; dem saftigen Beginn mit merklichem Gerbstoff folgt schokoladiger Schmelz, ehe im Mittelteil die Weichsel-Frucht dominiert. Die Säure frischt nun zusehends auf, auch die würzigen Töne – diesmal schwarze Olive und Wacholder – melden sich im Abgang und prägen auch das Rückaroma. Immer noch recht jung, signalisieren Gerbstoff und Säure, doch leicht gekühlt macht der „Fünfer“ aus der RW-Zahlen-Sammlung auch jetzt schon Freude. In der mathematischen Sprache Winiwarters formuliert, wäre unsere Bestellung wie folgt:
(4×1) + (4×2) + (2×3) + (2×5) = 12 Flaschen
Bezugsquelle:
Reinhard Winiwarter Winery, Grüner Veltliner „RW 1“ 2015 ist um EUR 9,50 erhältlich, die GV Reserve „RW 2“ um EUR 17,50, der Chardonnay „RW 3“ 2015 kostet EUR 9,50 und den Zweigelt „RW 5“ 2013 gibt es um EUR 17,50, alle online bei Avino.