Wer nicht an das besondere Terroir der Südsteiermark glaubt, soll einmal in Leutschach bis ganz nach hinten fahren. Wo die Hopfen-Pflanzungen enden, dann bei der Spitz-Mühle rechts abbiegen und weiter bergan fahren. Nach dem mehr putzigen als bedrohlichen Zelt der Grenzschützer findet sich dann auf der Kuppe das Weingut Christian Krampls. Wie eine Tonsur saugt die steile „Leitn“ am Schlossberg das Sonnenlicht auf. Wäre dieser Weinberg wirklich ein Kopf mit kahler Stelle, hätte er Sonnenbrand. Und bräuchte dennoch eine Haube. Denn die Nächte können ebenso kalt sein wie die Tage heiss in diesem fast 600 Meter hoch gelegenen, exponierten Weingarten.
Mit Krampl geht unsere Serie über steirische Winzer ins nächste Monat. Die Wirkungsstätte unseres „April-Winzers“ nennt sich „oberGuess“, denn die Erwähnung des Familienhofs am „Oberen Khues“ ist auf das Jahr 1495 zurückzuführen. Nach prägenden Jahren als Kellermeister bei Erich und Walter Polz kehrte der junge Winzer 2010 heim und begann seine klare Weinphilosophie – minimal-invasiv und dem Terroir vertrauend – umzusetzen. Wenn ein Wein nur 9,5% Alkohol hat (wie im kalten 2014er Jahr), dann füllt er ihn, wenn er es so für gut hält. Und wird Jahre später durch eine Gesamtabnahme des Weins aus Schweden belohnt. Wenn sich eine Auslese erzeugen läßt aus seinem Sauvignon blanc wie 2017, dann kommt die mit 99 Gramm Restzucker und im deutschen Stil auf die Flasche. „Gesalzene Mandarinen-Spalten“ beschreiben diese „Am Walts“ Auslese am besten.
David Bowies mintgrüner Maßanzug: „Am Walts ’17“
Ebenfalls „Am Walts“ wie die Riede um den Winzerhof heißt die Reserve der hier wichtigsten Sorte Sauvignon aus dem Jahrgang 2017. Früher nannte Krampl diesen Wein, der ein Jahr im neuen Holzfass reift, „Sauvage“. Der wilde Wein wird von seinem Schöpfer als ein Art „Pop-Sauvignon“ beschrieben. Dabei ist der nach Salz-Karamell und kühlen Tropenfrüchten duftende „Am Walts“ nicht laut. Zumindest nicht, wenn man darunter einen stachelbeer-grünen Mini-Rock versteht. Hier haben wir es eher mit einem mintgrünen Maßanzug zu tun, den David Bowie tragen hätte können.
Doch genug der Pop-erei. Denn öffnet sich diese Reserve erst einmal langsam, dann dreht die Banane im exotischen Fruchtbild in Richtung reifer Himbeeren. Etwas Sesam legt die ersten Krumen am Gaumen aus, dazu kommt eine Butterkeksnote von der Fasslagerung. Der Kern dieses Sauvignon blanc aber zeigt eine äußerst feine Klinge, die mit ihrer floralen Art und dem Maracuja-Ton scheu umgeht. Ein feines Pfefferl von der Berglage lässt diesen opulenten oberGuess-Wein lange nachklingen.
Als Weingut setzt oberGuess aber nicht nur auf Weine für Kenner, schließlich betreibt man auch eine Buschenschank. Zumindest so lange, bis es zu kalt wird auf der Terrasse mit Blick ins Slowenische. Hierher passen die Weine von den Sandstein-Verwitterungsböden des „Schlossberg“ wunderbar. Der 11% Alkohol leichte Gelbe Muskateller, dem Christian Krampl eine Jahr Ruhe im gebrauchten Fass verordnet, etwa. Er bringt anfangs einen flirrend-schönen Rauch-Ton mit. Erst allmählich schieben sich dann Ananas, Nektarine und auch Schwarze Johannisbeere in den Vordergrund. Saftig und pikant zugleich, bündelt der erste Schluck Grapefruit, kühlen Pfirsich, ja sogar etwas Orangenfilet schmeckt man.
„Kitschiges rausbringen“, nennt der Winzer das Rezept, das auf allzu plakative Fruchtaromen verzichtet. Spontanvergärung ist Ehrensache, Krampl ist so etwa wie der Anti-Herrichter von Weinen, allerdings auch kein Dogmatiker. Dem Muskat tut derlei oenologisches Laissez-faire gut; statt der Muskatnuss haben wir hier eine Safran-Note im Wein, die seinen Zug noch unterstützt.
Ähnlich gegen den Strich gebürstet, präsentiert sich der 2017er Sauvignon (70% der Gesamt-Produktion macht die Sorte aus) vom Schlossberg. Auf einen verhaltenen Beginn folgen dunkle Beeren-Düfte, die allerdings nicht Cassis, sondern Brombeere mitbringen. Gleichzeitig hat der 2017er auch eine helle Seite, für sie steht der Duft der Sternfrucht (Karambole). Sie gibt dann auch die Richtung am Gaumen vor; kühle säurige Früchte wie Grüne Mango und Maracuja sorgen für Saftigkeit. Der Abgang fällt fein und mineralisch aus, der Boden selbst hat hier quasi das letzte Wort. Was zu der einzigartigen Lage und dem eigenständigen oberGuess-Stil paßt. Saxa loquuntur am Schlossberg!
Bezugsquelle:
oberGuess, von der Sauvignon-Reserve Sauvage/Am Walts ist noch der Jahrfgang 2016 zu EUR 34 am Markt, der Gelber Muskateller „Schlossberg“ 2017 ist um EUR 12,50 zu haben, der Sauvignon blanc „Schlossberg“ 2017 um EUR 14,90, alle bei Wagners Weinshop, www.wagners-weinshop.com