Florence Lamy und Sébastien Caillat persönlich zu erleben, ist sehr selten. Das zeigte auch der Andrang der heimischen Top-Sommeliers, die das Netzwerk Kalk & Kegel zu der raren Probe in Konstantin Filippous Restaurant geladen hat. Und auch wir Trinkprotokollanten entschieden uns zur Ausnahme. Denn zu diesen Weinen gibt es keine Preise in der „Bezugsquelle“, unserem Serviceangebot an die Leser. Oder besser gesagt, es gibt zwei. Den bei den seriösen Händlern, die allerdings kaum Private mit den burgundischen Raritäten des Duos versorgt, und den am Sammlermarkt. Dort sind auch 800 Euro keine Seltenheit. Auch das ist ein Grund, warum man Lamy-Caillat eher in den biodynamisch bewirtschafteten fünf „climats“ ihrer Heimat findet. Sie wollen den Wahnsinn solcher Entwicklungen nicht erklären müssen.
Denn in erster Linie sind sie Winzer und lieben das feine Drehen an der Qualitätsschraube, wie die Wiener Probe eindrucksvoll zeigte – eingeschenkt wurden ausnahmslos reifere Weine aus dem Privatkeller. Viel gibt es auch dort nicht, denn Lamy-Caillat ist ein Mini-Erzeuger; vom berühmtesten Lagenwein („La Romanee“) gibt es in der Regel gerade mal zwei Fässer, „10.000 Flaschen beträgt unsere Jahresproduktion circa“, schildert Sébastien Caillat die Größenordnung. Begonnen hat der Bauingenieur, der in eine renommierte Winzerfamilie (Domaine Lamy Pillot) aus Chassagne-Montrachet eingeheiratet hat, im Jahr 2008. Glücklicherweise waren es alte Chardonnay-Anlagen, die ihre Nachbarin abzugeben hatte. Der Zugang des Technikers äußert sich in einigen Entscheidungen der Kellerarbeit. So bevorzugt man die mechanische Presse anstelle der pneumatischen, die Schale und Kerne stärker quetscht. „Das gibt den Weinen Struktur, wie ich meine“, so Monsieur Caillat. Auch der lange Hefekontakt ist eine diese Eigenheiten.
Die Lebendigkeit, auf man bei den Weinen immer abzielt, weist bereits der „Bourgogne Blanc“ des Jahrgangs 2017 auf: Rauch, Frucht und Säure kamen bei diesem „Einstiegswein“ bereits in der Nase wie in Wellen durch. Die feine reduktive Nase, die irgendwie nur die burgundischen Weißweine so aufweisen, verbindet Paketklebeband, Sesam und Pink Grapefruit zu einem Duft, den man auch mit einem ausgeblasenen Zündholz vergleichen kann. Der tolle Zug des 2017ers wird von einem rauchigen Anflug durchkreuzt; Österreicher werden vielleicht an „Goldfischli“ denken dabei. Säurige Ananas und ein Quäntchen Quittenkäse bringen Druck und Frische zugleich mit. Der Ausklang ist nahezu feinstofflich, man kann nie sagen, ob es noch der Weingeschmack oder schon sein Schatten, der Nachhall, ist, den man so elegant verspürt.
Dass der „La Romanée“ unter den vier Premier Crus des Weinguts herausragt, zeigte auch die Verkostung. Zumal eine Rarität aus dem Jahrgangs 2016 ins Glas kam, dessen Ernte durch Spätfrost (am 29. April!) dezimiert wurde. „Auch der Gerbstoff ist 2016 etwas konzentrierter; aber ich mag Säure, Tannine und Bittertöne“, gab Sébastien Caillat uns zu Protokoll. All das hat dieser Wein und ist damit ein weißer Burgunder der absoluten Oberliga. Da er ausverkauft ist, nur so viel: Er duftet nach geflämmter Grapefruitzeste und Arganöl, „nussig“ ist hier mit „rauchig“ zu einem ungewöhnlich attraktiven Duft verwoben. Die Komplexität wird von klar zu Tage tretenden Blütendüften – Orchidee und etwas Lilie – noch erhöht.
Am Gaumen lösen sich die Eindrücke ebenfalls minütlich ab. Mirabellen etwa nehmen die Frucht-Seite des Dufts auf. Doch es geht weiter. Kaum hat man einen Anflug von Kokos aus dem Fasseinsatz entdeckt, kommt auch schon der nächste Eindruck. Etwas Grünes Curry, aber auch Quitten und Pomelozeste, stecken zwei widerstreitende Pole ab. Von dieser Spannung profitiert das Geschmacksbild enorm. Und doch sind es nur zwei Eindrücke aus einer ganzen Reihe. Wie Crêpes mit Salzbutter hinterlässt dieser Chardonnay einen langen, ebenso cremigen wie salzigen Nachgeschmack. Kurz: Der „La Romanée“ 2016 fällt gewaltig lang und dabei höchst finessenreich aus! Daher auch die Ausnahme, gefolgt von einer Aufforderung: Halten sie nach den Weinen Ausschau, bei einigen Weinbars sind sie fair kalkuliert – vor allem der „Bourgogne Blanc“!
Bezugsquelle:
Domaine Lamy-Caillat, die Spitzenweine wie Chassagne Montrachet „La Romanee“ sind nur auf Zuteilung zu finden; selbst für den Bourgogne Blanc 2017 werden aktuell EUR 532 im Internet verlangt – Austro-Anfragen am besten an Exklusivimporteur Ph. Schäffer richten, www.schaeffers.at