Kommt man selbst nicht zur Verkostung, kommt diese zu einem. Naja, zumindest im Falle der großen Finalkost des Weinforums Thermenregion könnte man das so sagen. Traditionell werden die besten Sortenvertreter in einer verdeckten Kost ermittelt. Und man ließ sich an der Südbahn auch von keinem Virus beirren, wahrte Abstand und Anstand und konnte so die Winzer auch 2020 mit den begehrten Sortensieger-Plaketten auszeichnen.
Nicht alle 21 dieser Siegerweine, aber eine Auswahl kostete die mittlerweile schon sattsam Blog-bekannte Blindverkoster-Runde nach. Und es waren vor allem Sorten, die man nicht mit der Region verbindet. Ja, ein Burgunder war dabei, aber eben keine rote Sorte. Dafür war der verkostete Rote wieder einer, den viele gar nicht kennen. Neugierig genug?
Dann lassen wir die Schraubverschlüsse knarren!
Der erste der Sortensieger im Glas stammt aus Perchtoldsdorf, wo sich Toni und Willi Nigl gemeinsam unter dem Label „Die junge Generation“ vermarkten. Schließlich herrscht im Heurigenort kein Mangel an Weinbau-treibenden Nigls. Die Auszeichnungen geben den beiden aber recht und der Traminer aus dem Keller von Toni Nigl (er keltert für beide Heurigen) tut das ebenso. Den die aromatische Sorte wird hier einmal so präsentiert, wie sie viel gar nicht kennen: Als trinkanimierender Wein, der nicht an „Potpourris“ in Waschräumen oder Rosenseife ebendort denken lässt. Denn beim 2019er Traminer ist schon der frische Duft anders, indem nicht die Rosenblätter die erste Geige spielen, sondern dunkle Zitrusfrüchte wie Orange und Bergamotte.
Süß-saurer Druck wird dann auch am Gaumen – irgendwo zwischen Netzmelone, Pink Grapefruit und ja, auch kandierten Rosenblättern – ausgeübt. Immer meint man aber auch frische Trauben zu schmecken in diesem Gemenge, das gegen das Finale hin auch fast schon Almdudler-artige, intensive Kräuterwürze zeigt. Knackig und komplex ist dieser Wein, auf den sich viele (sicher nicht nur bei einem der Nigl-Heurigen!) einigen können. Klarheit statt Kitsch sorgt dafür und macht aus dem Traminer der „next generation“ einen Sommer-Hit. Die Nigls selbst haben übrigens „eine Riesenfreude mit dieser Auszeichnung“, aus Konsumentensicht aber noch wichtiger: „Der Wein ist noch nicht ausverkauft“, so Toni Nigl. Wer sich also mit einem höchst trinkanimierenden eindecken will – er wartet in Perchtoldsdorf.
Um auch ein bisschen aus dem Verkoster-Nähkästchen zu plaudern (zu oft darf man das eh nicht, sonst drohen Entfreundungen der Mit-Schlotzer): Selten tippt die Blind-Proben-Runde einhellig auf ein und dieselbe Rebsorte. Beim Sortensieger aus Teesdorf fiel aber allen der Chardonnay ein. Gesteigert noch durch den Ausruf „wenn des ka Burgunder is‘…“ im Brustton der Überzeugung. Die Entwarnung folgte, als der 2018er von Herbert Zöchling aufgedeckt wurde. Denn dieser Chardonnay macht nicht nur Freude, sondern ist auch kenntlich: Kein Prokrustesbett in Holzfass-Form rückt sich die Frucht zurecht, klar und frisch darf die Sorte beim „Exclusiv 2018“ aus dem Teesdorf Buschenschank-Betrieb durchkommen.
Als da heißt: Sesam-Körner über einer zart säurigen Grundierung (Senfgurke, verstanden als würzig-säuriges Aroma, ist hier eine positive Assoziation), dazu ein feiner Speckrauch-Ton. Was sich hier bereits abzeichnet, ist, dass dieser Sieger viel strukturierende Elemente mitbringt, aber wenig klar benennbare Frucht-Noten. Um es mit Interieur-Design zu vergleichen: Er ist klar konstruiert wie ein Regal von USM-Haller, und kein barockes Möbel, aber auch kein Faltschachtel-Stellage mit Einhorn-Print. Butterstriezel deutet den Schmelz des Chardonnay nur an, auch ein feines „Nusserl“, vielleicht an noch grüne Haselnüsse gemahnend, versteckt sich in der Mitte des Trinkflusses. Säurig und frisch wird es dann im Finale, womit genug Animo für’s nächste Glas da ist.
Der kommt von einem Sieger vom äußersten Rand des Weinbaugebiets. Prämiert wurde Christian Philipp zudem mit einer Sorte, die man oft genug nur als „Deckwein“ bezeichnet hat. Farbe gibt der Blauburger in Cuvées ja, aber reinsortig ist er vielen Weinfreunden noch gar nicht untergekommen. Dabei ist er als Züchtung gut 100 Jahre alt und geht wie der weitaus beliebtere Rotburger alias Zweigelt auf den Züchter Fritz Zweigelt zurück. Selbst die offizielle Beschreibung der Österr. Weinmarketing spricht vom „eher bescheidenen Image“ der Sorte. Das allerdings gilt nicht für diesen Weikersdorfer Rotwein: Wirklich auffallende Brombeer-Nase wie frisch gequetschte Früchte – und ein Schäuferl Heidelbeere dürfte auch dabei gewesen sein. Zu diesen nicht untypischen Sorten-Düften gesellt sich aber auch Kaffeepulver und der Grapefruit-Schalen Ton eines Timut-Pfeffers.
Samtig und sanft, wie man es dem Blauburger nachsagt, ist der 2017er „Selection“ aus dem Heurigen-Betrieb tatsächlich. Die Aromatik dreht hier in Richtung getrocknete Zwetschke, etwas Holunder (süß zubereitet allerdings, denn der Gerbstoff ist wenig präsent) und – vor allem gegen den Abgang hin – auch Himbeere. Wieder hat es Philipp durch Ertragsbeschränkung und gutes Lese-Management geschafft, auch Würze in den angeblich so belanglosen Roten zu bringen. Diesmal ist es ein Touch Grüner Pfeffer, der die satten Dunkelfrucht-Noten aufhübscht. Mit ihnen geht der Blauburger ins Finale. Leider, so erfährt man in Weikersdorf, neigt sich auch der 2017er selbst seinem Ende zu – wer noch ein Flascherl will, sollte schnell sein!
Bezugsquellen:
Nigl – die junge Generation, Traminer 2019 kostet EUR 7,20 ab Hof bzw. über die Homepage, https://nigl.me/home/toni/
Weingut Zöchling, Chardonnay „Exclusiv“ 2018 ist um EUR 8,70 ab Hof bzw. im Webshop erhältlich, www.weingut-zoechling.at
Weinbau Philipp, Blauburger „Selection“ 2017 ist um EUR 8,20 ab Hof erhältlich, www.heurigen-philipp.at