Ein Gespenst ziert sein Leiberl. Aber eigentlich ist Sebastian Sauer ein Saurier, sagt er. Denn der deutsche Wanderbrauer – er hat keine eigene Braustätte, sondern mietet sich ein – macht seit 2009 Craft Beer. „Freigeist“ heißt das Label des 28-Jährigen (!) und als solcher hat er sich auch an Rezepten orientiert, die ansonsten selten nach-gebraut werden.Ein saures Rauchbier, wie man es in Jena einst pflegte, gehört dazu, aber auch das 10%-ige, in den 1960ern ausgestorbene Adambier, das bei ihm zum „Methusalem“ wurde. Aber auch die „Preußische Weisse“, die nach einer Rezeptur aus 1831 entsteht und schon vom Namen her eine Ansage an die bayrischen Weizenbrauer ist, zählt zum „Freigeist“-Fundus.
Gebraut wurde es historisch nämlich mit Zuckerrüben, Wacholder und Ingwer. Bei Sauers Weißbier sind zwar auch die typischen Bananen- und Gewürznelken im Glas zu spüren, der süffig-frische Geschmack der „Preussischen“ setzt sich aber doch von vielen getreidig-breiteren Vertretern ab. Hier unterstützt die zarte Säure eine auf Orangenzesten und Melonen aufbauende Fruchtigkeit. Das ganze rinnt sehr cremig über den Gaumen, im Abgang sorgt die dezente Bittere für eine trockenes Finish. „Crisp“ würde man derlei wohl international nennen.
Cherry Porter – saurer Kaffee im „Salzspeicher“
Doch der junge Brauer mit der langen Vor-Geschichte schenkt schon die nächste Probe ein: Das rötliche Bier mit dem für ein Getränk schon `mal witzigen Namen „Salzspeicher“ ist ein mit Kirsche gebrautes Porter. Die Aromatisierung mit Früchten, vor allem Kirschen, kennt man vom belgischen Kriek (hatten wir hier schon einmal). Ein Porter als Basis ist aber nochmal was Anderes und so kommen gleich mal die Kaffee-Noten des „Freigeist“-Biers voll durch. Dazu gesellen sich klare Sauerkirsch-Akzente, aber auch eine Dosis Vanille für die Nase. Der erste Schluck schmeckt, als hätte man einen caffé affogato einer Säure-Injektion unterzogen: Zitronenzesten und säuerliche Himbeere sind die aromatischen Farben, die Sauer auf die Grundierung aus Espresso knallt. Vor allem im Finale finden diese so unterschiedlichen Komponenten zusammen.
Ich hab mich lange gegen US-Bierstile gewehrt. Es gibt so tolle, teilweise vergessene deutsche Bier-Stile.
Sebastian Sauer, Gypsy-Brauer
Im Eittinger „Fischerbräu“, einer seiner Wirkungsstätten als Gypsy Brewer, entstand eines der bekanntesten Bier Sebastian Sauers („ein Lieblingsgeschmack von mir ist auch sauer“): Geisterzug heißt die Gose, also das mit Salz und Koriander gebraute Bier, das auch eine Milchsäuregärung erlebt. Auch dieser alte, zum Beispiel in Leipzig gepflegte Stil wurde aber modernisiert in der „Freigeist“-Fassung.
Denn Sauer fügt Quitten und Fichtennadeln zu seinem Sud, womit sich eine ganz eigene Duftnote ergibt. Pinien und Fichtennadel, aber auch Apfelringe und eine ordentliche Portion Zitrusfrüchte notieren wir beim ersten Riechen. Saftig und gelbfruchtig im Antrunk, schälen sich Marillen und Grapefruit klarer heraus beim Kosten. Auch das Salz ist zu spüren: Es kommt im Finish schön durch; erst im Rückgeschmack merkt man schließlich die Bittere dieses außergewöhnlichen Biers.
Paella inspiriert zum spanischen Ale – Viva Safran!
Die an sich schon phantasievolle Bierwelt Sauers wird von einer markanten Etikette in dunklem Orange noch erweitert. Das Gesicht ist nicht ganz auszunehmen, der Schriftzug PAELLA umso mehr. „Food Ale“ nennt es der Untertitel, der klar macht, dass hier gewollt mit dem Nationalgericht Spaniens gespielt wird. Denn das Bier entstand als Collaboration Brew mit „Nómada“, einer Brauerei bei Barcelona. Die Basis stellt Reis dar, der Safran gehört ebenfalls dazu und selbst Olivenöl, normal wegen seiner wenig ansprechenden Wirkung auf die so genannte Schaum-Stabilität gefürchtet, gab Sauer homöopathisch dosiert dazu.
Verrückte Idee, aber das Ergebnis kann es: Frisch aufgeschnittene Grapefruit springt einen an, hier ist eindeutig das Fruchtfleisch, nicht die oft notierte Zeste, im Spiel. Dazu kommen auch grüne Noten und eine zarte Andeutung von Safran im Duft. Am Gaumen regiert ebenfalls die Zitrusarmee, angeführt von einer diesmal etwas bittereren Grapefruit. Sie bildet die aromatische Brücke zum Hopfenbitterl im Finale, davor rätselt man aber, ob man da nicht auch Röstaromen schmeckt – aber vielleicht sehen wir jetzt auch schon angeröstete Krustentiere, wo keine sind. Sicher hingegen ist, dass die flüssige Paella zart herb ausklingt.
Ach ja: Mit dem IPA hat es Sebastian angesichts der Archäologie deutscher Bierstile eigentlich nicht so, doch irgendwie sollte unter all die deutschen Stile auch die Trademark der Craft Brewer rein. „Miss California“ nennt sich seine Version des India Pale Ales und die fünf Hopfensorten, die er einsetzt, ergeben ein durchaus vollmundiges Bier. Der Duft allerdings zeigt, dass hier die feine Klinge geführt wurde: frische Ananasnoten, zarte grüne Fruchtakzente, vor allem Kiwi fiel uns ein, und knackig-säuerliche Ribisln. Am Gaumen kommen die grünen Noten, Stachelbeere und Melone, anfangs durch, ehe sich die zarte Bittere dazugesellt, Grapefruitzesten sind der kleinste gemeinsame Nenner. Im Gegensatz zu vielen anderen „Gib ihm mehr!“-IPAs und ihren Hopfen-Exzessen im Abgang regiert hier die dezent nachhängende Bittere, die zum Untertitel am Etikett paßt: „Californian Girls like it Hoppy“.
Wir like-n „Saurier Sebastian“ aber auch – und seine „Freigeister“ sowieso!
Bezugsquelle:
Freigeist, „Preußen Weiße“ gibt es zu EUR 4,30 (0,5-Liter-Flasche), das „Salzspeicher Cherry“ ist um EUR 3,80 (0,5 Liter), das „Geisterzug“ (0,5 Liter) um EUR 4,50, das IPA „Miss California“ ist um EUR 3,80 und das „Paella Food Ale“ (beide in der 0,33-Liter-Flasche) um EUR 4 erhältlich – entweder bei Bottle Shop/Salzburg oder der Bierfracht/Kleinhöflein, www.beerbottle.eu bzw. www.bierfracht.eu