Geselligkeit hat eine denkbar andere Bedeutung bekommen. Doch wenn man schon keine anderen Pärchen einladen darf, dann bilden wir selber welche! „Zu Hause sein eigenes kleines Fest feiern“, nennt das Angela Evers. Die Lübeckerin hat sich diese Idee schon letzten Sommer vorgenommen und in ihre Schokoladenmanufaktur mitgenommen. Denn auch wenn sie selbst keinen Alkohol mag, war ihr klar, dass Bier mit seinem leichten Alkohol und Schokolade eine perfekte Paarung für Eskapismus hinter hochgezogenen Fensterläden sein müßte. Als hanseatischen Partner gewann sie dafür die potente Ratsherrn Brauerei aus Hamburg. Und so gibt es in den Schanzenhöfen, bei Tim Mälzer um die Ecke, ebenso Biere samt Schokotaler zu kaufen wie in der schmucken Breite Straße in Lübeck. Mit Hingabe werde probiert, freut sich die ehemalige Designerin, die eigentlich mit kandierten Blüten in Handarbeit ihre Manufaktur Evers & Tochter startete. Die Schokotaler auf Basis von Michel Cluizels Rohstoffen sind unter norddeutschen Schleckermäulern nicht weniger berühmt. Zumal sie etwa mit Sylter Meersalz und Trüffel verbrämt werden.
In diesem Fall starten wir aber mit Tonkabohne als aromatischem „Staub“. Denn dieser Taler wird zum „Matrosenschluck“, ein India Pale Ale (IPA) auf Weizenbier-Basis mit Hafermalz-Dreingabe, gereicht. Sattes Orange perlt im Bierglas und ist ein Vorzeichen – denn das Hamburger Bräu duftet auch nach Orangen, etwas Maracuja und Sandwich-Wecken (der Weizen!). Auch etwas Tay-Beere ist mit Luft da. Saftig und südfruchtig im Antrunk, erinnert der Gaumen an Pink Grapefruit, das cremige Mittelstück schiebt die Bittere des Aromahopfens weit nach hinten. Dann aber kommt sie stark zum Einsatz. Allerdings nur, wenn man nicht den Schokotaler dazu probiert. Der wiederum hat die Eigenschaft, die Bittere fast wegzuschlucken.
Gemeinsam entsteht hier ein neuer Eindruck; denn die Kohlensäure verteilt die gemischten Aromen von Tonkabohne, Schokolade und fruchtigem Bier langsam und bleibend im Mundraum – vor allem die Passionsfrucht kommt mit der Evers-Schokolade deutlich besser durch als im solo gekippten Weizen-Bier. Freilich sollte man dazu die Genießerregel der Schokoholics beherrschen: Nicht zerbeissen, sondern schmelzen lassen am oberen Gaumen. Mit etwas Übung geht das auch mit einem kleinen Bierschluck. Und dann beginnt das kleine Fest!
Wenn Bier und Schokolade zusammenpassen sollen, ist es wie in einer Partnerschaft: Man sollte sich etwas zu sagen haben.
Angela Evers, Evers & Tochter
Das „Küsten-IPA“ als zweites Ratsherrn-Bier zum Schoko hat eine relativ dunkle Farbe. Am besten beschreibt man sie als das Goldbraun einer schulmäßigen Schnitzelpanier. Die 6,3% Alkohol am Etikett verraten dann ebenfalls, dass hier auch viel Malz im Spiel war. Die Nase meldet Ananas pur, auch etwas Pomelo und Grüne Mango. Die Malzsüße fängt die Hopfenbittere tatsächlich gut ab. Wirklich merklich grüne, bittere Noten gibt es erst ganz am Ende, doch auch da bleibt das IPA sehr sanft. Das wir nun interessant, denn der Schokotaler aus Lübeck bringt dazu 55% Kakaoanteil und ein Stückchen Ingwer darauf in Stellung.
Um ein solches Pairing wirklich auszukosten (und warum würde man es sonst tun?), spielt auch noch die Reihenfolge eine Rolle: Zuerst ein Schlückchen Bier, in dem dann die Schoko weicht? Oder doch ein schmelziger Film am Gaumen, auf dem dann das IPA besser flutscht? Tatsächlich macht das einen großen Unterschied, der vor allem am Ingwer liegt. Kommt die Schokolade nach dem Bier, lädt die scharfe Knolle die Würze und Bittere im Küstenschluck merklich auf. Allerdings erweist sich der kandierte Ingwer mit seiner Süße auch als Bindeglied zum Malz. Um es hanseatisch zu sagen: Diese Aromen-Flut hebt alle Kähne.
Ganz anders hingegen, erfolgt die Abfolge des Geschmacks, wenn die Bitterschokolade schon geschmolzen ist und das Ratsherrn nachgetrunken wird. Die Bittere der 55%-Kakaoanteil reagiert erst auf die Süße des Malzes, der Ingwer setzt seine Kraft erst später frei und bringt erstmals auch grüne Hopfennoten zum Swingen. Wie ein Katalysator löst er diesen würzigen Part und am Ende bremselt der Gaumen fast für Ingwer-Hopfen-Intensität.
Tatsächlich spielt die Kakao-Menge eine Rolle. Diesen Schluss legt die nächste Evers-Schokolade nahe. Denn mit Espresso-Staub und Sylter Meersalz bestreut, sollte dieser Taler eigentlich intensiver sein. Allerdings hat Angela Evers hier nur 35% Kakao in runde Formen gegossen. Wirklich merklich wird das aber erst mit Bier. Pur nimmt die Milchschokolade die herben Kaffee-Noten auf. Etwa so wie eine süße Tiramisu-Creme den Kakaostaub. Doch in Zusammenspiel mit dem neuen Ratsherrn im Glas – es ist der schöne alte Stil eines Rotbiers – sieht das anders aus.
Schon im 13. Jahrhundert war dieser malz-aromatische Stil in Hamburg, damals das „Brauhaus“ der Hanse, heimisch. Berühmt wurde die Farbe des 1536 von Joachim von Lohe ausgeschenkten Rotbiers: „Fewrroth“ war es angeblich und löste in St. Pauli einen Ansturm auf das Wirtshaus „Krug“ am Pepermölenbek aus. Ian Pyle und sein Braumeister-Team stehen also in einer langen Tradition mit ihrem mit dem Aromahopfen Saphir versehenen „Altonaer Rotbier“.
Nach Pumpernickel und Malz duftet dieses 5,4% starke Ratsherrn, an Früchten sind allenfalls herbe Vertreter wie Sanddorn und Hagebutte zu riechen, auch ein wenig Zwetschke. Die nussigen Noten am Gaumen und das cremige Mundgefühl, das trotz frischer Kohlensäure entsteht, sind aber weniger süß, als das diese Nase vermuten lässt. Und auch hier, beim schokoladigsten Bierstil des Trios, erweist sich der Lübecker Taler als genuss-reiche Währung. Denn er sorgt für eine abschließende Bitternote. Die helle Schokolade schließt ans Malz an und „verlängert“ einen karamelligen Anklang des Rotbiers mit ihrer eigenen Schmelzigkeit.Der verbleibende Espresso-Raspel hingegen bringt das zartbittere Glanzlicht am Schluss ein. Da wird es auch ohne Hopfen herb. Und am Ende der Genussgleichung steht dann tatsächlich 1+1=3.
P.S.: Mal sehen, was in ferner Zukunft der Wirt sagt, wenn wir unsere Schokotaler an seiner Biertheke rauskramen.
Bezugsquellen:
Evers und Tochter, „Matrosenschluck“ plus vier Tonkabohnen-Taler kommen zusammen auf EUR 4,95, die Kombi aus „Altonaer Rotbier“ & Espresso-Talern bzw. auch das „Küsten IPA“ samt Ingwer-Talern kostet EUR 6,85, alle im Webshop der Lübecker Manufaktur, https://eversundtochter.com
Ratsherrn Brauerei, Küsten-IPA kostet EUR 2,19 (0,33 Liter-Flasche), das Weizenbier „Matrosenschluck“ EUR 1,99 und das Altonaer Rotbier EUR 1,89 – alle beim deutschen Versand Craftbeer-Shop, www.craftbeer-shop.com