So kurz vorm Jahreswechsel lockte noch ein Highlight. Wobei man durchaus sagen kann, dass wir da befangen sind. Denn wenn es um Roggenwhisky geht, merkt man als Autor von „Roggen’ Roll – Die erstaunliche Karriere eines Getreides“ auf. Das längst vergriffene Buch, mit Jasmin Haider-Stadler aus Österreichs ältester Roggen-Brennerei verfasst, kam uns natürlich in den Sinn, als drei andere Rye Whisky-Hersteller aus „good old Europe“ ihre Destillate verglichen. Ähnlich wie das heimische Waldviertel sind auch Jütland, Brandenburg und Nord-Finnland Hochburgen des Roggenanbaus.
„Wir sind alle mit Roggenbrot aufgewachsen“, strich daher auch Bastian Heuser von Spreewood Distillers gleich zu Beginn der „roggigen“ Verkostung eine Gemeinsamkeit heraus. Sein eigener Whisky aus Brandenburg ist ein 100%-iger „Rye“, mit dem man seit 2017 für Furore sorgt. Aus dem ungemälzten Roggen-Sortiment stammt der „Stork Club Straight“, der als Fass-Blend im Alter zwischen der drei-jährigen Mindestreife und fünf Jahren Lagerzeit in US-Eichenfässern liegt. Sehr dunkle Würze – wie frisch gemahlener Schwarzer Pfeffer – trifft auf den leichten Holzleim-Geruch, den Roggenbrand mitunter mitbringt. Dörrbirne und etwas Leder ergänzen die Duftmischung aus dem Spreewald.
Im Mund ist der wichtigste Whisky der Spreewälder Brenner sehr weich und zugänglich wie ein helles Karamell-Bonbon. Die Würze hebt er sich aber lediglich auf; anfangs sind die Sekundäraromen wie Vanille, Milchkaffee und Tonkabohne präsent. Danach breitet sich die wohlige Wärme der 45% vol. Alkohol und des Weißen Pfeffers am Gaumen aus.
Salz-Power von der Spree: Stork Club „Full Proof“
Doch da geht noch mehr. Und für Heuser ist der „Full Proof“ von Stork Club, wie das Label aus Brandenburg heißt, mit seiner Basis aus gemälztem Roggen „auf jeden Fall eine andere Hausnummer“. Was nicht nur an den satten 55% Alkohol liegt, sondern auch an der elaborierten Aromatik, für die man bereits als „Worlds Best Rye“ ausgezeichnet wurde. Und in der Tat, ist das feinstes Roggen-Stöffchen: Sehr rund und mit überraschenden Karamell-Noten, die nur ab und an die volle Kraft von 55%vol. durchblitzen lassen. Dann erinnert der Spreewald-Whisky an pikante Erdnüsse (Teigmantel mit Paprika), aber auch Laugenbrezel und Orangenzesten.
Diese salzige Prägung ist keine Einbildung; auch im Mund klingt er an getrocknete Salzkapern an. Ein Eindruck, der aber sofort von der geballten Toffee- und Alkoholkraft hinweggeschwemmt wird. Wasser schließt dieses „Biest“ in der Sekunde auf, dann erinnern die Röstnoten an Zigarrentabak, Schoko-Muffins und gepoppte Schweineschwarte. Reintönig und mit Power, aber auch anschmiegsam und fruchtig (Orange ist wieder da), hat diese Januskopf von Roggenwhisky das Zeug zum Freudenbringer für Connaisseure.
Während sich bei „Stork Club“ drei Spirituosen-Profis zusammengeschlossen haben, ist die Crew hinter Stauning von der dänischen Westküste sehr bunt: Von einem Lehrer bis zu einem Hubschrauberpiloten reichen die Beschäftigungen. Auch Alex Munch ist Teil des Kollektivs, das in einer Fleischerei am Ringkøbing Fjord im westlichen Jütland mit ihrem „Hobby“ startete. „Die Idee war die Kopie eines Ardbeg von 1977 zu schaffen, weil der uns gemeinsam so geschmeckt hatte“. Letzten Endes riet der legendäre Jim Murray (von der Whisky Bible) den Dänen, doch dem heimischen Roggen zu nutzen. Mittlerweile arbeitet man bereits mit 24 (!) Brennblasen, die nicht nur reine Roggen-Whiskys ergeben, und rund 800.000 Litern Jahresproduktion. So ist der „Stauning Rye“ ähnlich wie in den USA mehrheitlich (70% Roggen, 30% Gerste) dem namensgebenden Getreide verschrieben.
Aromatisch bringt das einen starken Mix hervor. Erdnussbutter trifft auf Ledermokassins! Der Duft des 48% vol. starken Dänen-Whiskys klingt auch an kandierte Veilchen und Dörr-Marille an. Weich und rund, mit nur einem Zacken Würze macht er neugierig. Auch im Mund zeigt er eine überraschende Saftigkeit, fast fleischig ist das Mundgefühl des max. 4 Jahre gelagerten Whiskys. Nuss-Schokolade pur kleidet den Gaumen aus, ein Tick Rauch kitzelt im Finish die Kehle. Sehr zugänglich und mit einem Anklang an Eichenholz im Rückaroma.
Rauchig mit Wermut: Staunings „El Clásico“
Auch von Stauning waren zwei Whiskys in dem von Whic.de organisierten Endjahres-Tasting am Start. Ein sehr ungewöhnliches Fass-Finish prägte den zweiten Dänen, der aus einer Experimental-Serie stammt und ein knappes Jahr im gebauchten Fass lagerte, das zuvor Wermut (!) beinhaltet hatte. Auch diesem „dram“ ist nicht älter als vier Jahre und zeigte, das „hohes“ Alter nicht zwingend für Komplexität nötig ist. Denn der „El Clásico Rye“ folgte der Anforderung eines Bartendes, rauchige Noten, aber weniger „typischen“ Whisky-Geschmack zu liefern. „Also eher der Idee eines Mezcals“, wie es Alex Munch formulierte.
Ganz kann man das nicht nach-schmecken, aber es geht ja auch um dänischen Roggen und nicht Agave. Und Power hatte der „El Clásico“ allemal: Die Nase meldet trockenestes Eichenholz, etwas Nuss – wie bei einem trockenen Portwein – und auch leichte Rauchnoten. Allerdings keine selchigen Töne, wie man sie von Islay-Whiskys kennt. Hier denkt man eher an Dominikanische Zigarren. Auch der Erst-Kontakt am Gaumen fällt zart herb aus. Dunkle Schokolade, etwas „burnt caramel“ und eine trockene, fast herbale Note – ist das der Wermut-Einfluss? – sind zu schmecken. Das Finish vereint alle diese Eindrücke und sorgt für eine wärmendes Gefühl.
Die Entstehungsgeschichte von Kyrö, den Finnen in der Verkostung, ist der von Stauning ähnlich. Nur begann am Polarkreis vor knapp zehn Jahren – im Mai 2012 – alles in einer Sauna. Und auch hier machten sich Freunde daran, den heimischen Roggen als Whisky zu veredeln. „Denn in Finnland machen wir alles mit Roggen“, wie Mit-Gründer Mikko Koskinen bekräftigte. Zum 100. Geburtstags der finnischen Nation wurde sogar Roggenbrot als das typischste Gericht des Landes gewählt.
Der „Rye Malt“, um wieder auf gebrannten, nicht gebackenen, Roggen zu kommen, ist im Duft sehr trocken, eine attraktive Lavendel-Note bringt der Finne neben Würze und der Holzleim-Note in der Nase mit. Etwas sehr dunkle Kirsche, mit dem Kern noch in der Frucht, rundet die getreidigen Duftnoten ab. Sehr zugänglich am Gaumen, erscheinen nach dunkler Schoko und Haselnuss-Waffel wieder die Kirsch-Aromen, aber auch etwas Powidl.
Das Finish des Whiskys zeigt – bei beachtlichen 47,2% vol. keine Schärfe, noch nicht mal Pfeffer-Töne, dafür aber leichte Bitternoten im Assam-Tee-Stil. Ganz hinten am Gaumen findet sich dann auch der Geschmack eines Roggen-Knäckebrots, mit der leichten Süße des Getreides klingt dieser Kyrö aus.
Erlen-Feuer statt Torfrauch: Kyrös „Woodsmoke“
Auch mit Birkenholz-Rauch experimentierten Koskinen und die übrigen Gründer der Brennerei schon recht früh. Nun legte Kyrö einen Rauchmalz-Whisky, für den das Roggenmalz über Erlenholz-Feuer gedarrt wurde. Wer sich nun eine Art Islay am Polarkreis erwartet, wird eines Besseren belehrt. Denn anders als der schottische Torf-Rauch gibt dieses Holzfeuer weitaus dezente und an Katen-Schinken erinnernde Noten ab. Die Reifung des Whiskys erfolgte in ehemaligen Bourbon-Fässern sowie „First Fill“-US-Eiche und französischen Fässern. Vor allem letztere, mit Rotwein befüllt, geben dem Destillat ein merkliches Gepräge.
Im Duft streift der neue Finne an Cognac an – viel Holz, Walnüsse und ein erdig-fruchtiger Anklang an Rotwein-Fasskeller begleitet den merklichen „Kitzel“ der 47,2% vol. in der Nase. Im Mund ist der Würze des Roggens der Schlussakkord vorbehalten; anfangs erinnert das sanfte Mundgefühl an Aprikosen. Und der Rauch? Er sorgt für Trockenheit im Finish eines perfekt auf Kante genähten Whiskys. Wer das Bamberger Rauchbier kennt – wird diesen an geröstete Maroni und dunkle Schokolade erinnernden Geschmack wiedererkennen. Und zwar mit Freude.
Bezugsquellen:
Kyrö Distillery, „Malt Rye Whisky“ kostet EUR 49,90 (0,5 Liter-Flasche);
Stauning Whisky, „Rye 2021 Batch 04“ ist um EUR 57,99 (0,7 Liter-Flasche) zu haben, der „El Clásico Rye Vermouth Finish Batch 2“ wiederum um EUR 74,99;
Stork Club, „Rye“ ist um EUR 29,99 (0,5 Liter) erhältlich, der „Full Proof Rye Whiskey” kostet EUR 42,99, alle fünf Whiskys führt der Spezialist whic.de, https://whic.de