Viel wurde geflucht über das „nasse“ Jahr 2010. Dort allerdings, wo man die Trauben traditionell spät erntet, schrumpften die Beeren nicht nur, sondern brachten auch entsprechend viel Säure mit – ideal für die Süßweine aus den Flusstälern an Rhein und Mosel. Matthias Knebel aus Winningen bei Koblenz jubelte über die Säurewerte, „selbst ältere Kollegen konnten sich nicht an so ein Jahr erinnern“. Um hier nicht zu technisch zu werden: Bei 330 Gramm Zucker pro Liter Wein hilft jedes Promille Säure mehr, die sirupartigen Essenzen bekömmlicher und frischer zu machen.
Auch im Pfingstbachtal sorgte vor zwei Jahren der Nebel dafür, dass Peter Jakob Kühn in Oestrich-Winkel die ideale Voraussetzung für „Botrytis“ vorfand. Seine 2010er Riesling Beerenauslese „Östricher Lenchen“(65,30 Euro/0,375 Literflasche) duftet nach Erdbeeren (!) und Waldhonig. Hier ließen der niedrige Alkohol (6,5 %) und die extreme Säure (16 Promille) den dritten analytischen Wert – 230 Gramm Restzucker – nahezu vergessen. Vor allem aber verleiht der eisenhaltige rote Quarzit diesem Wein eine Mineralität, die unvergleichlich ist und an marokkanische Salzzitronen denken lässt. Bescheiden spricht der kompromisslos biologisch arbeitende Kühn von „einem ganz außergewöhnlichen Jahr für die Auslese“.
Was im Rheingau der Quarz, ist für Knebel an der Mosel der Blauschiefer, der die Steillagen (70% Steigung sind keine Seltenheit, angeseilt zur Lese zu schreiten, auch nicht) durchzieht. Im Idealfall, den die Riesling Trockenbeerenauslese „Röttgen“ 2010 darstellt, kommen zu den gelben Früchten in der Nase noch jede Menge Kräuter (Zitronenmelisse, Koriander und Basilikum). Dicht und süß erinnert diese Essenz an gebackene Apfelspalten, Himbeersaft und gerösteten Reis. „Richtig Spaß“, so Knebel, „macht der wohl in 30 bis 40 Jahren“. Was auch den Preis der Ausnahme-Rieslinge relativiert.
Bezugsquelle: Weingut Knebel, Riesling TBA „Röttgen“ 2010, EUR 150 bzw. Peter Jakob Kühn, Riesling Beerenauslese „Lenchen“ 2010, EUR 54 bei Getränke Del Fabro, www.delfabro.at