Der Graf streute von der Bibliothek aus Rosen. „Wir sind stolz auf diesen wertvollen Zuwachs“, freute sich Michael Goëss-Enzenberg. Der Südtiroler tat es als Obmann von Respekt BIODYN – denn die Winzergruppe hat zwei neue Mitglieder. Das Weingut Leiner in der Südpfalz mag hierzulande (wie leider der gesamte deutsche Weinbau) noch ein Geheimtipp sein. Der Sattlerhof ist es ganz gewiss nicht. Doch auch Andreas und Alexander Sattler und ihr weithin bekannter Vater, STK-Pionier Willi Sattler, wissen noch zu überraschen. Davon später mehr, wenn es um die Weine der ganz neuen Biodynamiker geht. Denn im Falle der Sauvignon Blanc-Meister aus dem Südsteirischen wird erst der Jahrgang 2021 von Respekt zertifiziert sein.
Damit sind es 17 heimische Weingüter, die mit den sieben deutschen und Manincor-Eigentümer Goëss-Enzenberg in Italien die Vereinsfahne hochhalten. In Österreich bewirtschaften die Mitglieder mittlerweile ein Zehntel der gesamten Bio-Rebfläche. Doch bei aller Größe sind es auch Querköpfe und Persönlichkeiten geblieben, die ihre Idee von naturnahem Wein gegen das Verlachen von Kuhhorn-Vergraben und Tee-Spritzen verfolgen.
Da es Individualität in einem bürokratischen System, welches „zeitgemäße Geschmacksmuster“ bewertet, nicht immer einfach hat, haben wir uns entschieden, alle unsere Weine als Landweine abzufüllen.
Sven Leiner, Winzer
Exemplarisch dafür ist auch Sven Leiners Zugang. Er verzichtet ausgerechnet im Herkunfts-fixierten Deutschland („Kreuznacher Krötenpfuhl“) auf die Lagenangabe. Diskussionen über Filtrationsgrade seiner Weine waren ihm zu doof, lässt er durchblicken. Nunmehr ist für das Weingesetz alles Landwein, was er keltert. Auch wenn man den Rieden-Charakter seines „Kalkbruch“ überdeutlich schmecken kann.
Die Kleine Kalmit als Standort der Reben seines Weißburgunders findet sich halt seit 2018 nicht am Etikett. Aber sei’s drum. „Die Kalmit liegt wie ein Wein-Riff vorm Pfälzer Wald“ – kreidig-kühle Mineralität ist also gleichsam vorgegeben im ersten Wein von den neuen Vereinsmitglieder. Und die braucht keine gewogenen Gutachter, sondern nur empfängliche Gaumen.
Der Leiner ist meiner: Weißburgunder 2019
Der „Kalkbruch 2019“ schert sich auch nicht um frucht-verliebte Österreicher, er duftet nach vielem. Vielem Verschiedenen. Fruchtnoten wie Grapefruit oder Kletzen finden sich unter ferner liefen. Ausdrucksstärker ist schon die Würze-Schublade, die dieser Pinot Blanc öffnet und in der auch erdiges Gemüse Platz hat: Fenchelpollen, Kurkuma, Weißer Rettich (!), Zitronenmelisse und Papiernuß. All das notierten wir über zwei Verkosttage hinweg. Am Gaumen bleibt er ähnlich kühl und würzig. Senffrüchte, etwas Quinoa, aber auch pochierte Pfirsiche und Birnen, allerdings ohne jede Süße, bringt dieser Wein mit. Eine feine Bitter-Note macht ihn zum Weißwein für Noilly Prat– und Martini Bianco-Trinker.
Der Wermutkraut/Zitrus-Touch verliert sich am zweiten Tag. Allerdings animiert vor allem dieser Zug zum Weitertrinken. Gut, dass er in Rudimenten immer noch im Finish vorhanden ist. Und auch das „Nusserl“ kommt hier erneut durch. Zusammen mit dem salzigen Finish hat das dann was von Salzmandeln. Ein Pfälzer Biowein, der seinen eigenen Snack mitbringt!
Der zweite Wein, der Sven Leiner per Online-Schaltung mit-verkostet, ist sein Spätburgunder, also Pinot Noir, namens „Kalkbank“ des Jahrgangs 2018. Bei ihm ist dem Winzer moderater Holzeinsatz wichtig, man soll die Rebsorte schmecken. 500 Liter-Fässer sind daher mittlerweile Standard; 15%-20% ganze Trauben geben zudem Rückgrat. Das zeigt auch die Farbe schon an – relativ dunkel für einen Spätburgunder kommt der 2018er ins Glas. Und verströmt quasi sofort seinen Duft nach Rooibos-Tee, Holunder und Brombeere. Es sind dunkle Aromen, zu denen man auch noch Schwarze Oliven und Heidelbeere aufreihen könnte. Wieder aber ist auch die Würze bemerkenswert, die auch über die leichte Nougat-Note locker drüberreicht.
Auch das Mundgefühl ist satt und wird begleitet von herben Kirschen-Tönen, wieder Holunder mit seinem Gerbstoff – hier eher als kalt gewordenes Hollerkoch vorzustellen – und Lorbeer. Die würzige Grundierung begleitet in Ilbesheim einmal keinen säurigen „Himbeer-Typus“. Für Burgunder-Fans mag der „Kalkbank“ 2018 daher schwierig sein, weil bei aller Jugend die letzte Eleganz fehlt. Für alle, die sonst zu dünn-säurige Pinots beklagen und es „stoffiger“ mögen, hat Leiners Spätburgunder seinen Reiz. Vor allem, weil das Holz hier wirklich Struktur gibt, aber nicht den Rotwein-Geschmack überlagert. Es ist die Bass Drum dieses Pfälzers, nicht sein Subwoofer.
Geduld, Geduld! Der Gamlitzer kommt erst später
Womit die Reihe an Alexander Sattler ist, seine beiden Weine zu erläutern. Es sind zwei Sauvignon Blancs, darunter der famose Kranachberg. Doch die spannenderen News gibt es vom Ortswein, den es erst seit 2018 als steirische Kategorie gibt (die Idee dazu steht hier). Und die große Diskussion anlässlich der neue Weine drehte sich vor drei Jahren um die Frage, wann denn das „in Verkehrbringen“ g’scheit sei. Die Sattler’sche Antwort hält sich nicht mit März oder Mai auf, sondern gibt dem „Gamlitz“ gleich gute anderthalb Jahre bis zur Füllung. Diese Reife merkt man den Ortswein an. Doch sie ist nicht das ganze Geheimnis seiner Wertigkeit. Der größte Trauben-Anteil stammt vom Kranachberg, verrät Willi Sattler. Sernauberg und Pfarrweingarten als ebenfalls nicht unbekannte Rieden ergänzen diesen Gamlitzer Sauvignon.
Das Ergebnis bringt Maracuja-Duft mit, Brennessel, dazu die rauchige Knusprigkeit eines Sesam-Fladenbrots, das der Türke gerade für die Kundschaft aus dem Ofen geholt hat. Ringlotten, Estragon und Piment könnte man noch anführen. Wichtiger aber: Hier ist der Ortswein tatsächlich eine Vorstufe zum Lagenwein! Bremselnd lebendig vom ersten Schluck an, auch noch jugendlich in punkto Säure, zeigt er wieder würzig unterspickte, herbe gelbe Früchte. Ein bisschen Nektarine da, etwas Ingwer dort, Braune Senfsaat auch, und ein animierendes Säurebitterl nach hinten hinaus. Wer einen Vergleich braucht – auch weil der Alkohol mit 12,5% ähnlich niedrig ist: So wie einige Wachauer Federspiele am Smaragd-Niveau kratzen in der Qualität, schrammt dieser Ortswein schon ordentlich nah an Lagenweinen vorbei.
Die haben dann aber doch noch mehr Gehalt…..strecken sich in die Tiefe und boxen nach oben – Natur-Kraft beziehend und verströmend (ohne jetzt wie Rudolf Steiner klingen zu wollen!). Denn quasi außer Konkurrenz lief einer der besten Lagenweine der Sattlers. Denn der 2017er Kranachberg ist nur mehr für Stammkunden in Restmengen erhältlich. Und man versteht auch, weshalb dieser Sauvignon vergriffen ist. Erst unlängst wurden die einzelne Parzellen, die stets getrennt gelesen werden, mit Freunden verkostet. „Teils große Unterschiede“, so Alex Sattler, konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die wahre Größe der gesamte Kranachberg zeigt. Und der Jahrgang 2017 zeigt schon die ganze Breite eines reifen Sauvignons, die nicht im Entferntesten mit Grasigkeit zu tun hat. Und auch Stachelbeeren nur vom Hörensagen kennt.
Dafür gibt es Aschanti-Nüsse (vor allem die Schalen!) zu riechen, Pfefferminze – die Sattler als „Gunpowder-Tee“ beschreibt – Papaya- und Guave-Würferl und reichlich gegrillte Paprika. Die Frucht legt quasi minütlich zu und dreht aus dem anfänglichen Cassis-Ton immer mehr in Richtung gelber Tropenfrüchte. Passionsfrucht ist dann merklich im Duft, etwas Kokosraspel und vor allem auch eine süße Rauchigkeit, die an Kaffee-Zigarillos erinnert.
Im Mund breitet sich der fruchtige Film schneller aus, als die beträchtliche Würze folgen kann. Gelbe Kiwi, auch gedörrte Ananas ohne jede Süße, ein wenig sogar die herbe Frische von Eukalyptus ist zu schmecken. Wobei es ein Wein ist, der auch die trigeminale Wahrnehmung ins Spiel bringt. Hat man nicht so oft! Doch lässt man ihn bewusst länger am Gaumen, zeigt sich einerseits die sanfte Frucht, aber auch die durch und durch tiefe Würze. Sie bringt Kurkuma, Pfeffer und etwas Kren-Abrieb mit – ein Mix, der in seiner erdig-pikant-süßen Kraft auch lange haften blieb. Ja, auch so kann Sauvignon schmecken. Wir sagen: „Respekt, Biondyn! Respekt, Sattlerhof“!
Bezugsquellen:
Weingut Leiner, Weißburgunder „Kalkbruch“ 2019 ist um EUR 15 im Webshop der Pfälzer erhältlich, der Spätburgunder „Kalkbank“ 2018 um EUR 35,-, https://shop.weingut-leiner.de
Sattlerhof, Sauvignon Blanc „Gamlitz“ 2018 ist bereits rar, als Magnum kostet er EUR 45,90 beim Versand Vinorama, www.vinorama.at
Sattlerhof, Sauvignon Blanc „Kranachberg“ 2017 ist nur mehr in Restmengen vorhanden, der Jahrgang 2018 kostet EUR 44 ab Hof bzw. im Webshop, https://www.sattlerhof.at/shop