Das Dilemma der alkoholfreien Destillate (die gibt es, alkoholfreie Spirituosen nicht!) beginnt offensichtlich beim Namen. Denn von Gesetz wegen ist es eigentlich ausgeschlossen „alkoholfreien Gin“ zu bewerben. Denn der Gin, um nur die am häufigsten ohne Promille „nachgebaute“ Spirituose zu nennen, hat einen Mindestalkoholgehalt. Ohne den ist er eben kein „Gin“. Weshalb von „Juniper“ über „London Spirit“ einige Bezeichnungen auf den Flaschen stehen. Was die Bestellung nicht gerade erleichtert.
Vor allem aber steht die Physik vielen dieser Produkte im Wege. Ohne Zucker und Alkohol ist das Mundgefühl halt immer schlanker als mit. Und so hört man oft „wässrig“, wenn durchaus wohlgesonnene Konsumenten neugierig ihren ersten alk-freien Gin, Rum oder Whisky kosten. Denn einen Schluck pur zu nehmen, haben wir ja gelernt. Doch das ist teilweise unfair gegenüber Getränken, die explizit erst mit einem „Filler“ – Limonade, Tonic, Ginger Ale etc. – aromatisch „aufgehen“. Man muss viel wissen, um überhaupt die Kategorie der neuen Alkoholfreien zu verstehen. Vor allem sollte man eine gewisse Großzügigkeit bei direkten Vergleichen an den Tag legen.
Bei Siegfried geht man mit einer Produktneuheit daher einen leicht anderen Weg. Nachdem man mit deutschem Gin erfolgreich gestartet ist bei den Rheinland Distillers, folgte vor vier Jahren der alkoholfreie Wacholder nach. Dieser „Wonderleaf“ (wir haben ihn hier verkostet und beschrieben), machte in Deutschland schnell eine ganz neue Kategorie auf. Doch genau das tut man mit dem nunmehr zweiten alk-freien Produkt nicht. Der „Wonderoak“ nimmt kaum explizit auf eine bestimmt Spirituose Bezug. Ein „warm-aromatisches Geschmacksprofil“ verspricht man und endet mit einem spanischen „Livin’ la vida loca“! Das zielt zwar in Richtung Rum und Karibik, doch geht man nicht den Weg, sich als alkoholfreie Rum-Alternative anzubieten und Vergleiche samt offener Flanke aufzumachen.
Vielmehr ist man sozusagen eine Variable – nennen wir sie „W“ – für fassgelagerte Destillate. Tonkabohne, Muskatnuss und explizit Eichenholz sorgen für die Aromatik. Dass man nicht nur an Rum denken muss, zeigt sich beim ersten Beschnuppern der „Wundereiche“. Die schweren Duftnoten erinnern alle, die sie schon einmal in der Hand (getrocknet) oder im Glas (zähflüssig) hatten, eindeutig an Melasse. Wer diesen Vergleich nicht kennt, wird an Ahornsirup und Karamell denken – zähflüssig und intensiv zieht die Süße vorm Kopfkino dahin. Dazu komme aber auch eine Würze, die Kraft genugt hat, diesen dunkeln Aromenstrom zu durchschneiden. Ein wenig Liebstöckel, aber auch Nelkenpfeffer (Piment) mischen sich zwischen die Kakaosplitter und Schoko-Töne.
Eindeutig wird die Präsenz des „Maggikrauts“ dann am Gaumen, wenn man einen Schluck nimmt. Die Kräuteranmutung nach Liebstöckel und Eberraute sorgt für einen recht trockenen Eindruck, die etwas blumige Vanille ganz am Ende weist bereits den Weg zur „mixability“. Denn mit beiden Komponenten aus dem Gewürzregal ist man sehr anschlussfähig an Cola und Ginger Ale. Wir testen das im Highball-Glas und vermissen nur die Limette (weil wir keine eingekauft haben!).
Ein weiterer Tipp, der aus Siegfrieds eigener Cocktail-Forschung stammt: Passionsfruchtsaft kann da definitiv auch was. Denn dass sich Vanille und Maracuja mögen, weiß man nicht zuletzt aus dem „Porn Star-Martini“.
Bezugsquelle:
Siegfried, „Wonderoak“ kostet EUR 18,90 (Halbliter-Flasche) im Onlineshop von Weisshaus, www.weisshaus.at