Es war nicht beabsichtigt, aber der erste bemerkenswerte Wein beim großen Tasting des Siegendorfer Weinhandels Wild hieß wie der Gastgeber. „Wild & free“ nannte sich die Neuheit, die der Ruster Furmint-Könner Michael Wenzel heuer mit nach Eisenstadt gebracht hatte. Jetzt stand sie also vor uns – Gelber Muskateller 2016, Grüß Gott! – eine persönlich ungeliebte Sorte, die maischevergoren wurde, vulgo: „Orange Wine“! Beides ließ uns zögern, doch der Winzer (am kleinen Bild unten) kann Gesichter offenbar lesen und gab Entwarnung: „Nur zehn Tage auf der Maische“, lautete sein Rezept, das ein wenig im Widerspruch zum Namen dieser Serie steht.
Denn was nach Laissez-faire-Stil klingt (in der Kulturtechnik Weinbau in den seltensten Fällen ein wirklich überzeugendes Rezept), ist ein kontrollierter Prozess, den Wenzel auch durchdacht hat. Gerbstoff-Auslaugung durch mehrmonatiges Feinhefe-Lager erschließt sich ihm nicht. Seine Rebsorte ist auch im „Orange Wine“ – ein Begriff, mit dem er durchaus auch hadert – stets kenntlich. Oder sagen wir: Fast immer. Denn ein wenig driftet der so „behandelte“ Muskat in eine Traminer-Richtung, vor allem in der Nase findet sich mehr blumiger Duft als Muskatnuss: Rose und Malve, dazu auch die leicht säurige, aber fleischig-reife Ringlotte notierten wir.
Doch spätestens mit zehn Minuten, die man das Glas stehen lässt, während man wahlweise von Ungustln angesprochen wird oder zu alten Bekannten unter den 600 Gästen stößt, ist das klar Muskat. Im Mund herrscht daran ohnehin nie Zweifel. Denn nach der breiten Anlage zu Beginn bricht sich die typischen Muskateller-Frucht ihre Bahn. Als hätte man fette Burgmauern passiert und es öffnet sich der sonnendurchflutete Hof dahinter, so spielt nun eine Steinobst-Combo auf, in der Marille und Ringlotte den Ton angeben.
Der Gerbstoff, ebenso gefürchtet von Orange Wine-Skeptikern wie der mostige Geruch, wurde hier ebenfalls mit dem feinen Haarpinsel aufgetragen. Kurz meldet sich das Tannin im Abgang, wird aber wieder von der Frucht weggespült. Hier agiert Gerbstoff als Wein-Gewürz, nicht als Ersatz für Sortenausdruck. Und auch der Preis unterscheidet den Muskateller des Rusters von etlichen maische-vergorenen Kollegen-Weinen. Weniger einzugreifen in die Weinbereitung sollte schließlich nicht teurer bezahlt werden.
Da man bei 360 zu verkostenden Weinen einen Plan braucht, beließen wir es dermal bei den weißen Neuheiten – und auch wenn es überall von Craft Beer-Innovationen wimmelt, schreibt auch der Wein noch neue Geschichten. Dazwischen gehören aber auch die Klassiker geehrt und das geht gleich vier Tische weiter. Denn traditionell wird von Trinkprotokollanten beim „Wild-Hannes“ auch das erste Mal das aktuelle First Couple des Chardonnay verkostet, Andi Kollwentz‘ „Tatschler“ bzw. „Gloria“. Der Vergleich der beiden Weine nach burgundischem Vorbild geht in der Regel immer zugunsten des mineralischen Weins aus – und auch diesmal hatte die Gloria die Nase vorn: Bienenwachs und Butterkeks sind beides angenehme Düfte, die von perfektem Fass-Einsatz zeugen – einen aber lange nicht auf die Eleganz vorbereiten, die dieser 2015er jetzt schon mitbringt.
Wenn es einen heimischen Anwärter gibt, der es mit den besten Meursaults aufnehmen kann, dann dieser. Denn der Abgang mit seiner salzigen Art, nachdem zunächst der Schmelz des Chardonnay das Feld beherrschte, ist einfach große Weinkunst. Und wie gesagt, da stehen wir am Anfang einer Entwicklung.
Exot in der Orangerie: Wiener Weißburgunder
Merklich größer wird alljährlich auch die Traube um einen ursprünglichen Exoten in der Orangerie, „den Wiener“, nämlich Rainer Christ. Sein Gemischter Satz vom Bisamberg fand viele Fans, uns interessierte aber der vom Winzer tags zuvor als „eine Art Hochplateau aus Verwitterungskalk“ beschriebene Falkenberg mehr. Denn diese Lage wird als eine von nur 12 Wiener Rieden (oder 2,9 % der Gesamtfläche) ab dem Jahrgang 2017 als „Erste Lage“ auf dem Etikett firmieren. So hat es der Verein WienWein, dem Christ angehört, beschlossen; verkosten kann man dem Statut gemäß also erst im September 2018, doch was so ein Falkenberg kann, ließ sich auch am 2015er erkennen.
Der Weißburgunder, an sich nicht unter den Top-Sorten der Beliebtheitsskala, läuft auf diesem Terroir zur Hochform auf. Wer Riesling vom Zöbinger Heiligenstein kennt, kann sich den Säurenerv in diesem Wein vorstellen. Gelber Apfel, dazu auch kühle Pfirsich-Noten (daher nicht von ungefähr der Riesling-Vergleich), aber auch schon eine Vor-Ahnung auf die Mineralität – in Form von Salz-Zitronen-Duft – erschnuppert man. Auch am Gaumen ist es weniger die Frucht, als die von Anfang bis Ende vor Leben vibrierende Lebendigkeit, die den Wein prägt. Fast „bremselt“ es von diesem Boden-Ton, der sich immer mehr hinter dem gelben Apfel herausschält. Ein herausragender Vorgeschmack von dieser „Erster Lage“, der zu Recht nicht gerade billig ausfällt.
Wem derlei nicht ins Budget paßt, der sollte wieder mal bei Hans Nehrer vorbeischauen. Der Mitgründer des DAC Leithaberg hat sich mit einigen Neuheiten und rund erneuerten Klassikern nach turbulenten Jahren zurückgemeldet. Ganz fein etwa – für alle Freunde eines knackigen Typs Sauvignon – ist der 2016er des St. Georgener Winzers (recht im Bild). Der liegt nicht nur preislich unter vielen Vertretern der „Steirischen Klassik“, er ist anders als im Frost-gebeutelten Nachbarbundesland auch in ausreichender Menge vorhanden. „Voll die Sorte“, rief nebenan jemand – und recht hatte es, das Wein-Girlie. Cassis pur, unverkennbar also Sauvignon Blanc auf Frischemodus geschalten, aber nicht grasig-grün im Duft. Auch am Gaumen frischt der mächtig auf: Grüner Apfel, Kräutermix und eine resche Säure, die nur eine Frage offen läßt: Wer stellt jetzt den Gartentisch auf? Die Gläser und den Nehrer-Sauvignon bring ich raus!
Bezugsquelle:
Michael Wenzel, Gelber Muskateller „wild & free“ 2016 ist um EUR 12,50 erhältlich,
Römerhof Kollwentz, Chardonnay „Gloria“ 2015 kostet EUR 48,
Rainer Christ, Weißburgunder „Falkenberg“ 2015 ist um EUR 29 erhältlich,
Hans Nehrer, Sauvignon Blanc 2016, ist um EUR 8,50 erhältlich, alle beim Weinhandel Wild, www.weinhandel-wild.at