Was macht man, wenn ein Wein derart gut ist? Man stattet dem Winzer einen Besuch ab. Zumindest, wenn man in Toronto zu Gast ist und sonst nicht viel zu tun hat im kanadischen Sommer. Also ging’s direkt vom Esstisch des Restaurant „Carbon“ nach Prince Edward County, dem Sitz von mittlerweile 45 Weingütern. Nicht so bekannt wie das Anbaugebiet Niagra, dem die gleichnamigen Fälle natürlich einiges an P.R.-Booster liefern, hat sich hier ein Genusszentrum etabliert. Denn die Gegend war immer bekannt für Gemüsebau, nun ergänzen Craft Breweries und eben Weingüter die Szene, nachdem ein deutscher Geologe einmal die Bodenprofile als ideal erkannt hat. Der Riesling 2014, den es in der Magnum zu den Baby-Jakobsmuschel gab, stammt von einem der Pioniere der Region. Prince Edward County (nicht zu verwechseln mit der kanadischen Provinz Prince Edward Island!) gilt als die „Hamptons“ für Torontos Wohlhabende.
Auf die internationale Weinkarte hat es aber seit 2001 dann Norman Hardie gesetzt. Der Südafrikaner, der als Sommelier startete, hat in Wellington sein Weingut etabliert. Von hier stammte der Riesling mit dem süß-sauren Profil und der leichten Mineralik. Sie verdankt sich dem Kalkanteil einiger Reben, die Claude Arsenault (Foto links) bei der Verkostung klar macht.
Die Winery folgt seither einer „burgundischen“ Vision. Pinot gris, Chardonnay und Pinot Noir sind daher im Portfolio. Doch „Norm“, wie ihn hier alle nennen, hat sich auch anderswo umgeschaut, schließlich haben Reben hier ein hartes Leben. Und so kommt der robuste Österreicher namens Zweigelt ins Prince Edward County. Er wird hier zu einer dichten, Merlot-artigen Abfüllung, wobei die Abfüllung aber immer noch zu jung ist, um das Potential voll abzuschätzen. Definitiv im Griff hat man aber den Pinot Noir.
Der 2016er kommt unfiltriert in die Flasche, im Bukett ist er voller als der übliche Himbeer-Zitrus-Typ, hier gesellen sich zu den Beeren auch noch Blutorange, Wacholder und auch schwarze Nuss. Der kanadische Burgunder täuscht vor, „easy going“ zu sein, er hat aber auch versteckte Riffe unter der gefälligen Erdbeer-Flut. Etwas Minze und Koriander mischen sich als Kräuternoten dazwischen, am Ende belohnt der Wein Pinot Noir-Freunde mit Bekanntem, das doch verändert wirkt. Als hätte sich ein Freund plötzlich den Bart abrasiert.
Der Riesling 2016 will natürlich auch gekostet werden, immerhin führte er uns hierher, wo zum Wein (das Glas um 10 Euro!) auch der Pizza-Ofen angeworfen wird. Norm Hardie gilt nicht nur als lässige Winery, sondern auch als „dog friendly“. Das hat nichts mit der Pizza zu tun, fiel mir nur gerade wieder ein. Im Duft zeigt er Ungestüm, Birnen-Cider mengt sich mit Limetten, Honigmelone und Melisse notierten wir ebenfalls.
Doch die nicht ganz orthodoxe Rieslingnase täuscht, am Gaumen ist das Riesling pur. Frisch und wieder mit Limette im Anfang, trägt eine zarte Süße den Wein, der mit Zitronenmelisse und gelber Paprika dagegenhält. Frucht, Säure, Süße und sogar ein Anflug Mineralik sind da, am ehesten erinnert er an einen „feinherben“ Riesling aus Deutschland. Auch der Alkohol fällt im kühlen Kanada moderat aus, 11% sind mittlerweile fast ungewohnt.
Burgundisch ohne Butter: Der County-Chardonnay
Das merkt man dann noch stärker beim für uns besten Wein des Hauses. Ein Chardonnay mit 11,9% hat Seltenheitswert. Auch er kommt im eigenen Glas der Winery daher, mit Freude sehen wir ein Burgunderglas von Riedel. Mit einem Duft nach Sesam, etwas Baumharz und Nektarine bringt er aber alles mit, was man von einem weißen Burgunder nach einem Jahr im französischen Holz (dem Vorbild folgend, sind es wie im Mâconnais 300 Liter-Fässer) erwarten darf. Weißfleischige Birne sorgt für einen frischen Auftakt, dazu wieder der Sesam-Touch und eine fein dosierte Säure, die im Ausklang für einen Limetten-Akkord sorgt, sind die Spielmacher beim 2015er Chardonnay von Norm Hardie.
Das Geschmackprofil erinnert also an einen Bourgogne blanc, den kleinen Bruder des Meursaults, allerdings bei gut 2% weniger Alkohol. Der Körper fehlt nicht im eigentlichen Sinne, denn die Aromen sind alle da, der Wein ist nur insgesamt weniger buttrig als das französische Original. Wer diesen Zug auch noch gerne hätte, wird den 2016er lieben, den Mlle. Claude aus dem Fass zieht. Er wirkt runder und buttriger, die Erklärung allerdings macht traurig: „Es war ein Frost-Jahrgang, 90% der Ernte fielen aus“. Spätestens jetzt holt einen die kanadische Realität wieder ein. Und die Ab-Hof-Preise relativieren sich.
Bezugsquelle:
Norman Hardie Winery, „Country Chardonnay“ 2015 ist wie der Pinot Noir „Unfiltered“ 2014 um ca. 32 Euro erhältlich, beide beim britischen Versand „Just in cases“, www.justincases.co.uk