„Auf die Langlebigkeit!“ Wir trinken mit Antoine Roland-Billecart auf den 100. Geburtstag seines Vaters. Im April feierte der Doyen der privaten Champagner-Häuser den seltenen Geburtstag; von 1964 bis 1992 war Jean Roland-Billecart „président“ der Maison Billecart-Salmon. Auf dessen Bestand erheben wir ebenso das Glas Blanc de Blancs, denn seit 1818 ist man als Familie in Sachen Champagner aktiv. „Die siebente Generation ist bereits im Unternehmen“, hat der 62-jährige Antoine auch nicht vor, dass sich das ändert. „Wir müssen keine Produkte beschleunigen“, nennt Roland-Billecart dann einen aus seiner Sicht wesentlichen Vorteil. Familien-Weingüter sind rar geworden in dieser Größenordnung. Doch wo es sie in der Champagne noch gibt, wollen sie auch ihr eigenes Tempo gehen. Klare Botschaft!
Sie verbreitet auch der Wein, wegen dem der Chef der maison de champagne ins Palais Coburg gekommen ist. 150 Monate (!) Hefelager stehen beim „Nicolas François“ 2008 zu Buche. Seit 1964 gibt es diesen Tribut an den Gründervater Nicolas François Billecart, der wie dessen erste Assemblage ohne Pinot Meunier auskommt. Und es sind zwar schon sechs Jahre seit unserem letzten Treffen vergangen und doch ist es der Folgejahrgang des damals geöffneten „Nicolas François“ 2006, der nun ins Glas kommt. „Noch in der dritten August-Woche gab es da wenig Reife“, erinnert sich Monsieur Roland-Billecart an einen überaus kühlen Jahrgang. Dem Ergebnis tat dieser heute schon wieder ungewöhnliche Witterungsverlauf gut. Als „Altersversicherung“ (© Antoine Roland-Billecart, links im Bild) eines Champagners gilt in Mareuil-sur-Aÿ seit jeher die Säure.
Das zeigt vor allem die beeindruckendste Flasche des Kostnachmittags, die den zehn Jahre älteren „Nicolas François“ 1998 beinhaltet. Reduktiv in einer rauchigen Attraktivität, wie man sie in der Regel von weißen Burgundern der Meursault-Klasse kennt, legt diese Doppel-Magnum los. Pfirsichkern und Sesam wetteifern mit Haselnuss um die Aufmerksamkeit der Verkosternase. Dann folgt der erste Schluck, der wie ein „Layer Cake“ verschiedene Schichten präsentiert. Karamellcreme, die an das Alter dieses Champagners erinnert, ist gleich die erste. Doch die Sensation liefert die Zitrusfrische, die Wein und Genießer gleichermaßen munter macht. Bergamotte pur!
Kreidig, zitrusfruchtig, versteckt röstig – wird er wie 1998?
Denn ein feiner Gerbstoff, auch er noch jugendlich 25 Jahre nach der Ernte, ist zu spüren. Dazu ein weiterer Taktgeber der Frische, nämlich Weißer Pfeffer. Man sollte diesen Wein unbedingt kennen, um zu wissen, wohin beim 2008er die Reise geht. Dieser „Nicolas François“ verbindet nahezu ausschließlich (90%) grands crus aus der Côte des Blancs (Chardonnay) und der Montagne de Reims (Pinot Noir). „Fast nichts” sei die Dosage gewesen, die beim 2008er bei 2,9 Gramm lag. Entsprechend frisch und weinig zeigt sich die neue Cuvée auch.
Klare Birnenfrucht, die mit Zimt besprenkelt wurde, steigt aus dem Glas. Dazu kommt eine intensive Fruchtigkeit, die man mit Lychee und Mandarinen-Fruchtfleisch beschreiben könnte. Sie weicht mit mehr Standzeit aber einem herrlichen Ton. Zumindest für alle, die Manzanilla-Sherry mögen: Hefe und Salz zugleich erinnern im Duftbild an die markanten Böden von Mesnil, Avize und Cramant.
Der Kostschluck bestätigt dieses kalkige-saline Element im „Nicolas François“. In dem engmaschigen und frischen Auftritt spielt die Salzzitrone eine Rolle, weitere Agrumen (Orangenblüte) treten als Nebendarsteller auf. Mit Luft zeigt sich der Weg in Richtung 1998er – dann treten die zarten Röstnoten (ein Teil wurde im Holz vinifiziert) klarer zu Tage. Vor allem verbindet sich dieser Zug mit den „Pyrrolen“ des Chardonnay, also dem buttrigen Haselnuss-Aroma der Sorte.
Das allerdings muss man herausschmecken; gegenüber den Zitrusnoten bleibt es – noch! – im embryonalen Stadium. Wie zur Bestätigung ist da im Nachklang auch noch „Earl Grey“ mit seinem Bergamotten-herben Touch. Wer immer zu dieser Flasche greift, sollte ihr Zeit im Keller geben. Es müssen keine zehn Jahre sein, aber vier, fünf weitere verweben die Fülle der Eindrücke des „Nicolas François“ noch enger.
Nie fehlen darf bei den Verkostungen jener Schaumwein, der in Österreich wohl das bekannteste Produkt von Billecart-Salmon darstellt. Der „Brut Rosé“ traf in einem statistisch Europa-weit führenden Land der Rosé-Champagner-Trinker immer schon einen Nerv. Spannend ist die ebenso sophistische, wie folgenreiche Sichtweise des „président“ selbst: „Für uns sollte es immer ein Rosé aus der Champagne sein, kein Rosé-Champagner“! Entsprechend kühle Lagen liefern den Chardonnay-Anteil, vor allem Vitry-le-François im Osten der Champagne sorgt für eleganten, keinesfalls „lauten“ und tropenfruchtigen Weißwein.
Zu diesen 40% Chardonnay kommen 30% Pinot Meunier aus der Vallée de la Marne. Der als Rotwein vinifizierte Pinot Noir macht also 30% aus und auch bei der Dosage ging man in kleinen Schritten hinunter – wir erinnern uns an neun Gramm, aktuell sind es nur sechs Gramm, so Antoine Roland-Billecart.
Damit kommen die Zitrusnoten auch deutlicher hervor. Immer schon war dieser punkto Frucht zweigeteilte Rosé eine Edelversion von „Paiper“; Himbeerduft und Zitrusschale bestätigen diesen Vergleich. Kühl und am unteren Ende der Reife entdeckt die Nase auch Wiesener Erdbeeren. Die feine Perlage bringt dann auch etwas Orangenzeste zu den beschriebenen Duftnoten hinzu. Am Gaumen sind ebenso Zitrusfrüchte im Verein mit roten Beeren und im Gefolge auch blumigen Anklängen wie Hibiskus vorhanden. Zum an sich schon sehr weinig-angenehmen Trinkverlauf trägt dann das Gerbstoffbitterl im Finale bei. Es ist elegant wie der Rest des „Brut Rosé“. Und dieses Tannin signalisiert dem Gaumen, dass eigentlich „Repeat“ angesagt wäre.
Bezugsquelle:
Billecart-Salmon, Blanc de Blancs kostet wie der Brut Rosé EUR 69, die Cuvée Nicolas François 2008 ist um EUR 160 erhältlich, alle beim Österreich-Importeur Weingut Velich, www.velich.at