Über Bordeaux fachzusimpeln hat hohen Reiz. Erfahrungsgemäß „gibt“ einem das aber nur dann etwas, wenn auch genug verschiedene Weine (und Jahrgänge) bei einer Probe vorhanden sind. Diese Bedingungen waren jedenfalls erfüllt, als Gerhard Kracher namens seines Weinhandels in die Schauräume von Rahimi & Rahimi nach Wien bat. Gleich neun Châteaux waren mit je zwei Weinen vertreten – und es waren sehr verschiedene. Was zu einer Fülle von Kosteindrücken führte, die wir in zwei Teilen zusammengefasst haben. Nicht ganz ein Jahrzehnt umfassten die gezeigten Weine aus den Ernten 2010 bis 2017. Doch viel hat sich getan an der Gironde in diesem Zeitraum: Stilwechsel und Bio-Umstellung vollzogen sich bei einigen der Häuser. Und natürlich wurde auch die Assemblage der Cuvées traditionell dem Jahrgang angepasst.
Das vielleicht beste Beispiel dafür stellte der höchste Cabernet-Anteil „ever“ (81%) dar, der am Château Giscours 2016 zum Einsatz kam. Die rauchige Duftqualität und der Mix aus dunklen Beeren – Holunder und Heidelbeere – ließ noch nicht erkennen, wie markant die Schwarze Johannisbeere dann im Mund auftreten würde. „Grether’s Pastillen“ und eine ansonsten von kalifornischen „Cabs“ bekannte Intensität standen hier zu Buche. Dagegen brachte der 2012er, den Laure Bastard einschenkte, als erster Wein einen Eindruck mit, der uns noch öfter im Bordeaux-gefärbten Teppich-Wunderland (zwischen Kelims und Jan Kath-Großformaten) begegnen sollte: Petit Verdot wirkt als Sorte schon mit wenigen Prozenten Anteil als Gewürz, vor allem im Nachgeschmack der Weine.
In diesem Fall begann der Giscours schon in der Nase mit würzigen Noten – Lorbeer und Steinpilz gaben dem eine erdige Grundierung. Witziger Weise sorgten die „nur“ 70% Cabernet Sauvignon in diesem Jahr für einen Geruch nach schwarzen und roten Johannisbeeren. Allerdings blieb es bei diesem Grand Cru beim Beeren-Geruch. Denn geschmeidig und zugänglich umhüllte er die Zunge – und das mit dezentem Gerbstoff, dafür aber roten Früchten. Himbeere in reifem Zustand, etwas Kirsche, vor allem aber ein im Trinkverlauf auffrischender Schwarzer Pfeffer folgten. Und nicht zu vergessen die Pikanz des Petit Verdots als letzter Schnörkel der überaus würzigen Art. Ein herrlicher und trinkanimierender Wein!
Ähnlich gestrickt, wenn auch aus St. Julien stammend, war der 2016er des Weinguts Langoa Barton. Hier bildeten 55% Cabernet Sauvignon, 37% Merlot und 8% Cabernet Franc den Blend, wie Magali Pourquié explizierte. Das ergab einen Wein, der entsprechend tiefgehende, um nicht zu sagen: -wurzelnde, Würzigkeit aufwies. Unterholz, zarte Trüffel-Noten und ein im Vergleich eher verhaltener Heidelbeer-Ton bildeten das Duftbild. Wunderbar animalisch ließ sich der Wein aus dem noch immer Familien-geführten Château am Gaumen an. Etwas Eisen-haltig, mit Anklang an Blut, wurden die Fruchtaromen roter Beeren (zuvorderst Himbeere) attraktiv umhüllt. Die feine Säure zeigt noch die Jugendlichkeit bzw. in den Augen des Sammlers: das Reifepotential des Langoa Barton.
Wem derlei gefällt, blieb auch länger bei Jean-Michel Laporte von Château Talbot stehen. Besser gesagt: beim 2011er, der ebenfalls aus Saint Julien stammt. Der recht trockene Jahrgang hebt die Würzigkeit der beiden kantigeren Sorten (60% Cabernet Sauvignon und 6% Petit Verdot). Für die verbindende Kraft ist der Merlot zuständig. Er bleibt in der Nase noch hinter dem Kaffeepulver- und Efeugeruch zurück, denn da zeigt sich mehr Struktur-gebende Würze als Frucht. Im Mundgefühl aber wird der Mix aus Cranberry, Brombeere und dunkler Schokolade recht geschmeidig. Hier treibt die Frucht die Attacke auf den Gaumen; erst im Abgang wird regelrecht mediterran gewürzt. Olivenblätter und Lorbeer sowie etwas Thymian prägen den langen Nachhall des 2011er Château Talbot.
Bezugsquelle:
Château Giscours 2012 kostet EUR 74,90, der Château Langoa Barton 2016 ist um EUR 61,90 zu haben und Château Talbot 2011 um EUR 89,89, alle bei Kracher Fine Wine, www.finewineshop.com