Das Interesse war groß und genau das, was Wolfgang Renner erhofft hatte. Denn die Prämierung von Österreichs bestens PIWI-Weinen organisiert der Steirer, hauptberuflich in der Versuchsstation Obst- und Weinbau Haidegg zu finden, seit einigen Jahren. Mit dem „PIWI-Kostgipfel“ wurden die besten Weine des Wettbewerbs aber erstmals in Wein verkostet. Was nicht aufgrund der Wasserkopf-Funktion der Hauptstadt bedeutsam war, sondern weil es immer noch viel zu wenig Wissen über die innovativen Rebsorten gibt. Unübersehbar lag daher auch das Nachschlagewerk zu den Sorten mit den schrägen Namen auf. Denn aus welchen Reben etwa der Cabernet blanc gekreuzt wurde, wußten selbst die Winzer nicht immer aus dem Stegreif zu beantworten. Der Überbegriff spielt auf die Pilz-Widerstandsfähigkeit der Trauben an, die hier genetisch optimiert wurde. Man kann aber auch „PIoneering WInes“ hineinlesen.
So stellte Renner die Sorten vor und hatte auch Zahlen parat, dass vor allem nicht-klassische Weingegenden die neuen Rebsorten schätzen. „50% der oberösterreichischen Weine sind PIWI“, wenngleich das nur 15 Hektar bedeutet. Deutlich beliebter sind die pflegeleichteren Trauben im Nässe-geplagten Steirischen, womit sie mittlerweile auch bundesweit einen Anteil von 1,5% an der Rebfläche aufweisen. Der generelle Eindruck von den Weinen der 10 Winzer, die in der Wiener Labstelle ausschenkten, lässt sich dreiteilen:
- Betonte Fruchtigkeit, bereits im Duft
- Milde Säure und ein wenig „old school“
- Merklicher Gerbstoff, der ja nach Weingut gezielt eingesetzt wird.
Ein gutes Beispiel dafür stellte Josef Scharls Muscaris 2020 dar. Vor allem, weil der Vulkanland-Winzer eine umfassende Erfahrung mit den PIWI-Sorten vorweisen kann, die hier etwas einen Wein ergibt, der nach Pfirsich, Orangenminze, Mandelmilch und vor allem „unüberriechbar“ nach Passionsfrucht duftet. Dieser „laute“ Auftritt der Frucht brachte uns auf ein Paradoxon; denn die PIWI-Sorten sind äußerst konsumenten-freundlich, erschließen sich in ihren Aromen auch Einsteigern. Und sind doch selbst unter Kennern noch ein unbekannter Faktor. Dabei ist der saftig-fruchtige Zug, dem mehr Gewürz-Noten, denn Säure, zur Seite stehen, etwas, das vielen gefallen sollte. Feiner roter Paprika ist zu schmecken und auch ein zartes „Pfefferl“, das den Trinkfluss von Scharls Muscaris beflügelt.
Der Mann mit der Mütze als Trademark hat aber auch in seiner „Mann im Mond“-Serie, bei der die Arbeitsschritte dem Mondstand folgen, einen Muscaris in petto. Die Maischegärung erfolgt hier in der Tonamphore („kvevri“), 18 Monate Ausbau im kleinen Holzfass und keine Feinfiltration ergeben einen ganz anderen Typus. Dieser Jahrgang 2017 ist vielschichtig, erinnert an Aranzini im Duft, zeigt aber auch Vanille-Töne, Zitronenmelisse und vor allem eine herbe Maracuja-Note, die man bei geschlossenene Augen einem India Pale Ale aus Craft Beer-Brauereien zuschreiben würde.
Die leichte Hefigkeit – Marke: Allerheiligenstriezel – wird im Kostschluck von einer überaus feinen Klinge begleitet. Birne, viel Papaya und wieder ganz klar Orangen-Fruchtfleisch sind zu schmecken. Final stützt auch hier Weißer Pfeffer. Die Familienähnlichkeit zum aktuellen Muscaris ist also gegeben, wenngleich dieser Wein mit seiner dosierten Säure einen herrlichen Speisenbegleiter abgibt. Was Josef Scharl in seinem Buschenschank in Plesch gerade dazu empfiehlt, konnten wir nicht eruieren. Klassischer Weise wäre aber Hühner-Ragout, gerne auch als Curry exotischer abgeschmeckt, eine gute Wahl.
Auch in St. Stefan im Rosental legt man PIWI als „Orange Wine“ an. Winzer Reinhard Lang hat dafür sogar sein eigenes Wortspiel gefunden: „Long Orange“ heißt sein Souvignier Gris aus dem Jahrgang 2018. Der Vulkanland-Wein erinnert an Rosenblätter, Orangen-Früchte-Tee und etwas Kandiszucker, dazu kommt auch ein feiner Brioche-Ton der langen Hefelagerung. Saftig und mit einer floralen Bei-Note legen sich die herben, roten Früchte – Sanddorn und Hagebutte, ein wenig auch Pink Grapefruit-Zesten – auf den Gaumen. In diesem Fall sorgt der beträchtliche Gerbstoff für einen animierenden Charakter, der im Finale auch noch ergänzt wird um nussige Noten. Ein wenig Salbei und auch Grüner Pfeffer runden den „Long Orange“ ab. Blitzsauber und mit viel Tiefgang, stellt diese Machart beim Weinhof Lang einen Wegweiser dar, wo es mit den PIWI auch hingehen könnte, wenn man sie jenseits der frischen Ausbauweise im Stahl pflegt.
Bezugsquellen:
Weinhof Josef Scharl, Muscaris 2020 ist um EUR 9,90 erhältlich, der „Mann im Mond“ (Muscaris Kvevri) 2017 EUR 27,50, beide ab Hof bzw. im Webshop, www.weinhof-scharl.at
Weinhof Lang, Souvignier Gris „Long Orange“ 2018 kostet EUR 16 ab Hof bzw. im Webshop, www.weinhof-lang.at