Silbernes Mondlicht und Nachtschattengewächse, die eine gewisse Morbidität verströmen – die Assoziationen passen zu Hendrick’s. Die schottische Marke hat sich nie für knallige Farben und Beeren-Geschmack erwärmen können, wie er aktuell die Gin-Szene prägt. Man könnte fast sagen, das Haus mit Rose und Gurken im Wacholderbrand hat auch einen Ruf zu wahren. Und der war immer sehr britisch und mit einem Touch Steampunk versehen. Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen trank im Geiste bei jedem Gin&Tonic mit. Das beginnt bei der viktorianischen Flaschenform und setzt sich auch bei der neuen limitierten Edition fort.
Dem Mond gewidmet ist der „Lunar“ und Freunde der frühen Trickfilm-Technik werden an Georges Méliès und seinen putzigen Mondreise-Film erinnert angesichts der Werbematerialien. Master Distiller Lesley Gracie wiederum denkt eher an die nächtliche Tour durch ihre Gewächshäuser in Girvan, dem so genannten „Gin Palace“ Denn so manche Pflanze läßt erst nachts ihren lockenden Duft in die Welt hinaus, wie die botanisch versierte Mrs. Gracie weiß. Dazu gehört neben den Levkojen auch die „Mondblume“, eine Pracht-Wicke, die mit der Süßkartoffel verwandt ist. Ob sie oder die Nachtkerze im Gin verwendet wurde? Tja, was genau die Master Destillerin unter den „oils of the night“ versteht, mit denen der Gin versehen wurde, bleibt ihr – nächtliches – Geheimnis. Sicher dagegen ist, dass diese Abfüllung den „Midsummer Solstice“ ersetzt. Der war der Sonne gewidmet und stellte die erste Limited Edition von Hendrick’s dar (hier nachzulesen).
Wie aber schmeckt der „Mond-Gin“? Zunächst einmal: Sehr klassisch. Der Duft bringt neben Wacholder und Zitrus, einer Kombination, die Engländer „crisp“ nennen, auch florale Noten mit. Es mögen in der Tat Wicken sein, die man riecht, wobei diese Note sehr fein ausfällt. Deutlicher ist aber der generelle pflanzliche Geruch, den man mit „Grün“ umschreiben könnte. Mit Luft fächert er sich als Palette aus Mariengras, Liebstöckel, Estragon und Limettenzeste auf, auch die Gurke merkt man hier mehr als im klassischen Hendrick’s. Diese Komplexität zeigt auch der Geschmack, vorher fällt aber noch das Mundgefühl positiv auf: Sehr viskos ist dieser Gin, keine Schärfe trübt den cremigen Film am Gaumen.
Kühl, frisch und herbal wirkt der „Lunar“ im Mund, wieder sind viel Kräuter und ein Hauch Zitrus da, der Nachhall gehört der Limette mit ihrem herben Zesten-Ton. Für die Mixability sieht es also gut aus, der klassische „G&T“ wirkt wieder richtig erfrischend und zart bitter mit diesem Gin, dem man auch 43,4 % gegönnt hat. Dass man in diesem Fall auch einen ungewöhnlichen Gin-„Old Fashioned“ (5 cl Lunar Gin, 0,75 cl Zuckersirup, je ein Tropfen Orangen- und Angostura-Bitter) unter den empfohlenen Cocktails findet, kann man nachvollziehen. Dafür eignet sich der satte und leicht blumige Teil des neuen Hendrick’s allemal.
Und wer es noch spleeniger mag: Zum Trinken wird auch „Mondbaden“ als Möglichkeit genannt bei den exzentrischen Briten. Wie Sonnenbaden, nur eben nachts und mit Drink zur Hand. Und – believe it or not! – es gibt für alle Mond-Anbeter auch eine eigene Creme zu kaufen: mit Mondschutzfaktor 28.
Bezugsquelle:
Hendrick’s, „Lunar Gin“ wird um EUR 44,90 ab Ende März 2021 erhältlich sein, z. B. im Onlineshop www.spiritsandco.at