Marchese Leonardo Frescobaldi hat Zeit. Der 75-Jährige läßt sich nicht bremsen, wenn er über die Adelsfamilie und ihre Weine spricht. Seit dem 11.Jahrhundert (!) sind die beiden verbunden, das älteste Weingut Castiglione gehört nach wie vor zu den sechs Tenute in der Toskana, in denen Wein für die Markgrafen-Familie erzeugt wird. In Wien stellt der Marchese, dessen Neffe Lamberto heute die Geschäfte führt, daher aber nicht nur einfach Weine vor, er reichert jedes Glas mit Geschichte an. Mal sind es Anekdoten, mal technische Details, dann aber Weisheiten, die man sich notiert.
Das Mittagessen im Palaishotel Hansen-Kempinski beginnt mit einer Reminiszenz. Während der Marchese den Schaumwein „Leonia“ vorstellt, denken wir an einen anderen Wein vom Castello Pomino. Denn kistenweise holten wir in der Jugend den Chardonnay von Pomino aus dem METRO-Markt. Sein transparentes Etikett hob sich ab von den anderen Weinen der studentischen Preisklasse…. Doch derlei Tagträume gehen jetzt nicht – aufwachen! Der erste Wein, ebenfalls vom Weißwein-Spezialisten Pomino (auch wenn im Spumante „Leonia“ auch Pinot Noir dabei ist), kommt ins Glas. Der „Benefizio“, ein Wein, den Leonardo Frescobaldi sehr befürwortete, als er 1973 erstmals gefüllt wurde: „Weiße wie diesen gab es in der Zeit nicht; alles war leicht oder nicht ordentlich gereift“.
Entsprechend sorgte der Chardonnay von Pomino, zehn Monate im Barrique und vier in der Flasche gereift, für Furore. Und er tut es heute noch, vorausgesetzt man mag diesen ein wenig aus der Mode gekommenen Stil. Satte Vanille im Duft, dazu Sandelholz, Karambolfrucht und leichte Salzigkeit bereiten auf einen „schweren“ Weißen vor. Dabei kommt der 13,5% starke 2015er „Benefizio“ erstaunlich leicht daher, Pfirsich und eine florale Note (zart bitter wie Veilchen) machen den Auftakt. Saftig ist diese Riserva, die gelben Früchte des Mittelteils werden von einem definitiv salzigem Abgang abgelöst. Auch im Rückaroma mischen sich zitrische Noten in die reife Ananas. Wie gesagt: Wir mögen das sehr.
Das Auge muss bereits eine erste Idee des Weines vermitteln.
Leonardo Frescobaldi
Zwei Mal 2013, beide Male Merlot, kommen als Paar zur Prüfung. Man könnte auch sagen: Montespertoli gegen Montalcino. Denn dort befinden sich die Weingüter Castiglioni, der älteste Besitz der Familie, und Castelgiocondo, das man erst 1991 der Bank abkaufen konnte, für die man zuvor jahrelang die Weine vermarket hat. „Den Betrieb und seine Qualität kannten wir also gut“, kommentiert der Marchese trocken. Der „Giramonte“ 2013, mit nur 10.000 Flaschen die größere Rarität, hat den gleichen Alkohol (14,5%), allerdings liegt er acht Monate kürzer im Barrique als der „Lamaione“ 2013, besagter Wein aus Castelgiocondo. Und tatsächlich verbuchen wir den Merlot aus Montalcino als „zu jung“. Der intensiven Sauerkirsch-Nase sind frische Noten eigen, Menthol und Eukalyptus, aber auch Leder. Es wird ein maskuliner Wein, das zeigt auch der Wacholder am Gaumen an, der von dunklen Früchten – Brombeere und Cassis – abgelöst wird. Das merkliche Tannin kann nur ein Wegweiser für das Potential dieses Weines sein.
Merlot-Match: Montalcino gegen Montespertoli
Und genau in dieser Gerbstoff-Struktur liegt der wesentliche Unterschied zum deutlich frucht-geprägteren „Giramonte“ 2013. Mit der Zwetschken-Nase und dem an Hollerkoch erinnernden dunklen Mix aus Frucht und Kompottgewürzen (Zimtstange) hat der Wein der Tenuta Castiglione beinah schon was Weihnachtliches. Die saftige Art am Gaumen, wieder stehen dunkle (Brom)Beeren zu Buche, bringt eleganteres Tannin mit. Es bedeckt die Zähne, aber nicht die Zunge, wenn es wer genau wissen will. Dazu gesellt sich der Mix aus Aronia und Espresso, der im Finish eine sanfte Holunder-Note mit nussig-röstigem Echo ergibt. Wenn man jetzt schon einen 2013 Merlot öffnen muss (warum nur?), dann bitte diesen.
Oder man hält sich an den 2013er „Montesodi“ von Castello Nipozzano. Der hat eine säurige Himbeer-Zitrus-Ader, die sich mit noch sanfterem Gerbstoff paart. Der Stil hat sich hier stark geändert, wie Marchese Frescobaldi in einem herrlichen Exkurs erläutert. Schließlich war es Leonardo Frescobaldi, der 1973 die ersten Barrique-Fässer im Chianti Rúfina bestellte. „Alle liebten sie. Aber wie bei vielen echten Lieben vergisst man sich dann ein bisschen“, kommentierte er den mittlerweile wieder weniger holz-betonten Stil. Wer ihn vermisst, mag den Brunello Riserva von Castelgiocondo kosten: Hier ist es der „Ripe al Convento“ des Jahrgangs 2000, der die aktuelle Abfüllung darstellt.
Leder, Hagebutte und Kakao ziehen eine herbe Duftspur, da kann auch die satte Brombeere nur schwer dagegen an. Viel Zeit und Luft braucht dieser über sechs Jahre im Holz gereifte Wein, dann belohnt er mit saftigen, dunklen Aromen: Zwetschkenröster, Maulbeere und eine ordentliche Ladung Espresso formen sich zu einem Stoppschild, Noch ist es das Tannin, das mit den röstigen Noten den Wein als zu jugendlich ausweiset. Doch die Zukunft gehört diesem mächtigen – 15% Alkohol – Montalcino-Gewächs. Wie sagte der Herr Papa immer so schön: Reden wir in 10 Jahren weiter! Bei diesem Brunello hätte er damit sogar recht.
Wer warten kann, wird belohnt: Mormoreto 2000
Ebenfalls mitgebracht hatte der Marchese drei Jahrgänge des „Mormoreto“, der ursprünglich als Cabernet – Sauvignon und Franc – mit Merlot begann. Diese Mischung ergab im herausragenden Jahrgang 2000 einen Wein, der sich heite mit „Samt und Seide“ umschreiben lässt. Details dieses Weins verschweigen wir; es würde nur lange Zähne machen, auf einen Toskaner, der nicht mehr im regulären Handel auftaucht. Das Schwarztee-Finish dieses Weins gehörte aber zu den schönsten Momenten der Probe. Ein Art Zwischenstadium stellte der „Mormoreto“ 2004 dar – der immer noch jugendliche Blend, in dem auch 3% Petit Verdot zum Einsatz kamen, gilt aber ebenfalls längst als ausverkauft. Doch nun zum aktuellen Jahrgang, dem 2013er. Er kam nach zwei Jahren im Barrique und den sechs Monaten Flaschenreife relativ frisch gefüllt in die Gläser. Der 14%-ige „Toscana IGT“ weist – wie nunmehr üblich auch Sangiovese statt Merlot im Sortenmix auf, der kleine Petit Verdot-Anteil blieb ebenfalls erhalten, die beiden Cabernets sowieso.
Ihre Würze kommt allenfalls am Gaumen durch; das Duftbild dominieren die fast Powidl-artigen, intensiven Pflaumen-Noten, in die sich etwas Rum-Topf und eine leicht säuriger Ton mischen. Saftige Sauerkirsche und eine jugendliche Säure sind die ersten Eindrücke des Kostschlucks. Überhaupt wirkt der Wein „heller“ als sein Duft – Himbeeren und ein Hauch Hibiskus sind zu erwähnen. Hinter dem jugendlichen Tannin-Gerüst aber erahnt man die erwähnten Aromen des Cabernets, konkret braune Senfsaat, die momentan aber unter der Vanille-Knute des Fassholzes steht. Doch am Potential dieses Jünglings ist – siehe 2004 und vor allem 2000! – nicht zu rütteln. Grazie, Marchese!
Bezugsquellen:
Frescobaldi, Chardonnay „Benefizio“ Reserva 2015 ist um EUR 25,95 beim Weinhandel Ludwig von Kapff erhältlich, www.ludwig-von-kapff.de
Der „Giramonte“ 2013 ist um EUR 94.49 erhältlich, der Merlot „Lamaione“ 2013 kostet EUR 48,90, der Brunello Riserva „Ripe al Convento di Castelgiocondo“ 2010 EUR 99 – und der Jahrgang 2013 des „Mormoreto“ ist um EUR 49,90 erhältlich, alle bei www.weinshop24.cc