Eigentlich würde „Massiv“ besser zum neuen Produkt passen. „Manifest“ haben die Wolfenbütteler „Jägermeister“-Chefs die Liter-Flasche schließlich benamst, bei deren Weltpremiere wir mitkosteten. Technisch hat man dem Kräuterlikör eine zusätzliche Dosis an so genannten Botanicals, also Aroma-Stoffen wie Wurzeln, Früchten, Kräutern und Blättern, verpasst. Erstens wurde die Dosis der 56 Kräuter des klassischen Jägermeisters erhöht. Normaler Weise besteht der „Grundstoff“ des Likörs aus vier einzelnen Mazeraten, die vermischt werden.
Dr. Berndt Finke, der smarte Leiter Herstellung und Rohwaren (das ist mal eine Berufsbezeichnung!), hat aber auch ein „Ausgleichsmazerat“ erstellt. Dieser fünfte Kräuterauszug in Alkohol stellt die größte Neuerung dar, denn es reift anders wie bei Jägermeister üblich nicht in großen Eichenfässern, sondern in kleinen Behältern zu 300 Liter. Sie wurden völlig ausgekohlt (also auch die Deckel), um dem Weizendestillat aus Deutschland in einem Jahr Lagerzeit die möglichst starke Holzaromatik mitzugeben. „Für die ätherischen Komponenten brauchten wir mehr Alkohol“, erklärt Finke auch eine weitere Änderung gegenüber dem Original, der „Manifest“ hat 38 statt 35 Volumsprozent. Dafür aber rund zehn Prozent weniger Zucker. Den Hauptunterschied zwischen Klassiker und „Manifest“ dokumentierte Finke mit einem Geschmacksdiagramm, für Profis „spider graph“: Vanille- und Holznoten weise bei ansonsten ähnlicher Aromatik nur der „Manifest“ auf.
Wir checken das getreu unserem alten Motto „the proof of the Kräuterlikör is in the drinking“ an der Bar des Berliner The Grand auch gleich einmal selbst: Im Geruch kommt die Vanille von der Fasslagerung schön zur Geltung, der zur DNA von Jägermeister gehörige Sternanis ist aber natürlich auch da. Weiters erschnupperten wir im viereckigen Glas – eine Anspielung auf die kantige Jägermeister-Flasche – auch Toffee, etwas Kaffee und eine zart malzige Note, die ein bisserl an Hustensaft erinnert.
Deutlich trockener wirkt der „Manifest“ am Gaumen, auf die Anis- und Kakaonote zu Beginn folgt ein fruchtbetontes Mittelstück (getrocknete Walderdbeere wie im Müsli!), das Finish fällt mit einer bremselnden Schärfe zwischen Ingwer und grünem Pfeffer überraschend aus. Hier bittet Finke im Gespräch um etwas Geduld, auch der „Manifest“ brauche Flaschenreife. Witzig auch ein Effekt, der Anis-Freunde (Raki-, Ouzo- und Pastis-Trinker, um es klarer zu sagen!) freuen wird: Gibt man Wasser oder reichlich Eis zu, kommen die Anisnote deutlich hervor. Bei Jägermeister lehnt man das Verwässern ab, man sieht den „Manifest“ eher als Kräuterlikör für Whiskytrinker. In Österreich braucht es diesen Tipp vermutlich gar nicht, der Pro Kopf-Verbrauch von einem guten Achtelliter vom rosigen Baby bis zum moribunden Greis weist uns als einen der wichtigsten Jägermeister-Märkte aus. Und so hat neben zehn weiteren weltweiten Märkten auch Österreich sein flüssiges „Manifest“.
Bezugsquelle:
Jägermeister, „Manifest“ ist um EUR 30,90 (Liter-Flasche), Private kaufen ihn am besten im Duty Free-Handel bzw. online z. B. bei www.heinemann-shop.com