Die Queen trinkt Bollinger, James Bond (seit Moonraker und damit schon 36 Jahre) auch. Da reiht man sich gerne ein. Immerhin ist das 1829 gegründete Champagner-Haus einer der letzten unabhängigen großen Produzenten und beschäftigt sieben Winemaker. Mit dem Sitz in Aÿ ist der Hausstil quasi vordefiniert, die Pinot Noir-Trauben aus dem Ort im Departement Marne genießen Weltruf. Und sie kommen auch immer stark zum Einsatz, wie Karl–Frédéric Reuter bei seinem Wien-Besuch erzählt.
Beim Einstiegsschaumwein, der „Special Cuvée“, etwa riecht selbst das leere Glas nach Rotwein. Immerhin 60% Pinot Noir kommen in diese Bollinger-Füllung, die ausschließlich in Magnums lagert, ehe drei Mitarbeiter die Korken entfernen, um die finale Assemblage zu erstellen. Fizzers, Zitrusfrüchte, zarte Noten vom Golden Delicious-Apfel hingegen deuten im Duft noch nicht auf diese weinige Kraft hin.
Erst am Gaumen kommen zu den anfänglichen Ananas- und Zitronenmelisse-Aromen mit der Zeit eine fast braune Birne und heller Tabak dazu, mit neun Gramm Dosage ist es der am wenigsten trockene Champagner in der Verkostung und ein geradezu prototypischer Aperitif – vor allem die feine Perlage, die sich im Gegensatz zu anderen Schaumweinen nicht nach einer Minute im Glas verflüchtigt, sei erwähnt.
Wer den (rot-)weinigen Stil liebt, wird den Rosé-Champagner des Hauses lieben, er stammt aus Grand Cru-Lagen und duftet mit seinem Himbeer-Kirsch-Brioche-Konglomerat wie jugendlicher Rotwein. Ribisl, Ananas und Bratapfel steht in den Verkostnotizen, was schon die Janusköpfigkeit des Bollinger Rosé zeigt: Einerseits frisch und leicht säurig, auf der anderen Seite aber mit cremig reifen Noten ausgestattet. Nach langem notieren wir wieder das Wort Oxymoron (griech. Stilfigur, in etwa mit „scheinbarer Unsinn“ zu übersetzen) – als solches müßte man die „cremige Säure“ bezeichnen, die am besten charakterisiert, was diesen Rosé auszeichnet. [Monsieur Reuter empfiehlt ihn zu Scrambled Eggs – falls nächstens einmal wieder Ratlosigkeit herrscht, was man frühstücken soll…]
Nachhallende Zitrusfrüchte: La Grande Année 2005
Aus dem recht reifen Jahrgang 2005 kommt der aktuelle „Grande Année“, der Jahrgangschampagner geht sich im Schnitt nur alle zwei Jahre aus. 2005 wurde sogar die Dosage von acht auf sechs Gramm Zucker reduziert, so intensiv fiel das Lesegut aus. Deutliche Ringlotten-Nase, auch die Autolyse-Noten der Hefe, dazu ein Hauch Kirschblüte spiegeln gut die beiden Sorten (70 % Pinot Noir, 30 % Chardonnay). Der dunkelgelbe Jahrgangs-Bollinger schmeckt nach Grapefruit und Ananas, die Reife drängt sich mit einem kräftigen Anschub von der sehr cremigen Perlage in den Vordergrund. Erst allmählich folgen auf den tropenfruchtig-üppigen Erstschluck die feineren Noten, mineralische Akzente und Limette sorgen im Finish für einen Gegensatz zum satten Auftakt. Schöne Spannung!
Den 2005er gibt es aber auch als Rosé. Dieser Grande Année Rosé-Champagner wird zu 100% im Barrique vergoren, die Fässer sind zwischen 30 und 100 Jahren alt und werden vom hauseigenen Küfer (ein Name so ausgestorben wie der Beruf des Fassbinders, den er bezeichnet) instand gehalten.
Das Riech-Salz: „Grande Année 2005“ in Rosa
Kann man Salzigkeit riechen? Der rosarote „Grande Année“ jedenfalls schafft das, dazu kommen Noten von Limette, Vanille und weissem Flieder. Am Gaumen schlägt er mit einer feinen Perlage zu, aus der sich allmählich Noten von Himbeere und Zitrusfrüchten schälen, dazu auch eine pikant-würzige Komponente, die man vielleicht als gelbe Paprika beschreiben kann. Nochmals eine Prise Salz packt der Bollinger im Finish aus, das schön trocken-animierend ist.
Eine Rarität haben Karl–Frédéric Reuter und Florian Wolf-Haidegger, dessen „WeinArt“ die Champagner für Österreich importiert, noch mit. Sie wird nur von dem übertroffen, was gerade für James Bonds nächstes Abenteuer „Spectre“ (ja, der mit Christoph Waltz!) in den Kellern schlummert. Aber auch der „R. D.“ des Jahrgangs 2002 hat Seltenheitswert. „1% unserer Jahresproduktion macht er aus“, so Reuter, die Abkürzung steht für Récemment dégorgé also „kürzlich degorgiert“. Elf bis zwölf Jahre lagert der Wein auf der Hefe, es ist ein „Extra brut“ mit unter drei Gramm Zucker. 40% Chardonnay sorgen beim aktuellen 2002er für eine an gedörrte Marille erinnernde Nase – Grapefruit-Zeste und vor allem eine satte Ladung Laugengebäck (wieder die Salzigkeit!) ergänzen die Duftnoten. Lässt man dem „R.D.“ Zeit, entwickelt sich – ich schwör’s! – auch eine Rum-Kokos-Note daraus. Am Gaumen zeigt sich die Reife in einer dezenteren Perlage, die gegen die satten Fruchtakkorde ankämpft: Wieder getrocknete Marille, etwas weißer Pfeffer und gegen den Abgang zu auch würzige Kräuter lassen Freunde des reifen Schampus jubilieren.
Bezugsquelle:
Champagne Bollinger, „Special Cuvèe“ ist um EUR 46 erhältlich, der Rosé um EUR 59. Der Jahrgangschampagner „La Grande Annèe“ 2005 kostet EUR 102, die Rosé-Variante des Jahrgangs 2005 EUR 126 – und der rare „R.D.“ 2002 EUR 199, alle bei WeinArt, www.weinart.at