Cm, PX, ø und andere, alchemistisch anmutende Symbole zierten die schwarzen Bottles, die aus Spanien auf den vorsommerlichen Tisch kamen. Es sind die Symbole des Sherrys und jedes der Zeichen markiert die Fässer mit den Stilen des fortifizierten Weines, über den wir unlängst erst berichteten. Kommt eine schützende Hefeschicht auf die im nie gänzlich befüllten Eichenfass reifenden Weine vom Atlantik oder darf die Oxidation sie bräunen wie einen angeschnittenen Apfel? Diese Grundfrage entscheidet über die Farbe der Kern-Elemente des Sherry-Kosmos. Je nach Alkohol-Zufuhr (aufgespritet bzw. verstärkt wird mit Weindestillat auf 15 bis 20 Volumsprozent) killt der Kellermeister die Hefe, die der Spanier „Blume“ (flor) nennt oder er lässt dem Wein schützendes Blüten wachsen. Jeglicher Zucker wird dann weggefressen von den gierigen Hefezellen, womit die Hälfte der Sherries knochentrocken mit Zuckerwerten unter einem Gramm ausfällt. Dass am anderen Ende des Spektrums dann die süßtesten Vertreter der Weinwelt warten, nur zu vergleichen mit edelsüßen Raritäten wie Tokaji Essencia (Ungarn) oder Ruster Ausbruch (Österreich), erklärt die Sherry-Faszination.
Und wenn man zum Sherry Social-Tasting schon mysteriöse Flaschen mit Element-artigen Kennungen sendet, dann vertiefen wir uns auch gern aromatisch in dieses Periodensystem, in dem viele Stile Platz haben, die nur eines eint – man sollte sie einmal kosten. Denn gerade die trockenen Varianten sind eines der Sommergetränke schlechthin, während die oxidativen Versionen unschlagbar gegen Ende eines Menüs sind, egal ob Lebkuchenparfait oder Blauschimmelkäse-Soufflées aufgetragen werden.
Jerez-Element FINO
Besondere Kennzeichen: trockene Lagerung im Labor
Hell wie ein Weißwein, täuscht dieses Sherry-Element im Glas. Denn wer frische Frucht erwartet, bekom
mt von dem zumindest drei Jahre unter Florhefe gereiften Fino eine Packung salziger Erdnüsse serviert. So schmeckt der ein wenig an Wermut (die herbe Seite) erinnernde, den Gaumen trocknende Vertreter. Wer die französischen Salzkaramellen kennt, wird in dem nussig-buttrig-salzigen Gemenge vieles wiedererkennen, das er gerne nascht. Zu luftgetrocknetem Schinken – und der muss nicht aus Spanien stammen – gibt es nichts Besseres. Und auch ein Olive kann man gerne damit begleiten. Okay, gerne auch mehrere!
Jerez-Element OLOROSO
Besondere Kennzeichen: merklicher Wohlgeruch
Der satt braune Sherry macht es ohne Schutz, besser gesagt, er bleibt der Oxidation im nicht vollen Fass ausgesetzt. Die Bräunung ist ein Ergebnis dieser Behandlung, im Geschmack kommt ein Amalgam aus Orangenblüten und –schalen sowie eine ausgeprägte Haselnussnote dazu. Das körperreiche Mundgefühl bringt neben einem herben Touch (Rauleder und Walnuss) eine zitrusfruchtige Komponente (Bergamotte), etwas Rauchtee und vor allem auch Salzigkeit mit, wenngleich sie nicht mit den helleren, unterm Flor gelagerten Element Fino/Manzanilla
Jerez-Element MANZANILLA
Besondere Kennzeichen: endemisches Vorkommen
Technisch ist der Manzanilla (das „Äpfelchen“, so die wörtliche Übersetzung) nichts anderes als eine „Fino“ aus dem Gebiet von Sanlúcar de Barrameda. Was nach wenig klingt, bedeutet aber viel. Vor allem viel Würze. Denn der Atlantik gibt dem am Meer gelegenen Sherry-Dreieck-Eckpunkt seine spezielle Prägung. Salzig ohne Ende, wie ein ausgepresster Misch-Saft aus Kapernbeeren und Rauchmandeln, stellt er den Appetitanreger par excellence dar. Für Gastronomen wäre er daher das erste Element im Menü-Kosmos.
Jerez-Element CREAM
Besondere Kennzeichen: Übergangselement
Dieser Mix aus Oloroso-Sherry mit dem süßeren Pedro Ximénez (siehe „Jerez-Element PX!) fällt in der schwarzen Mystery-Flasche recht süß aus. Auf diesem Typus fussen viele der „Oma trink Sherry zum Butterkeks“-Vorurteile, doch das wäre eine Verkürzung. Im Periodensystem stellt der Cream den Übergang zu den „Schwermetallen des Zuckers“ dar. Insofern finden wir auch noch die nussige, fast auch an Espresso oder Kakaopulver erinnernden Noten, die Salzigkeit hingegen bildet nur Spuren in diesem von Rosinen-Noten geprägten Sherry.
Jerez-Element AMONTILLADO
Besondere Kennzeichen: quecksilbriger Stilwechsel
Der Grenzgänger, den es in flüssigem und gasförmigem Zustand gibt während der Reife, bringt das Beste aus beiden Welten mit. Der schützende Hefe-Flor wird nach einer ersten Lagerzeit von (höhergrädigem) Alkohol zerstört. Auf die „geschützte“ biologische Reifung folgt also eine oxidative Phase. Er ist als trotz seiner dunklen Farbe, die eher ein Süße-Indiz darstellt, also trocken. Aromatisch erinnert er an Rauchmandeln in Balsamico: Der Körper ist reich und dunkel, wird aber von Würze geprägt, neben Sojasauce dachten die Verkoster an Würzkräuter wie Liebstöckel. Ein eigener Stil, der seine Liebhaber hat – man denke nur an das tödlich Ende des Sherry-Fans in Edgar Allan Poes „The Cask of Amontillado“ (1846).
Jerez-Element PX
Besondere Kennzeichen: Zähflüssiger Charakter
Der Name verdankt sich dem deutschen Soldaten, der die Pedro Ximénez-Rebe, stylischer „P.X.“ abgekürzt, nach Spanien brachte. So will es die Legende von der Verballhornung des Namens „Schmidt“, aber die braucht uns im Mystery-Tasting nicht zu interessieren. Viel wichtiger ist, dass der dunkelste Sherry aus einer weißen Traube – der zweiten, weniger häufigen als der Palomino – stammt. Der an Rübenzucker, Rosinen, Rose (die drei R’s unserer Sherry Social-Taster) erinnernde PX könnte auch aus Rosinen gepresster Extrakt sein. Mit Restzuckerwerten zwischen 400 und 500 Gramm Zucker – das Wasser wurde aus den Trauben zuvor „weggetrocknet“ – hat er eine Sirup-artige Konsistenz. Was ungesund klingt, macht seine Stärke aus: Zu blauem Käse, vom Gorgonzola Dolce Latte über Stilton (das britische „pairing“ schlechthin!) bis zum Bleu d’Auvergne, hat der PX seine Sternstunden. Selbst dem scharfen Roquefort zieht er die Zähne und lässt eine würzig-süße Creme als Film im Mund zurück. Es ist ein Film zum Immer-Wieder-Ansehen, pardon: -Genießen!
Bezugsquellen:
Mangels „Aufösung“, aus welchen Bodegas die Sherrys stammten, hier einige allgemeine Hinweise, wo Top-Abfüllungen zu bekommen sind:
Barbadillo über www.bodegarioja.at
González Byass hat einen Webshop unter www.gonzalezbyass.com
Manzanilla (unter anderem) von Hidalgo La Gitana gibt es bei www.spanischer-garten.de
Osborne (die mit dem ikonischen Stier!) führt Eggers&Franke, www.egfra.de