Es ist schwierig, einen Vergleich zu finden dafür, was am Ätna passiert. Vielleicht wäre die heimische Entsprechung, dass F. X. Pichler am Eisenberg beginnt, Welschriesling zu keltern. Oder Anton Kollwentz plötzlich im Kamptal Pinot Noir erzeugt. Italiens gerade 80 Jahre gewordenes Weinmonument Angelo Gaja hat sich nicht das erste Mal außerhalb des Piemont engagiert. 1994 ging es nach Montalcino (Pieve di Santa Restituta) und sein zweites Toskana-Weingut in Bolgheri – Ca’Marcanda (1996 erworben) – ist so bekannt, dass man es bisweilen gar nicht mit ihm verbindet. Doch der Ätna ist dann dann doch eine ganz andere Zone. Auch wenn dieser Teil Siziliens in den letzten Jahren sowohl bei den Weißweinen, wie auch bei den Roten, eine der international beachteten Gegenden des Nachbarlands darstellt.
Authentische, alte Reben und kaum Geld, daraus etwas zu machen. So was mag der Zeitgeist. Wobei sich Letzteres deutlich ändert. Millionäre haben Sizilien als deutlich attraktivere und lohnendere Gegend für Weininvestments entdeckt, als um teures Geld doch nur den 27. Chianti oder Brunello zu machen. Der Mann, der die Weinlegende aus dem Piemont nach Sizilien brachte, heißt Alberto Aiello Graci. Er ging zuvor den umgekehrten Weg und verdiente abseits seiner Heimat ein Vermögen als Investmentbanker. Dieses Geld stellte die Basis seiner Weinbauaktivitäten dar. Gaja, der knapp sein Großvater sein könnte, dürfte er beeindruckt haben – und gemeinsam widmeten sie sich dem Weinbau auf der weniger bekannten Südwest-Seite des Vulkans. Das Gebiet selbst mit seinen Busch-Reben haben wir schon einmal vorgestellt (zum Nachlesen: hier).
Also können wir uns kurz mit dem Unterschied von Graci/Gajas Rayon am Vulkan befassen. Die Rebanlagen sind auf dieser Seite nicht so alt, mit einem Auspflanzdatum 1976 aber zum Teil auch keine Jünglinge mehr. Von den 21 Hektar des gemeinsamen Weinguts liegen 15 direkt in der DOC Etna-Zone, der Rest befindet sich jenseits der Grenzen des Gebiets, das sich wie ein großes „C“ vom Meer zwischen Catania und Taormina abwendet. Die Rieden von Gaja wiederum schauen eher landeinwärts in die Richtung der weltberühmten Pistazien-Herkunft Bronte.
Und das Duo startete mit einem schwierigen Jahrgang, dem heißen 2017er, in das sizilianische Abenteuer namens „Idda“. Inhaltlich wurde es ein Blend aus der roten Hauptsorte Nerello Mascalese und Nerello Cappuccio, der nie mehr als 20% eines Etna Rosso ausmachen darf. Vergoren wird teils in Zement, teils in 5.000 Liter-Fässern, die auch der Reifung dienen. Denn die Frucht ist der Trumpf des Nerello. Das wird auch der 2018er unterstreichen, den wir im Glas haben. Sein Name übrigens heißt so viel wie „sie“ – denn der feuerspeiende Berg ist für die Sizilianer weiblich und heißt eben „Idda“. Doch was heißt jetzt der Wein? Heißt er was?
Definitiv, aber er ist auch sehr jung. Das muss man berücksichtigen. Denn je mehr Luft der Rotwein vom Ätna bekommt, desto deutlicher wird der Weichselduft – er legt aber auch an Tiefe zu. Und da reden wir vom zweiten Tag der Verkostung. Was anfangs lediglich Sauerkirsche war, bekommt aromatische Begleitung von Steaksaft, Blut und Eisenspäne sowie etwas reife Walderdbeere. Auch eine einerseits röstige, andererseits buttrige Duftnote ist da – ein wenig an Strudelblätter erinnernd.
Am Gaumen merkt man den Unterschied gegenüber den kühleren sizilianischen Lagen am Meer (hier etwa ein Vergleich), wenn man diese gut kennt. Die mineralisch-würzige Tiefendimension der uralten Reben, das ätherische Element, mag – abgesehen vom überdeutlichen Eisengehalt – fehlen. Dafür gibt es ein Spiel zwischen reifer, aber nicht kitschiger Frucht und Tannin für die lange Strecke zu verfolgen. Der „Idda“ 2018 bringt einen seidigen Antritt mit, allmählich erschließt sich: Das ist Cranberry, schön mit dunkler Würze im Schwarztee-Stil unterlegt. Dieser Gerbstoff geht direkt aus dem fruchtigen Teil hervor. Er erinnert fallweise an Lavendel, weniger an Schwarze Olive, wie es so mancher „Etna Rosso“ tut.
Wenn man zwanghaft nach Gaja- oder Piemont-Handschrift sucht, dann bestätigt einen dieser dunkle und mächtig auffrischende Gerbstoff, der aber wie mit der Frucht verschweißt zu sein scheint. Aber es gibt weder Waldboden-, noch Pilz-Anklänge im Barolo-Stil. Dafür einfach einen schönen Rotwein, wenn man ganz unvoreingenommen an den Sizilianer herangeht. In jedem Fall: Viel Luft und Zeit geben. Weiche Tannine gibt es hier erst in drei Jahren. Einen markanten Speisebegleiter aber jetzt schon!
Bezugsquelle:
Gaja & Graci, „Idda” Etna Rosso DOC 2018 kostet EUR 39,90 in den Filialen von Wein&Co. bzw. im Webshop, www.weinco.at