Wer glaubt ausgelernt zu haben, lügt. Sätze für’s Stickdeckerl oder den Spruchkalender wie diesen haut Thomas Lehner alle paar Minuten raus. Der Burgenländer, der zwischen Gols und Mönchhof zum Weinmachen pendelt, eckt gerne an, er hinterfragt auch so ziemlich alles. Jetzt kommt mit seinem Ansatz des „low intervention-winemaking“ ein Zweigelt auf den Markt, der den gärenden Wein eigentlich nur um ein paar Meter versetzt, aber ihm doch eine völlig andere Stilistik ergibt. Sagen wir es deutlich: Lehners „Kranerwitzl No. 23“ vergor im Freien.
Dazu wieder der kantige Formulierer Lehner: „Im Weingarten macht die Rebe alle Temperaturschwankungen von Tag und Nacht mit und im Keller soll dann plötzlich eine Gärtemperatur ideal sein?“ Technisch lässt sich die natürlich einstellen, doch Lehner wollte es genauer wissen. Dazu kommt, dass die Idee des Vergärens im Freien „auch aus der Not geboren wurde“ – der Winzer, der nach einem finanziellen Bauchfleck mit seinem Vor-Unternehmen langsam wieder aufbaut, hatte schlicht zu wenig „Geschirr“, also Gärgefäße. So wurde das Lesegut des Winzers, der im ganzen Seewinkel kleine Flächen hat (daher die Kataster-Nummern am Etikett wie eben No. 26 beim Zweigelt Kranerwitzl), Ende September fein abgedeckt und an einer schattigen Stelle bis in den November 2012 hinein draußen geparkt.
Der Wein, aus Österreichs liebster roter Sorte und der dominanten Traube im Seewinkel gepresst, hat recht wenig mit Zweigelt, wie man ihn kennt gemeinsam. Im Duft überwiegen dunkle Aromen wie Brombeere, Tinte, Graphit wie in der Bleistift-Mine, vor allem aber ist viel Lakritze da. Ganz anders zeigt sich der Kostschluck vom 12,5% leichten „Kranerwitzl“ 2012. Lehner selbst mag leichte Weine, womit er sich im Seewinkel einmal mehr als Outcast fühlen darf, „11% wären mir noch lieber“, meint er.
Tatsächlich beginnt der Zweigelt so schlank, dass man ihn für falsch etikettierten Pinot Noir halten kann. Wie der Burgunder auch heißt hier Zartheit aber nicht Aromen-Armut, ganz im Gegenteil; der Kranerwitzl dreht am Gaumen von den dunklen zu den roten Früchten, konkret Beeren. Die Himbeere mit der zarten Säurigkeit fällt am ehesten auf, vor allem aber das völlige Fehlen der Zwetschken-Aromatik des Zweigelts. Durch die Leichtigkeit in jeder Hinsicht entwickelt dieser 2012er aber einen herrlichen Zug, das würden deutsche Kollegen wohl „trinkig“ nennen. Wir bezeichnen es lieber als gelungenes Experiment, dem hoffentlich noch mehr Querdenkereien folgen.
Bezugsquelle:
Thomas Lehner, Zweigelt „Kranerwitzl“ 2012 ist um EUR 24,90 bei Leo Kiems „Agora Vino“ erhältlich, www.agoravino.com