Das war ein Wettbewerb nach unserem Gusto! „Best bottle award“ nennt sich die Suche nach dem besten Schaumwein in den Kellern von Lech und Zürs. Es ging um eine Champagnerflasche, eingebettet in Bronze. Diese Skulptur Markus Hofers sollte sich im Fux Restaurant der Gastronom mit dem besten Schaumwein holen. Die Jury für diesen Höhepunkt des Festivals „Arlberg Weinberg“ war mit gleich drei Masters of Wine (MW) jedenfalls bestens besetzt: Die britische Kritikerlegende Jancis Robinson, Romana Echensperger und Andreas Wickhoff stimmten wie Wineanorak Jamie Goode und Joshua Greene (Wine & Spirit Magazine) und Ihr Trinkprotokollant in der Journalistenrunde ab. Parallel bewerteten auch die Sommeliers des Arlbergs im Blindtest die Einreichungen im 100 Punkte-System.
Die Idee dazu entwickelte Vintage-Weinhändler und Teilzeit-Lecher Clemens Riedl (Trinkreif) gemeinsam mit dem Tourismusverband und Wine+Partners. Die Vorgabe für den Award 2022 – klassische Flaschengärung und vor Herbst 2020 degorgierte Flaschen – ergab einen breiten Spielraum: Jahrgänge von 2005 bis 2017 waren vertreten und leidglich zwei Mal hatte man keinen Champagner im Glas. Der einzige Rosè (Perle di Pavone aus der Toskana) und der „Blanc de Blancs“ von Schloss Gobelsburg. Ansonsten fand sich unter den 13 Schaumweinen ein hoher Anteil an Winzerchampagnern (Tarlant, Bertrand-Delespierre, de Souza).
Mitunter sind diese Flaschen auch kaum aufzutreiben, wofür der Gewinner des dritten Platzes beim „Best Bottle Award“ ein gutes Beispiel darstellt. Ulysse Collin war für die Sommelier-Runde sogar ein bisschen weiter vorne, doch der „Les Pierrières“ des Weinguts, das ausschließlich (!) Einzellagen-Champagner füllt, ist ein überaus gesuchtes Stück. Nach dem Verkosten weiß man auch warum! Denn der jüngste Schaumwein des Bewerbs (Jahrgang 2017) brillierte mit einem wunderbaren Duft nach Früchte-Kuchen mit Gelée, in dem auch Banane verarbeitet wurde. Zarte Schokoladenoten, etwas Salzgebäck und mit mehr Luft auch Sesamkörnchen, zeigten die Komplexität dieses Champagners bereits im Duft.
Weinig und animierend trinkt sich dieser 2017er weg; tropenfruchtig und mit gut stützender Holz-Note legt sich der Collin auf den Gaumen. Die Perlage ist vielleicht nicht die druckvollste, dafür sehr fein und vor allem passt sie zu diesem Gourmetchampagner in seiner eleganten Tiefgründigkeit.
An der Spitze aber regierten zwei große Häuser und der Jahrgangschampagner aus der Ernte 2008. Pol Roger holte mit seiner Cuvèe Winston Churchill – bekanntlich zu gleichen Teilen aus Chardonnay und Pinot Noir assembliert – den zweiten Rang im Fux. Der Beginn mit reifen, fast etwas „farmyardy“ ausfahrenden Noten, weicht einem Geruch von getrockneter Ananas und auch Muskatabrieb. Der erste Schluck aber zeigt bereits die Frische dieses Vintage-Champagners und den klaren Zug zum Tor: Wieder sind es säurig-kühle Tropenfrucht-Noten von Ananas und Maracuja, die richtig Spaß machen. Dass es in dieser Liga auch „easy drinking“ gibt und nicht nur Kenner-Ernst und spaß-befreite Strenge, exemplifiziert der Pol Roger 2008 von allen mit dem leichtfüßigen Finale. Dass er zudem auch wunderbar Appetit-anregend ausfällt, sei auch angeführt. Damit kann ein festliches Menü starten – und auch gleich so weitergehen!
Noch einen Zacken höher ragte die Nummer 1 am Arlberg auf. Symbolträchtig stammte sie auch aus einem Keller in Oberlech, nämlich dem des Burghotels. Christian Lucian als Sommelier und Sohn des Hauses hatte einen goldenen Griff getan. Auch wenn das anfängliche Burgunder-Stinkerl des „Comtes de Champagne“ von Taittinger ein wenig brauchte, um zu verfliegen. Wie ein antiker Vorhang aus Brokat schob sich diese Duftnote zugunsten eines Kaffeecreme-Gerücherls feinster Art (Konditorei-Besucher würde der Indianer mit Schlag dazu einfallen) aus dem Bild. Dafür durften dann die Bodentöne legendärer Herkünfte wie Avize, Cramant und Chouilly im reinen Chardonnay-Champagner durchkommen. Sesam und etwas Meersalz signalisierten aber auch, dass dieser Blanc de Blancs nicht gewillt ist, sich über Fruchtigkeit zu definieren.
Vielmehr überrascht am Gaumen eine taktile Einzelheit, die wunderbare, ebenso feine, wie nachdrückliche Perlage. Sie hebt auf einmal dunkle Noten und zeigt klar den Jahrgangscharakter, selbst im Blindtest wird dies deutlich. Pekan-Nuss, etwas Beeren-Confit aus Heidelbeere und Brombeere ohne jede Süße, dazu ein erneut mineralischer Ton warten beim Ausklang. Wenn es einen Meditationschampagner gibt, dann diesen! Minütlich entdeckt man Neues im Glas. Während sich die Nase in Richtung Würze öffnet, taucht der Gaumen immer mehr in die salzigen und nussigen Tiefen. Kurz: Ein würdiger Empfänger für die Trophäe von Bildhauer Markus Hofer war gefunden. Mit einer Nobelflasche, die der Fünf-Stern-Gastronomie des Arlbergs würdig war.
Bezugsquellen:
Pol Roger, Cuvée Winston Churchill 2008 kostet EUR 399,99 bei Meinl am Graben, www.meinlamgraben.eu
Taittinger, Comtes de Champagne (Blanc des Blancs) 2008 ist um EUR 315 zu haben, im Webshop von Millesima.at, www.millesima.at