Es war ein Feiertag und auch die Sonne auf der Terrasse des Lamée in Wien funkelte mit dem Champagner im Glas um die Wette. Was Émilien Boutillat als Kellermeister bei Piper-Heidsieck einschenkt, bedurfte aber auch einer Einführung. Die nahm der seit 2018 für die Abfüllungen der „maison de Champagne“ verantwortliche Dynamiker nur allzu gerne vor. „Für die Reihe „Hors-Série“ habe ich Carte Blanche bekommen“, will er auch in Zukunft ungewöhnliche Schaumweine bieten, die sich von den bewährten Standard-Qualitäten abheben. Und der neue „Hors-Série“ führt nicht nur ins Jahr 1982 zurück, sondern auch in die Geschichte des Hauses. Denn den Anstoß zur „Cuvée Sauvage“ gab einst Claude Terrail vom legendären Restaurant La Tour d’Argent. Er wollte Frische im Champagner und bekam sie in Form einer neuen Assemblage mit Extra Brut-Dosage.
Von diesen alten Abfüllungen fanden sich einige bereits in der Flasche – degorgiert 1992. Womit man wahren Sammlern diese reguläre Abfüllung als „very late release“ zusammen mit dem Jahrgang des selben Jahrgangs 1982 – nur eben erst 2021 degorgiert – in einer Box anbieten kann. Dieses Schmuckstück, das 39 Jahre auf der Hefe reifte, stand aber als Solist bei der Verkostung im Mittelpunkt. Nicht wenige der professionellen Weinkenner waren jünger als diese Abfüllung – Ehrfurcht beim Einschenken der Cuvée aus 60% Pinot Noir und 40% Chardonnay war also garantiert. Was aber bei derart alten (Schaum)Weinen wichtig ist: Es war auch eine „singende“ Flasche, die Monsieur Boutillat da ausgewählt hatte.
So machte schon die erste Bekanntschaft mit dem Duft dieser Rarität große Freude. Denn eine „Altl“ oder muffige Töne zeigt der Piper-Heidsieck in keiner Phase. Vielmehr stellt die erste Überraschung die Power dar, mit der die Perlage den Duft von Langpfeffer langsam auch die Fruchtnoten durchschimmern lässt. Der goldgelb im Glas perlende „Hors-Série“ zeigt anfangs sein feines „Stinkerl“ nach säurig-herben Früchten wie Mirabellen und Quitten. Dahinter aber winkt freundlich Steinobst; vor allem Pfirsich ist präsent. Diese zwei Gesichter werden sich auch am Gaumen wieder zeigen. Hier allerdings kommt die tiefgreifende Perlage von Jahrzehnten in einem fast würzigen Prickeln auf der Zunge durch.
Es sind fein gemahlener weißer Pfeffer und etwas Curry-Würze, aus der die Frucht dann förmlich auftaucht. Sie bieten den Auftakt am Gaumen für ein drei-aktiges Spektakel. Passionsfrucht-Kerne und Mandarine stehen für einen Mix aus reifen (no na, nach 39 Jahren!) und säurig-frischen Eindrücken. Das Finale zeigt dann die dritte Seite, eine leicht erdige Note, die an gegrillte Sellerieknolle anklingt, und sich zu den bereits komplexen Geschmacksnoten aufsummiert. Herrlich lang ist dieser 1982er Champagner, der am Schluss die Räume eng macht. Schön, solche Champagnerkunst kennenlernen zu können!
Bezugsquelle:
Piper-Heidsieck, Champagne „Hors-Série“ 1982 ist um EUR 590 über Importeur P. M. Mounier erhältlich, www.topspirit.at