111 Jahre feiert das Champagnerhaus Perrier-Jouët dieses Jahr. Und selbst wer sich mit der Aussprache des Namens der „maison de Champagne“ vielleicht schwer tut: Die charakteristischen Blüten als Logo kennen viele Genießer. Dabei handelt es sich übrigens um die Japanische Herbst-Anemone, wie Daniel Stühler dieser Tage in Wien erklärte. Die Vorgeschichte dieses ungewöhnlichen Flaschenschmucks reicht zurück in die dritte Generation an der Spitze des Hauses. Sie beauftragte Émile Gallé, als Jugendstilkünstler eine Legende wie Alphonse Mucha, die wilden Tage der Belle Epoque in einem Entwurf einzufangen. Und als Hobby-Botaniker begeisterten die handgemalten Anemonen die Firmenleiter Henri und Octave Gallice in Épernay auch. Allein, für die Massenfertigung war dieses aufwendige Dekor nicht geeignet.
Doch sechs Jahrzehnte später schlug die Stunde des Gallé-Designs: 1964 entdeckte man die historischen Flaschen und seither begleitet das florale Design die Abfüllungen namens „Belle Epoque“. Weshalb man die besten Qualitäten, allen voran die Jahrgangschampagner, mit einem Blumen-inspirierten „Banquet of Nature“ bewirbt. Denn auch die aktuelle Kellermeisterin Séverine Frerson liebt Florales wie der prominente Vorgänger Octave Gallice.
Dabei werden nicht nur Blütenessenzen (Jasmin, Kornblume und Veilchen) zwischen den Gängen beschnuppert, sondern auch reichlich essbare Blüten gereicht. Der Tisch für dieses „immersive“ Champagner-Dinner, das von Wien weiter nach Hamburg reist, unterstützt mit einer Animation der Jahreszeiten die Reise von der Rebblüte bis zum fertigen Grundwein ebenfalls optisch und akustisch. Die Köche des Wiener Dinners jedenfalls brachten Kräuter, Tagetes und Stiefmütterchen aus dem eigenen Garten mit. Denn als Kochnomaden lieben Anna Haumer und Valentin Gruber-Kalteis botanische Zutaten – „und sie sparen auch viel Geld“, wie der Koch lachend zwischen den Gängen in Döbling erklärte.
Selbst zum Anrichten der Stör-Brandade mit Kaviar von Walter Grüll griff das Koch-Duo zu einer Schale aus einer recycleten Champagnerflasche. Auch die Beurre blanc zum Zander wurde natürlich mit Perrier-Jouët zubereitet. Den Höhepunkt in Sachen klassisch (also: im Glas) genossenem Champagner setzte der „Blanc de Blancs“ des Jahrgangs 2012. Dieser rare „Belle Epoque“, der in Épernay nach einer sechs Jahre langen Pause auf die Vintage-Serie 2002, 2004, 2006 folgte, strahlte förmlich kreidige Kühle aus. Der Grundwein aus zwei Einzellagen in der grand cru-Gemeinde Cramant bringt diese Note über einem Duft-Kern aus Blüten (Forsythie, Mandelblüte und Jasmin) ein. Die Frucht wird von noch zart grüner Mandarine repräsentiert, einem Duft, der neben aller Intensität auch für zarte Säurigkeit einsteht.
Die tiefgreifende Perlage kann man nur so nennen. Sie bestimmt das Mundgefühl und trägt eine fast metallisch kühlende Salznote mit sich, die man von Austernschalen kennt. In der zweiten Lesung ist dann plötzlich eine ausgeprägte, wenn auch nie süße, Fruchtmelange zu schmecken. Bei sechs Gramm Dosage und einer Reifung auf der Hefe von acht Jahren erinnert das an Ananas und Spuren frisch gezupften Koriandergrüns. Final wird es dann ein wenig griffiger, wenn der ultrafeine Gerbstoff einen Touch Assam-Tee, mehr aber noch; Orangenfruchtfleisch, auf den Gaumen zaubert. Sehr lange wird der „Belle Epoque Blanc de Blancs 2012“ durch dieses raffinierte Finale. Und er legt noch eine Extra-Schippe drauf, wie man in es in dieser obersten Liga erwarten darf: Eingelegter Ingwer verbindet Würze, florale Aromen und auch die säurige Frische vom Kalkboden mit einer animierenden Frucht. Ganz großes Kino wurde da am Video-Tisch des „Banquet of Nature“ geboten!
Der Chardonnay, namentlich aus Cramant, gehört zwar zur DNA der „maison“, doch auch Rosé hat sich – von der Basisqualität „Blason“ bis zum „Belle Epoque“ – bei Perrier-Jouët etabliert. Ins Glas kam der Vintage 2010, der in diesem Jahr als einziger Jahrgangschampagner gefüllt wurde. Vor allem die Kraft des Pinot Noirs machte das möglich; seine Qualität, die u. a. aus der grand cru-Gemeinde Aÿ stammt, bemerkt auch der Laie. Denn Himbeere und Fleischsaft werden von der lebendigen Kohlensäure unmittelbar an die Nase gehoben. Butter-Brezen-Geruch steht für die ausgeprägte Hefe-Note des sechs Jahre währenden Reifelagers. Mit Luft dreht diese Note dann in Richtung von Kaffeepulver. Ein nur „lieber“ Rosé ist dieser „Belle Epoque“ jedenfalls keiner, das steht nach dem ersten Beschnuppern fest!
Im Mund fällt erneut die leichte Salinität auf – als feiner „Grip“ sorgt das Salz mit dem Gerbstoff des 55%-igen Rotwein-Anteils der Assemblage für einen Widerpart zu den Fruchtakkorden. Ein Mix aus Pink Grapefruit und Himbeere (diesmal eher in getrockneter Form) bringt sich mit cremiger Anmutung in Stellung. Und er hat keineswegs vor zu gehen. Lange und mit bis zuletzt frischer Perlage begleitete dieser Vintage 2010 die Taube aus der Zucht von Gerhard Methlagl perfekt. Aber sie hielt auch mit den Gemüsekomponenten wie Rote Rübe mit. Einmal mehr erklang so lautstark ein Plädoyer, Champagner doch öfter in der Weinbegleitung einzusetzen. In diesem Fall stünde damit auch ein optisch beeindruckendes Blütenkunstwerk am Tisch.
Bezugsquellen:
Perrier-Jouët, „Belle Epoque Blanc de Blancs Vintage 2012“ kostet EUR 350 beim Weisshaus-Versand, www.weisshaus.at
Perrier-Jouët, „Belle Epoque Rosé Vintage 2010“ ist um EUR 345 bei Millesima erhältlich, www.millesima.at