Dass sich eines schönen Sonntags Österreichs Weinkenner am Bahnsteig von Deutschkreutz trafen, liegt an einem einzigen Buchstaben: G. 20 Jahre feiert der legendäre Rotwein (Blaufränkisch mit einem Schuss – heute 5% eines Jahrgangs – St. Laurent) von Albert Gesellmann. Wie viele Ikonen heimischer Winzer feiert er als Kind der späten 1990er nun Jubiläum. 20 Jahrgänge hat man am Weingut vorbereitet, wo immer es möglich war, wurden dafür sechs Liter-Flaschen geöffnet.
Lernen für die eigenen „Vertikalen“
Die Zeitreise, wegen der so viele Trinkprotokollanten-Kollegen ins Mittelburgenland gekommen sind, umfasst die Jahrgänge 1997 bis 2021. Wobei es in den Jahren 1998, 2001, 2005 und 2010 keinen „G“ gab. Der Modus, den Gesellmann und Weinakademiker Gerhard Elze vorgesehen haben, hat lehrreichen Charakter. Denn die 20 Weine wurden in Gruppen eingeteilt: Die kühlen Jahrgänge wurden zusammengestellt, dazu die besonders heißen Jahre wie z. B. 2003 oder 2006. „Man kann chronologisch kosten oder schauen, wie wir mit der unterschiedlichen Witterung umgegangen sind“, so der Winzer. Die Gäste haben also die Wahlmöglichkeit, ihren Weg durch die jüngere Rotwein-Geschichte zu wählen. Wer „Jung auf Alt“ kostet – hier zeigt sich, wie Reife den Wein verändert – kann das tun. Wer den klassischeren Weg „Alt auf Jung“ bevorzugt, hat auch diese Möglichkeit. Vorteil dabei: Die fordernden Gerbstoffe kommen erst am Ende zum Tragen. Man beginnt – zumindest in der Theorie – mit runderen Weinen, mit abgeschliffenem Tannin.
Im konkreten Fall startet die Serie mit dem Jahrgang 1997. Er war so herausragend, dass auch in ihm die Entscheidung fiel, den „G“ als langlebigen Rotwein zu etablieren. Das zeigt der 1997er heute noch: Geranie, Ziegelstein, Brombeeren und Trüffel addieren sich zu einem Duftbild, das man von Super-Tuscans, am ehesten dem „Tignanello“, kennt. Die Überraschung liefert aber der Gaumen. Denn neben dem Druck, den der perfekt durchtrainierte Rotwein ausübt, ist da auch Säure zu spüren. Cranberry und Hibiskus als Eindrücke müssen sich diesen Platz mit ein wenig Ribisel teilen. So jung wirkt der erste Wein in der Deutschkreutzer Vertikale.
Bei den anderen 19 Jahrgängen aus den ältesten Gesellmann-Weingärten, die allesamt 40 Monate in kleinen Eichenholzfässern geschult wurden, steht wieder die Erhältlichkeit im Vordergrund. Denn so großartig der zu Recht gerühmte 2019er sich anlässt…. Er ist längst vergriffen! Was man angesichts des ebenso strahlenden wie andauernden Eindrucks am Gaumen, der eine balsamische Note mit feinen Kokos- und Nussnoten verwebt, nachvollziehen kann. Doch zum Glück gibt es im Handel auch noch ein paar Restflaschen der reiferen Jahrgänge. Auf sie und unsere Trinkprotokolle dazu stürzen wir uns in der Folge.
„Kühl und fordernd“ macht Freude: Der „G“ 2004
Dabei variieren die Jahre in der Tat, was etwa der – noch verfügbare – 2003er zeigte. Das heiße Jahr mit der frühen Ernte (sie begann am 2. September) ergibt einen nach Pumpernickel, Holunderbeeren und Heidelbeere duftenden, sehr dunklen Typus. Die hohe Reife und 14,5% vol. Alkohol befinden sich derzeit in einem alterslosen Stadium. Das Tannin ist bereits geschliffen, die Frucht üppig und dunkel, doch dank der Brotgewürze auch mit Spannung versehen. Am schönsten ist die ätherisch leichte Mitte, die von einem strahlig-trinkfreudigen Finish beendet wird. Man merkt, dass sich dieser Wein allmählich umstrukturiert, aber aktuell und die nächsten fünf Jahre ist da noch großes Kino angesagt!
Als „kühler, fordernder Jahrgang“ (© Albert Gesellmann) steht dem der 2004er „G“ gegenüber. Hier war die Ernte später als üblich zu verzeichnen, doch das Ergebnis gefiel uns ausnehmend gut. Blättrige Duftnoten, dunkle Kirsche, die an Schokolade und „Schwarzwälder Kirsch“ – wenn auch ohne penetrante Vanille-Akzente – anklingt und etwas Kornellkirsche zeigen den 95%-igen Blaufränkisch an. Mundfüllend fällt der 2004er aus; erneut ist klar die Kirschfrucht zu erkennen, vor allem aber ist dieser Wein quicklebendig. Und wie zum Beweis streut er auch noch Gewürzpaprika (piment d’Espelette) ein. Zusammen mit einem Quäntchen an Roter Johannisbeere ergibt das einen jugendlichen, fast frechen „G“.
Himbeeren mit weichem Gerbstoff: Der „G“ 2012
Sogar von einem weiteren Spitzenjahr für den „G“ gibt es noch Kontingente, es ist der 2012er, dessen Besonderheit ein weiches Tannin darstellt. Die kleinen Beeren hatten weniger Schale als sonst aufzuweisen, das Ergebnis ist entsprechend blumig und weist in eine ungewohnt Richtung, die eher an Malve, denn an Sauerkirsche denken lässt. Allenfalls ein wenig spielt die Weichsel im Duftbild mit, ansonsten ist es ein Blumenstrauß an roten Duftnoten. Auch der Geschmack ist anders, aber außergewöhnlich gut. Himbeere und Orangenzeste notiert man selten bei diesem Wein, doch hier sind es die zarteren Noten, die Unbeschwertheit von Gerbstoff und Holzeinfluss, die man richtig genießen kann. Ausgewogen und in seiner Art einem italienischen Aperitif nicht unähnlich, der herbe Noten und Fruchtsüße auszutarieren weiß. Hohe Eleganz und für uns immer noch nicht am Höhepunkt!
Mit einem Mix aus Sommertrüffeln, Schiefer-Täfelchen und dahinter erst einer Fruchtfülle an Holler, Brombeere und – witzig, aber deutlich da: – Bratlfett‘n geht es in der Nase ab. Spannend an diesem Wein ist die Lernkurve in Sachen Vinifikation, denn Holz scheint es beim fast jüngsten Jahrgang nicht zu geben, Dafür eine veritable Beeren-Sammlung, die er stolz vorzeigt. Als Stütze der dunklen Früchte erweist sich ein schokoladige Note, die aber keine Gerbstoff-Einsprengsel zeigt. Alles strömt und fließt hier – in einer bereits äußerst harmonischen Art und Weise. Vielleicht steht das „G“ ja auch für „grandios“.
Bezugsquelle:
Weingut Gesellmann, „G“ ist ab Hof mit Jahrgang 2021 ab Herbst erhältlich, im Feingeist-Shop führt man die Jahrgänge 2003 (EUR 124,95), 2004 (EUR 121,-), 2012 (EUR 116,45) und 2020 (EUR 160,- als Magnum (1,5 Liter)), www.feingeist.at