Diese Frau ist eine Naturgewalt. Genauer gesagt, sprüht Maria Rosa Cardona Vallès vor Energie wie ihre mit sechs Bar Druck gefüllten Weine. Ist der rhetorische Korken einmal gelöst, ergießt sich ein Sturzbach über die Gäste, der auch Laien zu Cava-Experten macht. Das stellten wir beim Besuch am Weingut fest, der Teil einer Tour zu den wichtigsten katalanischen Produzenten war, die sich bei der Messe Alimentaria in Barcelona 2018 präsentieren.
Würde man Rovellats in der Region Penedés als Gralshüter des Cava bezeichnen, wäre das aber falsch. Denn man ist genauso innovativ, nur mit billiger Versektung sollte man Maria Rosa erst gar nicht kommen. Da legt sie sich selbst mit der Politik an, wenn die vergißt, wo der Cava seine Wurzeln hat.
Im Falle von Rovellats erlaubt der Sortenspiegel Parellada, Xarel-lo, Macabeo und – als internationeles Zugeständnis – auch: Chardonnay einiges an Variationen. Wobei die dynamische Maria Rosa eindeutig eine trockene Assemblage bevorzugt, auch beim einzigen Rosé des Cava-Hauses, der auf Garnacha basiert; „Unsere Cavas sollen kein Make-up tragen“, sind für Señora Cardona Vallés sechs Gramm Restzucker pro Liter das erlaubte Maximum. Wein und nicht Schaum steht bei ihren Schaumweinen im Fokus. In ihrem zwölf Meter unter der Erde gelegenen Keller gibt die Winzerin in der Leoparden-Jacke aber die Musterschülerin – weit länger als vorgeschrieben reifen die Weine im sternförmig angelegten Lager des zum nationalen Monument erklärten Penedés-Gutes. Bis zu sechs Jahre haben die Flaggschiffe auf der Hefe zu ruhen, bis sie gefüllt werden.
Zum Dinner, das sie um die Ecke in der Casa del Conill geordert hat (Ochsenwangerln mit Tintenfisch gibt es nur auf Maria Rosas ausdrücklichen Wunsch!), starten wir mit dem „Imperial Brut“ aus dem Jahrgang 2014. Hier sind die Autolyse-Noten, die man bei Rovellats so liebt, im Duft sofort da. Der Geruch der abgestorbenen Hefe, die sich am Ende selbst „verzehrt“ hat, mischt sich mit kühlen Fruchtnoten wie Kaktusfeige und Ananas. Auch im Mund startet ein vollmundiges, zart hefiges (man kann an Dim Sum denken) Spiel. Der Cava braucht Zeit und verdient ein Weinglas, dann schließen sich die zarten Aromen des mehrheitlich mit Macabeu (60%) gefüllten 2014ers auf: Zarte, fast florale Töne, wieder mit säuriger Ananas durchmengt, werden von einem salzigen Finish abgelöst.
Der erste 2011er, frisch auf dem Markt nach sechs Jahren Reife, ist die „Gran Reserva“ mit einem 55%-igen Xarel-lo-Anteil. Dieser „Brut Nature“ stellt das in Reinkultur dar, was die britischen Kollegen „palate cleanser“ nennen; wie ein flüssiger Kärcher fegt dieser Cava mit seinem zitrusfrischen Strahlen über den Gaumen. Grapefruit und weiße Blüten sind sein Parfüm, in das sich auch Tramezzini-Brot mengt. Im Mund tritt er als Gemisch von Pomelo und Mandarine auf – der säurigen Zitrusnote folge eine etwas fruchtigere Art gegen den Abgang hin. Besonders markant in der „Gran Reserva Brut Nature 2011“ ist die mineralische Note, die sie von Anfang bis Ende begleitet.
Sparkling Earl Grey: „Masia Segle XV“ 2008
Dem Hauptgang hat Maria Rosa den ältesten Wein des aktuellen Sortiments, den aus der Ernte 2008 stammenden „Masia Segle XV“, vorbehalten. Rund 6.000 Flaschen gibt es von diesem Jahrgangssekt, der preislich unter dem banalsten Champagner liegt (was man auch erwähnen sollte). Der katalanische Name, der „15. Jahrhundert“ bedeutet, soll dabei „das Haus ehren“, denn die ältesten Teile des Weinguts stammen aus dieser Zeit. Das belegt unter anderem eine bischöfliches Verdikt gegen einen hier seinerzeit hausenden Bigamisten, wie Cardona Vallés lachend beim Rundgang erzählt hatte. Doch jetzt ist Zeit für den nach Kokosnuss und Maracuja duftenden Schaumwein, der mit seiner Frische beeindruckt. Kühl und mit einer dezenten Säure – der vielleicht einzige Tribut an das Alter – perlt der „Masia Segle XV“ über die Zunge.
Kokos-Mousse, und eine herbe Zitrusfrucht mischen sich, bisweilen erinnert er an eine prickelnde Earl Grey-Tee-Version. Als Speisenbegleiter ist er perfekt eingesetzt, vor allem die Tintenfische in der pikanten Sauce machen mit ihm im Glas noch mehr Vergnügen. Noch rarer wird es bei den knapp 3.000 Flaschen des zweiten 2011er Cavas, dem mit 30% Chardonnay die internationale Rebe das tropenfruchtige Gepräge gibt – allerdings nur im Geruch: Vanille und Mango sind keine dezenten Duftnoten, doch hier kommen sie wie gekühlt mit einem Minimum ihrer sonstigen Expressivität aus dem Glas.
Der „Col.lecciò“ erweist sich als der deutlich reifere, aber auch herbere Vertreter des Jahrgangs. Hier findet sich eher die Zitruszeste, als die saftige Frucht der „Gran Reserva“. Bergamotte assoziieren wir, während wir den letzten Schluck trinken. Natürlich zu einer „Crema Catalana“ – so viel Patriotismus muss sein in Sant Marti Sarroca.
Bezugsquelle:
Cava Rovellats, „Imperial Brut“ 2014 ist um EUR 9,95 erhältlich, der Brut Nature „Gran Reserva“ 2011 kostet EUR 13,95, die Raritäten „Masia Segle XV“ 2008 und „Col.lecciò“ 2011 sind für EUR 21,80 bzw. EUR 28 erhältlich, alle online bei Hispavinus, www.hispavinus.de