Eigentlich hätte Hans Feilers Wein auch „Umriss“ heißen können. Denn der außergewöhnliche Wein aus den heute 55 Jahre alten Blaufränkisch-Stöcken stammt nahezu gänzlich aus der Ruster Riede „Umriss“. Es war aber der Weinförderer Heribert Bayer († März 2025) der die Reserve 1988 taufte: „Ihr habt da einen Solitär“. Und wie diese Diamanten hatte auch der erste Wein namens „Solitaire“ seinen Preis: „Es war der einzige um 180 Schilling die Flasche, davor war der Ruster Ausbruch am teuersten – der kostete 90 Schilling“. Die persönlichen Erinnerungen von Kurt Feiler machten die Verkostung von 32 (!) Jahrgängen des Rotweins noch besonderer.
37 Jahre und quicklebendig: Solitaire 1988
Die Flaschen im Heunisch&Erben waren nahezu ausnahmslos in Bestzustand, was das Vergnügen am Vergleichen noch steigerte. Apropos Vergleich: So unterschiedlich die Weine – und verkosteten Zeiträume – auch waren, drängte sich doch ein Vergleich mit der nicht so lang zurücklegenden Vertikale des „Marienthal“ auf. Wie auch bei der Triebaumer-Reise durch die Jahre (hier zu finden) stand auch bei diesem Ruster Betrieb die große Überraschung am Anfang. Jahrgang 1988 zeigte vielleicht eine offene, einladende Nase mit leichter Oxidation, allerdings keinerlei Müdigkeit. Im Gegenteil! Florale Akkorde von Malve und Hibiskus, generell eine Erinnerung an kalten Früchtetee, wurde von Würze gefolgt – vor allem Estragon und Timutpfeffer fiel uns auf.
Am Gaumen brachte die Textur den ersten Zauber hervor; hier regierte die Seidigkeit! Sehr elegant, das Alles, 37 Jahre nach der Ernte. Erneut sind es rote Eindrücke, im Geschmack aber Beeren: Preiselbeere ohne ihren üblichen Gerbstoff, Kirsche und Erdbeere. Dahinter packte der erste „Solitaire“ eine Pikanz, die fast trotzig aufzeigt, wie lebendig dieser Jahrgang noch ist.
Ein ähnlicher Höhepunkt der Serie war dann 1990. Dieser „Solitaire“ ging immer weiter in Richtung einer strahlenden Herzkirschen-Frucht auf, je mehr Luft er bekam. Äußerst zarte Vanille trägt zur Freude noch das Ihre bei. Schlehe und Weichsel frischen mit Luft noch auf – das will man trinken! Am Gaumen sehr saftig, der Gerbstoff ist abgeschmirgelt, kaum Trinkwiderstand. Ein rotfruchtiger Bogen voll Erdbeer-Charme und Frische, ätherisch und hoch elegant. Momentan agiert er in einer fast Pinot-artigen Raffinesse, die von einer pikanten Note (piment d`Espelette) im Rückaroma gekrönt wird.
Würze wie „CS“ – der Jahrgang 1997
Eine interessante Beobachtung ließ sich bei einem weiteren Liebling aus der Vertikale, dem Jahrgang 1997, machen: Einmal mehr zeigte der Blaufränkisch einen so würzigen Paprika-Ton, dass man geschworen hätte, hier ist auch Cabernet im Spiel. Dabei kommt am Weingut in der Regel allenfalls ein Anteil Merlot (irgendwo zwischen 10 und 15%) hinzu. Dieser würzige Eindruck (Schwarze Johannisbeere mit Blättern, Paprika) zeigt sich auch im bis dato mengenstärksten Jahrgang 2003. Er gehörte zu den Favoriten im Line up des Heunisch, zusammen mit 2000, 2011 – für Kollegen Willi Balanjuk das Jahr mit dem „beste Gerbstoff in Österreich ever“. Das lange noch vorm Plateau stehenden Jahr 2019 könnte man auch noch hinzufügen.
Doch traditionell konzentriert sich das Trinkprotokoll auf die verfügbaren Jahre. Bei Kurt Feiler gehört dazu 2015. Denn auch er pflegt ein „ten years after“-Programm. Würzig unterlegt und mit Gerbstoff-Kante, die wie Holunder-Beeren vor der Vollreife wirkt, trat der 2015er an. Eine saftige, wenn auch dunkelfruchtige Aromatik, die man sich so auch am Gaumen wünscht, zeichnet sich im Duftbild ab. Und: Pardautz! Der kraftvolle, dunkelfruchtige Eindruck wird auch am Gaumen wirksam. Bitterschokolade und immer noch mächtiges Tannin unterstreichen eine Lehre aus der Vertikalen: Unter zehn Jahren Reife sollte man sich dem „Solitaire“ nicht nähern. Der 2015er hat seinen Kokon zerrissen und entsteigt ihm gerade. Doch zum Schmetterling wird er noch.
Balance mit Potential: „Solitaire“ 2019
Das gilt auch für das herausragende Jahr 2019, das nasal schon jetzt prunkt: Feine Würze-Akzente sind von Beginn weg da. Sie bringen Weißen Sesam, Zwetschkenlikör und auch etwas Roggenbrotkruste mit. Am Gaumen zeigt sich dieser Rotwein (86% Blaufränkisch, 14% Merlot)
straff und kompakt. Die Säure und der Gerbstoff sind bereits im Equilibrium. Hier muss man nur warten können. Denn es ist alles da. Die Frucht ist noch zart maskiert, aber das ist eine Frage der Zeit. Immerhin hatte dieser Wein 24 Monate im Barrique, davon 50% mit neuem Holz, hinter sich. Er ist aber ein klarer Kauf, zumal Feiler-Artinger auch beim Preis moderat blieb – nur 180 Schilling (rund 13 Euro) wie im ersten Jahrgang spielt es nicht mehr!
Und wo wir bei den Einlager-Tipps sind: Auch 2021 ist in Rust noch im Verkauf zu haben. Dieser „Solitaire“ wirkt wie eine festfleischige Frucht: Kompakt, mit einem Duft nach Brombeere, aber auch einer feinen Vanille-Note, die alles verbrämt. Am Gaumen zeigt er sich erwartungsgemäß jugendlich; die Pikanz vor allem weist den jüngsten Jahrgang als Teil der „Solitaire“-Reihe aus. Und das bedeutet auch: Bitte warten! Dieser Rotwein ist für die lange Strecke gemacht. Den darf man jetzt kaufen, aber erst 2036 entkorken.
Bezugsquelle:
Weingut Feiler-Artinger, „Solitaire“ ist in den Jahrgängen 2019, 2021 sowie 2015 um EUR 36,- noch ab Hof bzw. im Webshop erhältlich, www.feiler-artinger.at