Schon beim ersten Bericht über die „Sip Society“ 2023 (hier noch zu finden), war uns der Pouilly Fumé ein Erwähnung wert, den Thomas Reither mit seinem Unternehmen VorReither importiert. Trinkprotokolliert haben wir diese Entdeckung des Sommeliers damals aber nicht. Doch es gab ja eine Fortsetzung in der Markterei. Und in Folge drei unserer Eindrücke von der diesjährigen „Sip Society“ wird es auch Zeit für diesen Wein. Vor allem, weil er einen noch beeindruckenderen „Bruder“ hat.
Auch wenn man nicht die Vor-Erfahrung mit diesem VorReither-Import hat: Es sind die Flaschen, die einem als erstes bei der Domaine Les Poëte auffallen. Wie das Lamm Gottes in klassischen Malereien trägt auch das Wappentier des Ökobauernhofs eine Fahne und den Wahlspruch: „Moins mais mieux“ – weniger, aber besser. Die Schafe gibt es bei Guillaume Sorbe am Hof ebenso wie den Wein. Dorthin zog es den Franzosen nach Jahren in der Spitzen-Gastronomie. Am Ufer des Cher, dem Flüsschen, das auch dem Aschekäse Selles-sur-Cher den Namen gibt, startete er 2011 mit dem ersten Jahrgang.
Womit es nunmehr den biologisch kultivierten Pouilly-Fumé gibt, der uns einmal schon begeistert hat. Wohlgemerkt vor dem Hintergrund, dass sich Sauvignon blanc immer besonders anstrengen muss, um uns zu gefallen. Dieser hier, Vintage 2023, riecht nach Zitronen-Meringue, Ananas der noch nicht reifen Sorte, aber auch nach Weißen Johannisbeeren und etwas Flieder. Fruchtsüß und deutlich in seiner Sortencharakteristik wirkt der junge Weißwein dann im Mund. Allerdings lässt sich schon hier die feine Klinge spüren, die Monsieur Sorbe bei seinen Abfüllungen führt. Als ganz feingliedriger Typus zeigt der 2023er Passionsfrüchte samt säurigem Biss und einer herben Frische, die an die Kerne von Maracuja erinnert. Es mag ein noch junger Sauvignon Blanc sein, aber keiner der beißt oder zu säurig wäre. Irgendwie hat er seine Kraft nach innen gerichtet, könnte man sagen.
Der wahre Hammer kommt aber, als Thomas Reither darauf besteht, den „Orphée“ 2020 zu verkosten, der von den ältesten Stöcken des Weinguts stammt. 1955 ausgepflanzt, haben diese Sauvignon Blanc-Trauben einen Wein ergeben, der mit grasigen und hierzulande vertrauten Weinen der Sorte wenig gemein hat.
Er stammt aber nicht aus der bekannten Loire-Ecke Pouilly-Fumé, sondern aus den Parzellen, die sich in den weniger geläufigen Regionen Reuilly und Quincy befinden. Dieser Schatz stammt von den Großeltern des Winzers, Imkers und Schafzüchters.
Vor allem trägt er aber einen Namen, der für uns immer mit Monteverdis Oper und natürlich Ovids packender Erzählung von der Verwandlung Eurydikes verbunden sein wird – Orpheus bzw. en français: „Orphée“.
Der Namen ist das eine, der einladende Duft dieses außergewöhnlichen Weines das andere: Flieder spielt wieder ein Rolle, aber auch Schwarze Johannisbeeren der reifsten Sorte – da kann sich mancher Cabernet noch ein olfaktorisches Wölkchen abschauen. Saftig legt sich dieser 2020er dann auf den Gaumen, das Mundgefühl darf man nachgerade cremig nennen. Vanille, ein Blätterteig mit ultra-viel Butter (ganz im französischen Küchenstil!), vor allem aber wieder diese betörende Fruchtigkeit machen Lust, einfach weiterzutrinken bei der Tischpräsentation. Denn wie ein Heidelbeerkuchen, gestützt von säurig-frischen Noten und doch grundsätzlich ausladend in seiner Anlage, die an Kuchenteig erinnert, ist der „Orphée“.
Bevor wir wegen Les Poëte aber selbst zur Leier greifen wie Orpheus, schreiben wir bloß: Ein großartiger „SB“, dessen Preis überrascht. Und im Übrigen auch mit der Flaschengestaltung auffällt. Sagten wir das schon?
Bezugsquelle:
Domaine Les Poëte, Pouilly-Fumé 2023 wird um EUR 25,20 angeboten, der „Orphée“ um EUR 32,56, alle beide im Shop von VorReither, www.vor-reither.at