Nach einer halben Woche im Kreise internationaler Önologen stand für uns fest: Zu viel Wissen macht in Sachen Wein vielleicht nicht Kopfweh, aber es verdirbt die Freude am Genießen. Zu Tode analysiert auf mögliche Fehler („flüchtige Säure?“), wurden mitunter dann banale, aber eben brave Weine ausgezeichnet. Ein ähnliches Phänomen spielt die zweifellos wahre Behauptung von Pflanzenphysiologen, dass Reben niemals genug Minerale über die Wurzeln aufnehmen können, dass dies auch in den Trauben schmeckbar wäre. Nun denn, wenn man es nicht „mineralisch“ nennen darf, dann gebt uns ein anderes Wort dafür. Denn wie klar sich etwa Kalk im Wein schmecken lässt, zeigte die Verkostung des Mauritiushofs von Franz-Josef Gritsch über den Dächern von Wien im Juwel. Dieser Wein gehörte einfach als Specimen in jedes (Wein)Lexikon neben den Eintrag „Mineralik“ geklebt. Oder „Mineralität“. In jedem Fall ist er ein Lehrbeispiel, auf das wir gleich noch zurückkommen.
Denn wie es sich für eine Jahrgangspräsentation gehört, kamen auch die Federspiele aus dem reichen Lagen-Schatz von Gritsch ins Rovini-Glas seines Freundes (und Mit-Rekultivator der Lage Atzberg) Robert Wutzl. Als bekennender Fan der Ried Klaus stand der Grüne Veltliner 2021 natürlich für uns ganz oben auf der Kostliste. Er ettäuchte nicht! Denn er zeigte auch eine deutlich „fettere“ Anlage als etwa sein Federspiel-Kollege von der Lage Axpoint. Die tropenfruchtigen Noten erinnerten an Passionsfrucht und sie fanden sich am Gaumen wieder. In diesem Fall stand der saftigen Exotik aber eine gute Struktur zur Seite – und auch die gerne von „Klaus“-Winzern unterstrichene frühe Zugänglichkeit, aber eben auch Langlebigkeit dieser Riedenweine unterstrich dieses Gritsch-Federspiel.
Wer es eher trinkanimierend und zitrusfruchtig mag, dem sei der Riesling Federspiel vom Tausendeimerberg empfohlen. Mit gut zwei Hektar stellt der Mauritiushof den größten Anteilseigner an dieser berühmten – und von der Donau aus gesehen – auch so markanten Riede da. Grapefruit pur, etwas Limettenabrieb und zumindest für ältere Semester ein Hauch von Hirsch-Seife ergeben ein Potpourri an frischen Zitrustönen in der Nase. Deutlicher wird die Sorte mit dem Steinobst dann im Mund; Marille in schöner süß-säurigen Ausprägung wird von der feinen Struktur begleitet, die der reine Stahltank-Ausbau diesem Federspiel mitgab. Es ist ein engmaschiger Riesling der Art, die auch jenen schmeckt, denen zu mächtige Sortenvertreter zu viel des Guten sind. Anders gesagt: Toller Allrounder. Und einer, der noch dazu auch in drei Jahren noch Freude macht.
Apropos Intensität: Die Smaragde, sowohl Veltliner, als auch Rieslinge, des Jahrgangs waren natürlich noch recht verschlossen. Der „Singerriedel“ 2021, in diesem Falle ein Veltliner-Smaragd, etwa wir monumental werden – sein Duft nach Rauch, Mohncräcker und Mispeln sowie kandierter Ananas öffnete sich nur langsam, verspricht aber Herrliches. Ebenso wie der Kostschluck, den wir in dieser Jugend nur mit „ein viskoser Saft von einem Wein“ zusammenfassen. Denn es gab die eine, die faszinierend Ausnahme im Juwel-Tasting. Und das war der besagte „Kalkofen“, der seinen Namen nicht zu Unrecht trägt. Dieser Riesling Smaragd riecht bereits wie frischer Gips, die pure Kalkstein-Mineralik und die kühle Lage am Rande des Waldviertels ergeben eine eigene Stilistik, die früher wenig geschätzt wurde, nun aber den kühlsten Stil der Wachau darstellt. Spät gelesen und dennoch nie üppig oder überreif, zeigt auch die kühle (Ananas)Frucht einen würzigen Beiklang – er erinnert in seiner würzigen und persistenten Art an Safran.
Die feine Mineralik ist auch am Gaumen Erster! Erst dahinter fächert sich der reiche Fruchtgeschmack auf, der von Gelber Kiwi über kühle (das sollte man unterstreichen!) Steinfrüchte wie Weingartenpfirsich bis zur rosa Grapefruit reicht. Sie liefert final dann noch einen Frischekick, der zusammen mit der Provenienz im Spitzer Graben auch zeigt, wie leichtfüßig und elegant 13,5% vol. daherkommen können. Aber auf den Einzelwert einer Analyse zu schauen, überlassen wir jenen, die auch behaupten, man kann Mineralik nicht schmecken. Nehmt lieber einen „Kalkofen“ 2021!
Bezugsquelle:
FJ Gritsch, Grüner Veltliner „Ried Klaus“ Federspiel 2021 kostet EUR 18,81, der Riesling „Tauseneimerberg“ Federspiel ist um EUR 15,21 zu haben und der Riesling „Ried Kalkofen“ Smaragd 2021 wiederum ist um EUR 40,41 erhältlich, alle bei Vinospirit, www.vinospirit.at