Gleich der erste Stand, den wir beim Australia Day Tasting besuchen, war ein Glücksgriff. Denn die hier vertretenen Weine werden in London von Carson Wines vertrieben – und stellen ein Potpourri des australischen Weinbaus dar. Vom grünen Paprika-Waldmeister-Limetten-Mix des 2015er „Ivory“ von Deep Woods hanteln wir uns aber weiter. Der jugendlich-kräutrige 50-50-Blend aus Semillon und Sauvignon Blanc hat ein wenig zu viel frische, grüne Noten für eine Verkostung im Jänner mitgebracht. Doch Jon Carson hat immerhin auch einen Chardonnay des Margaret River-Weinguts mitgebracht: Zuckerwatte und Pfirsichcreme, dazu etwas Zimtrinde, lassen einen buttrigen Stil vermuten. Richtig, das ist „Neue Welt“-Chardo, wie man ihn kennt – und entweder mag oder nicht.
Der 2015er von „Deep Woods“ kommt schmelziger daher, als es seine 13% Alkohol vermuten lassen; die Vanille-Creme ist ausgeprägt, dazu auch ein Hauch Gewürznelke. „Heavy stuff“, aber ein guter Überstieg in die Rotwein-Welt, die auch hier zum Shiraz und ins Barossa Valley führt. Hentley Farm heißt das Weingut dazu und den Einstieg macht ein Vexierbild, das sich als Illustration des „Villain & Vixen“ versteht: Ein „Bartferdl“, der böse schaut, verwandelt sich in eine schlanke Schönheit. Keith Henschke, der Besitzer der Winery, hätte „so ein Marketing-Ding“, kommentiert das sein britischer Importeur. Doch, was der Hentley Farm-Eigner damit sagen will, ist, dass dieser Shiraz nicht so ein Blockbuster sein will, wie man sie oft im Barossa Valley findet.
Bösewichter und Beauties – die lustigen Etiketten
Die 14% Alkohol kommen in der Nase des tief-dunklen Weins wenig durch, vielmehr mischt sich Sauerkirsche mit Kaffeebohnen und Bockshörndl. Der Kostschluck fällt intensiver aus, saftige Heidelbeere wird aber von Eukalyptus- und Estragon-Noten begleitet. Die gegen Ende immer würziger werdenden Kräuter lassen den 2016er „Villain & Vixen“ dann zu etwas werden, das man mit flüssiger „Sportgummi“ (die aus dem Kino-Buffet).
In der Oberliga hingegen findet sich der zweite Wein, den wir von dem nördlich von Adelaide gelegenen Weingut kosten. Auch hier gibt es eine Dopplung, allerdings hat man dafür zwei separate Flaschen vorgesehen. Denn dem 2015er Shiraz namens „The Beast“ steht auch die Schönheit, „The Beauty“ gegenüber. Mangels Masse bleiben wir aber dem Biest treu und ergeben uns seinem Duft zwischen Tabakblatt und Kastanienlaub. Die erdigen Noten werden von „grünem“ Speck flankiert, etwas Holundersaft und Schokoguss komplettieren die erste Bekanntschaft.
Auf den süßen Beginn dieses 15% starken „Beast“ bereitete nichts vor. Erdbeeren und eine elegante Perlenschnur von einem röstigen Kaffee wechseln sich ab, das Tannin bleibt in der Jugend dieses Shiraz erwartbar markant. Das echte Kennzeichen dieses Hentley Farm bewohnenden Wein-Biests aber stellt das Finale dar: „Vibrant“, nennt es der englische Händler. Das trifft es besser als unser „lebendig“; denn der 2015er vibriert im Nachklang beinahe vor Pfeffer- und Kräuterwürze. Ein echtes Zukunftsversprechen! Da brauchen wir die „Beauty“ gar nicht mehr sehen.
Bezugsquellen:
Deep Woods Estate, Semillon/Sauvignon „Ivory“ 2015 kostet rd. EUR 17, der Margaret River-Chardonnay “Hillside” ca. 22 EUR (je nach Pfund-Euro-Wechselkurs!);
Hentley Farm, Shiraz „Villain & Vixen“ 2016 ist um ca. 23 EUR erhältlich, der Shiraz „The Beast“ 2015 um ca. EUR 88, alle beim britischen Händler Carson Wines, www.carsonwines.com