Wer lange genug Vernissagen besucht hat, weiß um die mediokre Qualität der Häppchen dort. Umgekehrt sind auch Restaurant-Besuche mit Beiprogramm (jemand liest Gedichte, verwirklicht sich im Ausdruckstanz oder spielt Andachtsjazz) weniger vergnüglich als Essen ohne Kulturauftrag. Die Sinne waren also durchaus gespannt, um’s mal so zu sagen, als culinarymeetsart in Wien Station machte. Lustiger Weise an einer Adresse, an der Ihr Trinkprotokollant nie Besseres als Leberkäs-Semmeln gegessen hatte. Denn die Anker-Brotfabrik im 10. Bezirk war immer wieder auch Verlagssitz. Und zeitweilig auch unserer.
Doch diesmal ging es nicht auf Stiege 9 in der Absberggasse, sondern auf Stiege 1, wo Sandra Scheidl sieben Gänge bei leicht instabiler Stromversorgung kochte. Die Bilder und Skulpturen von Alina und Sebastian CiuCiu standen dem gegenüber und inspirierten zwei Gerichte direkt. Und schnell wurde klar, dass es keine verlesene Manifeste, Mitmachtheater oder soziale Anklagen zur Vorspeise geben würde. Im Gegenteil, alle arbeiteten professionell und leidenschaftlich an einer „guten Zeit“ für fünf Handvoll einander Unbekannte.
Service-Schrägstrich-Moderation übernahm Helena Jordan vom Mostviertler Café Capra. Und die Top-Sommelière wußte Angst vor dem Ungewissen zu nehmen. Sie teilt unsere Liebe zu den Weinen Gerhard Wohlmuths und hatte auch den unlängst hier vorgestellten Nebbiolo von Stefano Occhetti in ihrer Weinauswahl.
Und dann war da noch der Champagner, der von der maison Perrier-Jouët stammte. Neben dem Brut hatte man beim Pop up auch den Rosé „Blason“ vorgesehen. Und der kam schon länger nicht mehr ins Glas bei uns, erfreute uns aber immer fast so sehr wie der „Belle Epoque“ aus dem Champagnerhaus in Epernay. Wenngleich sie bei fast allem höchst unterschiedlich sind. Neben dem Preis ist auch die Assemblage gänzlich anders, statt 50% Chardonnay (Belle Epoque) sind es 50% Pinot Noir beim Blason. Der Name mag im Deutschen vielleicht „blass“ klingen, doch die Farbe ist für einen Rosé-Champagner sogar relativ dunkel – ein gutes Zeichen, da beim Pinot Noir offenbar auch ein ordentlicher „Schüppel“ als Rotwein vinifiziert wurde. Die Nase legt jedenfalls von selbst die rosa-rote Brille an, wenn sie Hibiskus, rosa Grapefruit, rote Pfefferkörner und Rote Williamsbirne entdeckt. Damit ist der komplexe Duft noch nicht ausgeschöpft; Hagebutte und auch Roter Apfel ist zu erschnuppern.
Dass da auch im Mund Vielschichtigkeit zu erwarten ist, liegt nahe. Und in der Tat stellte die Pink Grapefruit im Geschmack die Verbindung zum Duftbild her. Ansonsten kommen aber neue Eindrücke wie die leicht süße Saftigkeit von Karotten-Juice auf den Gaumen. Die blumige Fraktion vertritt dieses Mal die Malve, ein Schwung Sauerkirsche ist auch zu merken. Vor allem aber eine fast pikant wirkende Perlage. Sie besteht aus feinen Perlen, die leicht würzig wirken, solange der Perrier-Jouët frisch im Glas ist. Mit mehr Luft und wenig wärmer geworden, zeigt er dann immer rotweinigeren Charme. Eine Entwicklung, die vor allem beim Food Pairing spannend sein kann.
Interessant ist nämlich, dass dieser Schaumwein zwar zum Dessert Sandra Scheidls – einem Milcheis mit Erdbeer-Sud – gereicht wird, aber auch das halbe Menü begleiten hätte können. Vor allem auch den fulminanten Kalbsrücken mit seiner Sous vide-perfektionierten Zartheit. Aber auch den heimlichen Star des Menüs: Kaisergranat in einer Muschel-Dill-Nage, die Kräuterfrische und maritimes Umami zu verbinden wusste. In ähnlicher Weise verbindet auch der Blason Rosé verschiedene Komponenten – leichte Blumigkeit trifft auf gut dosierte, würzige Noten und weinige Frucht. Und so bleibt er auch kurzweilig wie der Kunst//Dining-Abend in der alten Brotfabrik.
Bezugsquelle:
Champagne Perrier-Jouët, Champagne Blason Rosé Kostet EUR 66,90 in den Interspar-Filialen bzw. Online, www.interspar.at