Einfach der Neigung folgen! Aussteiger-Geschichten, die im Weinbau enden, hört man immer gerne. Denn so sehr über Wein geredet wird, schrumpft die Fläche hierzulande doch. Und selbst, wo das nicht der Fall ist, prägen größere Flachen und Zusammenlegungen den ökonomischen Alltag im Weingarten. Wenn dann ein Quereinsteiger dauerhaft Erfolg hat, sich in wenigen Jahren an die magischen 100 Punkte-Weine heranarbeitet, dann hat das schon fast etwas vom Agrar-Märchen. Und im Falle von Saint-Préfert schrieb es eine Frau. Isabel Ferrando war wohlbestallte Bankmanagerin, als der Ruf der Heimat sie vor 20 Jahren zum Branchenwechsel verleitete.
Aufgewachsen im Schatten des Mont Ventoux, in Carpentras, kam für sie nur Wein-Machen im Départment Vaucluse in Frage: „Ce sera Châteauneuf du Pape ou rien“. Klare Ansage! Aber eine mit „happy end“. Madame Ferrando streberte sich in die Materie hinein und mittlerweile sind ihre Weine von der südlichen Rhône Stammgäste in so ziemlich allen Weinkarten. Und mit den Erinnerungen aus der Kindheit – „ich rieche die beinah schwarzen Kirschen und braunen, zart nussigen Feigen“ – ließe sich auch der „Réserve Auguste Favier“ 2019 gut beschreiben.
Als Cuvée aus Grenache und einem ca. 40%-igen Anteil Mourvèdre von sehr alten Stöcken bringt dieser Châteauneuf du Pape einen typischen Vertreter der Region hervor. In dem Sinne, dass bereits der kaum gefüllte, aktuelle Jahrgang enorm zugänglich ist. Anderthalb Jahre reifte der Rotwein in den „demi-muid“ genannten 600 Liter-Fässern, die typisch für die Vallée du Rhône sind. Es sind für den „Charles Giraud“ aber weitgehend neutrale Fässer im Einsatz. So duftet er nach Schokolade, Vanille und Weichseln, vor allem aber straft er die 15% vol. – am Etikett stehen sie –Lügen. Der Gaumen meldet dann schwarze Oliven, Lakritze und Brombeer-Frucht, deren Intensität man so nicht vermutet hätte. Das Reife-Potential dieses 2019er Jahrgangs kann man förmlich mit den Händen greifen. Hier gilt eine alte Rhône-Weisheit: Entweder in den kommenden zwei Jahren trinken. Oder zehn Jahre warten!
Algen, Pfeffer, Burgunder-Glas: „Colombis“ 2019
Ebenfalls schade ihn jetzt zu öffnen, auch wenn das mit viel Genuss möglich ist, wäre der „Colombis“ der gleichen Ernte. Er ist das Flaggschiff des Hauses und wird von Trauben 80 Jahre alter Grenache-Rebstöcke gekeltert. Ganztrauben, also nicht „entrappte“ bzw. mit den Stielen eingemaischte Beeren, sind bei Saint Préferts Top-Weinen Standard und auch hier hält man es so. Reifer Gerbstoff wird dann in einer 18-monatigen Reifephase in großen konischen Holz-Ständern noch harmonischer. Man sucht ihn im fertigen Wein – einem „Jüngling“ aus 2019 – richtiggehend.
Mit tief dunkler Aromatik, irgendwo zwischen Kakao-Pulver, reifen Brombeeren und Heidelbeeren, präsentiert sich der „Colombis“ zum Auftakt. Wie Tinte duftet es aus dem Glas, das wie viele wirklich große Weine auch für einen unerwarteten Eindruck sorgt: Hier erinnert die massive Umami-Note frappant an Algen („Dulse“, wenn es wer genau wissen will). Dieses eigenwillige Duftbild wird im Mund von einer nicht anders als „seidig“ zu nennenden Sinnesqualität aufgenommen: Der Schwarze Pfeffer, der die Frucht begleitet, ist nicht gerieben oder gemahlen, sondern pulverisiert. Pulver-fein würzt er den fragilen Teppich aus Sauerkirsche, der sich da entrollt.
Man muss ein „Caveat“ anbringen: Der „Colombis“ 2019 ist ein Wein für Kenner und definitiv Stoff für das beste Burgunder-Glas im Haus. Die leicht perverse, maritime Würze meldet sich im Abgang auch wieder geschmacklich. Doch von ihr zu schreiben, bedeutet, diesen großartigen Grenache nicht verstanden zu haben: Dass sich keine Komponente hervortut in diesem Edel-Stoff, ist die wahre Sensation.
Spannend gerät bei Saint-Préfert aber sogar der Weißwein: Er stammt aus dem „lieu-dit“ Serres, der biologisch bewirtschaftet wird. Hier reifen Rousanne und Clairette in den 600 Liter-Fässern, wobei es in den kurzen sechs Monaten Lagerung vor allem um Abrundung geht. Der Châteauneuf du Pape „Blanc“ 2020 erinnert an Kaktusfeige, Netzmelone und sonnengereifte Pfirsiche – verbrämt mit einem leichten Rauch-Ton und tropischer Süße. Gelbfruchtig und exotisch zeigt sich auch der Geschmack, der an Mango und Ananas anklingt. Entsprechend gut eignet sich Weißwein Isabel Ferrandos als Begleiter zu Dim Sum, Sashimi oder Garnelen-Curry.
Bezugsquelle:
Domaine Saint-Préfert, „Réserve Auguste Favier“ 2019 ist um EUR 59 zu haben, der „Colombis“ 2019 um EUR 110 und der Châteauneuf du Pape blanc 2020 wiederum kostet EUR 56, – alle bei Pinard de Picard im Web-Shop, www.pinard-de-picard.de