Legendäres aus dem Haut-Médoc ist angesagt: Acht Jahrgänge aus der geringen Produktion des Château Palmer im Vergleich zeigen, wie sehr die Rebsorten des prestigeträchtigen Weinguts ihr Eigenleben entwickeln. Das unterschiedliche Ausreifen von Merlot, Cabernet und des „Problemkinds“ Petit Verdot zeigt sowohl beim Grand Cru, als auch beim „Alter Ego“ gewaltige Unterschiede. In dieser Dichte gibt das entsprechend viel Stoff für Diskussionen – vor allem aber für raren Genuss der verschiedenen „Larven-Stadien“ eines bekannt langlebigen Weines.
Palmer arbeitet seit dem Jahr 2014 übrigens biodynamisch, 2017 hofft man laut Export-Direktor Christopher Myers auf die Zertifizierung als Demeter-Betrieb. Das größte Problem sei in Margaux die Botrytis, erfährt man nebenher über die Umstellungsarbeiten. An der Menge von nur 9.000 Cases vom Grand Cru wird sich also in absehbarer Zeit nichts ändern. Die letzte große Veränderung im Sortiment geht auch schon wieder auf das Jahr 1998 zurück, als statt der bis dahin gefüllten Réserve du Général erstmals der „Alter ego“ gefüllt wurde. Von ihm stehen vier Flaschen vor uns.
Der Jahrgang 2012 des Alter Ego bringt eine kühle Sauerkirsche, offenbar dem hohen Merlotanteil des Jahres geschuldet, mit. Auch würzige Noten wie Ziegelstein oder salzige Sardine finden sich in dem mit 6% Petit Verdot versehenen Blend. „Der wird entweder überreif oder grün“, schildert Myers die Problematik der Sorte, die nichtsdestotrotz viel zur Finesse beiträgt mit ihren würzigen Akzenten. Konkret schlägt er im Finish des 2012ers zu. Der beginnt nämlich eher schlank und erst allmählich wird daraus eine Brombeer-geprägte Fruchtigkeit, die von feineren Kräuter-Noten (etwa Minze) eine Tiefendimension erhält. Die Aromatik nach grünem Pfeffer, unser persönlicher Indikator für Petit Verdot, findet sich dann deutlich im Abgang des jüngsten Weins.
2011 lag der Anteil der mengenmäßig „kleinsten“ Rebsorte bei satten 15%, dem Maximum auf Palmer. Im Duft dominieren die gekochten Frucht- und Gemüseeindrücke, wie rote Rüben und vor allem überreife Erdbeeren. Auch am Gaumen wirkt der 2011er deutlich behäbiger als der Jahrgang 2012; nur zartes Tannin bietet dem fruchtsatten Beerenmix, zu dem sich auch reife Kirschen-Noten gesellen, Paroli. Hier heißt es warten, der Wein scheint sich gerade zu „verpuppen“, um dann vermutlich würziger wieder aus dem Keller zu kommen. Denn irgendwann lassen sich die 15% Petit Verdot nicht mehr verleugnen.
Geräucherter Paprika im Glas – der Alter Ego 2007
Beim 2009er scheint dieser Prozess schon besser verlaufen zu sein, hier hat mit 49% Cabernet-Anteil eindeutig die Mischung aus Johannesbeere und roter Paprika die Führung übernommen. Zumindest gilt das im Duft, der mit Ausnahme von etwas Minze und Majoran von den typischen „Cab“-Noten getragen wird. Saftig am Gaumen, hat auch hier die Johannesbeere viel zur Aromatik beizutragen, allerdings finden sich auch erdigere Töne. Man denkt an Geranien und den Geruch ihrer Pflanzgefäße, doch im Geschmack sind wir ohnehin schon wieder weiter – denn im Finish wird es lang und pfefferwürzig, auch ein wenig schwarze Olive findet sich im Rückgeschmack.
Der reifste „Zweitwein“ (wobei man am Château den Alter Ego als eigenständig betrachtet) setzte auch die Cabernet-Reifung fort, wo 2009 aufgehört hat. Denn zu Brombeere und Pastinake kommt beim Duft des 2007ers auch eine ausgeprägte Note nach Rauchpaprika, dem spanischen Pimenton de la vera, eine Fährte, die der Cabernet legte. Auch die Lorbeer-Akzente sprechen für diese Theorie. Von den immerhin acht Jahren völlig unbeeindruckt, kommt diese Cuvée auf den Gaumen, frisch und mit saftigen Sauerkirschnoten wirkt er direkt leichtfüßig. Kühl und kräftig ist diese Frucht, zu der sich auch etwa Graphit und Tinte gesellen, ehe der Wein lang und würzig ausklingt. Bereits schön zu trinken, aber auch ein Investment, das sich auch nicht-Bordeaux-Sammler und Millionäre fallweise gönnen sollten.
Vom deutlich hochpreisigeren Château Palmer selbst kommt der erste Vertreter aus dem trockenen Jahrgang 2005, das gut 60% weniger Niederschlag als sonst im Bordelais verzeichnete. Die gekochten Fruchtnuancen bestätigen dies, dieser Wein braucht viel Luft, allmählich wird dann auch die Würze präsenter, denn in diesem Jahr war auch der Merlot-Anteil deutlich höher als sonst. 60% stellen das Maximum an der Sorte dar, erst am Gaumen kann der Cabernet ein wenig gegenhalten – er äußerst sich in einer medizinalen Art, die zu Beginn zu den Sauerkirschen und Cranberries dazukommt, im Abgang wird diese Mischung sogar leicht salzig, hier wartet noch eine gute Zeit im Keller auf die Harmonisierung, das Abtragen dieses aromatischen Merlot-Hügels.
Wie groß die Jahrgangssprünge sein können, demonstriert dann der 2004er Château Palmer. Hier kommt der geringe Anteil an Petit Verdot schon in der Nase durch: grüner Pfeffer und Lorbeer nebst einem ganzen Kräuterstrauß setzen sich hier als Würze über die erdig geprägte Fruchtigkeit. Heidelbeeren und Rote Rübe wären am ehesten als Eindrücke zu nennen. Der Kostschluck weist den 2004er auch als weitaus balancierter aus als den ein Jahr jüngeren Margaux. Das Tannin ist merklich, aber nie störend, es zieht sich wie ein herber Faden durch das Geschmacksbild, das von satter dunkler Beerenfrucht (Brombeere in diesem Fall) geprägt wird. Neben der kühlen Ader, die vom Merlot stammen dürfte, setzt aber auch der Cabernet Sauvignon mit seinen jugendlich würzigen Paprika-Noten Akzente. Eine schöne Frühform!
Der typische Palmer – 1999 als Plädoyer für den Blend
Der Wein, den uns Mister Myers als „den typischen Palmer“ ankündigt, stellt zweifellos den im Moment am schönsten zu trinkenden Wein der Probe dar. Château Palmer 1999 beginnt mit einem etwas unruhigen Geruch, in dem Erbsenschoten, aber auch einige „farmyardy smells“ vorkommen. Erst allmählich wird daraus das säurig-fruchtige Bild einer Preiselbeere. Saftig und bei aller Jugend, auf die vor allem die Säurestruktur hinweist, auch schon fast auf den Punkt gereift, wirkt dieser Wein. Vor allem hat der Merlot-geprägte Fruchtbomber von einem Margaux auch eine recht süffige Art aufzuweisen, die einem vielleicht keine ganze Flasche Spaß machen würde, wenn da nicht eines wäre. Der Cabernet Sauvignon nämlich, der ab der Mitte würzig auffrischt und das Kunststück schafft, den fruchtig-herben Merlot im Abgang völlig verdrängt zu haben. Wann er genau die Regie übernommen hat, bleibt unklar, aber das ist große Cuvéetierkunst.
1996 war das letzte Jahr, in dem noch Cabernet Franc mit in den Blend kam, die entsprechenden Weingärten sind seit dem Vorjahr aber gerodet. Interessanter Weise bekommt der erste Wein, der eine zarte Bräunung am Glasrand aufweist, eine unmittelbar mit dem aromatisch „grüneren“ der beiden Cabernet zu assoziierende blättrige Würze im Duft. Das hier ist eindeutig Cabernet-geprägt, wenngleich er eine gewisse Altersmilde mitbringt. Dazu kommen die gern als „pencil shave“ beschriebenen Holzspan-Noten und auch ein gerüttelt Maß an Vanillin. Am Gaumen hingegen dreht das Bild in der Sekunde – nichts wirkt hier gereift, im Gegenteil, eine jugendliche Säure merkt man von Beginn weg. Tatsächlich beginnt dieser Wein nach zwanzig Jahren gerade erst zu leben.
Wer ein Argument für das Château in Margaux (und seine Preise) braucht: Ein besseres gibt es nicht!
Bezugsquelle:
Château Palmer, „Alter ego“ 2012 kostet EUR 92,50, der Jahrgang 2011 EUR 90, der Jahrgang 2009 ist um 118 EUR beim Weinhandel Gottardi & Partner erhältlich; „Château Palmer“ 2005 ist um EUR 498, der 2004er um EUR 299 und die Jahrgänge 1999 um EUR 359 bzw. 1996 um EUR 373 ebenfalls bei Gottardi zu haben, http://www.gottardi-partner.at/