Der Countdown läuft in Sachen Schaumwein. Alles, was aktuell in den Kellern und Flaschen ruht, gehorcht bereits der neuen Nomenklatur. Denn die Ernte 2015, so will es das heimische Sektkomitee, wird nach neuen Regeln gefüllt. Unterschreibt der Minister, dann gibt es eine dreistufige Abfolge, bis hin zu Ortsappellationen beim Winzersekt. Bevor es aber so weit ist, kosteten wir uns am „Tag des Sektes“ durch die heimische Produktion.
Lagensekte, tropenfruchtig und mineralisch-karg
Im Sommer 2015 degorgiert, riecht der 2009er Chardonnay-Sekt vom Wiener Nussberg herrlich reif. Da ist gelber Apfel, aber auch viel Papaya und Tropenfrüchte ganz allgemein in dem von Gerhard Lobner eingeschenkten Glas. Saftig und wieder recht exotisch ist der erste Schluck, Chardonnay im besten Sinne also. Fast möchte man das schon als bekannt (und eh gut) abhaken, als die Kraft der Lage zuschlägt. Würzig, mit auch für Laien deutlich schmeckbarer Mineralik, ist der Wiener Sekt, der gegen Ende eine salzige Ader zeigt, die ihm bei aller Kraft zu Beginn auch Trinkfluss verleiht. Weißer Pfeffer im Rückgeschmack unterstreicht diesen Eindruck vom üppig-würzigen Janus-Kopf von einem Sekt.
Ebenfalls als Lagensekt, konkret aus der „Setz“ in Mittelberg bei Langenlois, ist der Schaumwein vom Grünen Veltliner angelegt, den Alwin und Stefanie Jurtschitsch vorlegen. Allerdings hat er als einer der ersten „Brut Nature“ Österreichs Furore gemacht. Der ohne Zuckerzusatz (Dosage) gefüllte 2009er der „Méthode Jurtschitsch“, wie man das nennt, braucht ein wenig Zeit im Glas. Dann steigen aber schon die säurig-hellen Duftnoten heraus: weiße Johannisbeeren, „Fizzers“, eine grüner Apfel- und Birnen-Mix.
Am Gaumen beginnt der 2009er Brut Nature zart; säurige Ananas schickt er wie einen Vorboten, ehe die herrlich cremige Perlage sich breit macht. Das mit dem „breit“ ist aber nicht wörtlich zu nehmen, denn schon kommen die kühlen, fast ätherischen Noten. Ab dem mittleren Gaumen dominiert diese elegante, von kühler Mineralik geprägte Ader, die lange anhält und sogar im Rückaroma für leicht salziges Prickeln sorgt. Ein Sekt, dem man zuhören wollen muss, könnte man sagen.
Das Schöne am merklichen Qualitätsbemühen, auf das sich große Kellereien und kleinere Sektwinzer (was die Produktionsmenge betrifft: Auch große Weingüter wie Loimer und Bründlmayer fallen gegenüber den Giganten unter „klein“) einigen, ist die Vielfalt. Längst werden so gut wie alle Rebsorten – ein Verdienst von reinsortigen Sekt-Produzenten wie Karl Steininger oder den Szigeti-Brüdern Norbert und Peter – auch in prickelnder Form angeboten. Und auch, wo das im großen Maßstab geschieht, verblüffte die klare Stilistik. Kattus etwa legt eine Serie vor, in der die drei Sorten Welschriesling, Grüner Veltliner und Chardonnay ihre Stärken ausspielen.
Rebsorten-Charakter schlägt durch
Der Vergleich zwischen dem „Brokat Brut“ und der „Cuvée Sophie Kattus“ zeigt zusätzlich auch noch, wie die gleiche Cuvée – wir sprechen von Welsch und Veltliner im Verhältnis 50:50 – unterschiedlich wirken kann. Einziger veränderter Parameter war die Dosage. Und die hebt, so bestätigte der Kellermeister Herbert Pratsch unseren Kosteindruck, immer die aromatischere Sorte mehr hervor. So kommt der Veltliner mit seinem Geschmack nach gelbem Apfel bei der Cuvée Sophie Kattus inmitten der Steinobst-Noten durch und sorgt für einen schönen Trinkfluss. Das kühl-säurige Finish wiederum schließt den Kreis zum Duft der Cuvée, der neben Marille und dem Apfel auch eine rosa Grapefruit- Note aufweist.
Greift man hingegen zum reinen Welschriesling-Sekt, bei Kattus die „Cuvée No. 1“, hat man einen anderen Wein im Glas, dem wir das Prädikat „Triple K“ verleihen: Kalkig, kreidig, karg. Aromatisch ist er nicht klar zu bestimmen, die Perlage ist cremig auch die 10 Gramm Zucker tragen dazu bei, dass er deutlich säuriger und trockener im Gesamtauftritt wirkt.
Den Kontrapunkt setzt hingegen die Jahrgangs-übergreifende Cuvée aus 2011 und 2012, die aus 40% Welschriesling, 40% Grünem Veltliner und 20% Chardonnay assembliert wurde. Die Poysdorfer Chardonnay-Trauben bringen nach dreijähriger Lagerung ihren Charakter klar durch: Tropenfrucht des heißeren Jahrgangs 2011 prägt schon den Duft. Ananas und Papaya strahlen im Glas – und das in der Nase wie auch am Gaumen. Dazu kommt als Dritte in der Tropenfrucht-Trias eine grüne Mango, die mit der schönen Cremigkeit der Grande Cuvée, wie dieser Kattus-Blend heißt, einen guten Auftakt setzt. Die Üppigkeit wird von der kühleren Art des Grünen Veltliners in Schach gehalten, der ab der Mitte klarer durchkommt. Bei aller Reife hat dieser Sekt Raffinesse und Frische – er zeigt aber auch, wie sehr eine einzige Sorte, konkret der Chardonnay, den Blend bestimmt.
Pinot-Pingeligkeit zahlt sich aus
Reinsortig hingegen war der Rosé von Hannes Harkamp, der sich in den letzten Jahren den Ruf des wohl größten steirischen Sekt-Spezialisten abseits der Schilcher-Schaumweine erarbeitet hat. Rotfruchtig und mit den typischen Beeren-Tönen guten Pinot Noirs zeigt sich sein aktueller Brut Rosé. Mit 5,5 Gramm Zucker kommt schon in der Nase die säurige Art durch: Kirsch-P.E.Z-Zuckerl und eine nicht ganz reife Himbeere sind zu merken. Wie bei einem Oszillator hat Harkamp dann zwei aromatische Pole in seinem Sekt zu bieten: Zitruszesten auf der einen Seite, vor allem Grapefruit, wären die eine Seite. Dem gegenüber steht eine frische Himbeerfruchtigkeit, die zeigt, dass man hier die richtige Zeit erwischt hat, die Burgundertrauben für die Versektung zu ernten. Frische, nicht Überreife, lautet das Thema, dem auch der geringe Gerbstoff dient. Im Finale vereinen sich die beiden Seiten wieder zu einem Ganzen, nämlich einem Sekt für Pinot-Freunde.
„Relativ früh geerntet“ wurde auch der Pinot Noir, der dem „Brut Reserve Zero“ einverleibt wird. 40% Weißburgunder und 20% Chardonnay ergeben einen Duft, der Säure-geprägt ist, aber auch einen frischen Mix gelber Früchte evoziert. Pfirsich, wird es dann am Gaumen deutlicher, was da so duftet. Es ist aber eine kühle Variante der Steinfrucht, die zeitweilig schon an die Zitrusfrucht streift. Schön wechselt der „Brut Reserve“ zwischen einer herrliche schaumigen Creme von einem Mousseux und dem trockenen und animierenden Finish. Der 2011 geerntete Steirersekt vereint das Beste aus zwei Sektwelten, die meist als Entweder-Oder wahrgenommen werden.
Suchziel: Schrattenberger Oenotheque-Sekt
Den heimischen „Champagner-Blend“ aus Chardonnay, Pinot Blanc und Pinot Noir pflegt auch Christian Madl, in Fachkreisen längst als exzellenter Sektproduzent bekannt. Der Weinviertler aus Schrattenberg verdiente überhaupt mehr Beachtung. Seine Serie, gekrönt von den (leider nicht mehr erhältlichen) neun und 16 (!) Jahren alten Oenotheque-Sekten, war vermutlich das Ereignis der heurigen Schaumwein-Schau.
Doch zurück zur Burgunder-Cuvée des Jahrgangs 2008, die Madls Premium-Linie anführt. Die auffallend helle „Cuvée Special“ erweist sich bereits im Duft als sehr trocken: Zitronenmelisse und Zesten, vor allem Grapefruit, sind da zu merken. Am Gaumen spielt er dann aber eine bipolare Art aus. Denn zur Säure kommt eine zarte (10,5 Gramm Zucker) Süße, die den auch hier vorhandenen Grapefruit-Noten saftigere Töne gegenüberstellt. Saftige Orange, aber vor allem im Finish auch rote Früchte wie Himbeere, sorgen für ein süß-saures Spiel, das vor allem im Rückaroma auf einen reifen Pinot Noir-Anteil schließen lässt.
Als praktisch heimische Champagner-Spielart würde man den nächsten Sekt, den „Brut Nature“, ansprechen. Brotig, mit deutlichen Brioche-Noten, dazu rotem Apfel un d Himbeere, zeigt der Schaumwein aus Schrattenberg eine Nase, die man im Blind-Test vielleicht einem Bollinger-Champagner zuordnen würde. Der reife Stil dieses 2009er Sekts kommt auch im Mund durch: Rote Früchte und zwar ein ganzer Korb davon, vor allem roter Apfel samt Schale, notieren wir. Der leichte Gerbstoff sorgt im Finish für ein animierendes „Bitterl“, der letzte Druck fehlt eventuell, was die Kohlensäure betrifft. Wer allerdings einen kräftig-weinigen Sekt schätzt, wird den „Brut Nature“ – wieder Chardonnay, Pinot Blanc und Noir übrigens – schätzen. Vor allem als Speisenbegleiter kann er mit etlichen Gerichten mithalten.
Und zum Abschluss der Madl’schen Serie, aber auch unseres Lang-Posts zum heimischen Sekt: Suchen Sie nach den „Oenotheque“-Abfüllungen. Denn wie Winzersekte reifen, zeigte der außer Konkurrenz gezeigte 2006er Christian Madls: 90% Chardonnay und 10% Pinot Noir versprechen einen reifen Fruchtausdruck – und genau das löst er mit Tropenfrucht von fast kitschigem Ausmaß (wie oft schreibt man „Mango-Lassi“ und „braune Senf-Saat“ bei Sekt-Notizen???) ein. Süße Mandarine steht am Beginn, ein Spiel zwischen reifer Frucht und Säure folgt, das sich am Ende zu einer an Topfen-Frucht-Desserts erinnernden Creme vereint. Und mineralisch im Nachklang ist das reife Wunderwerk auch noch. Doch genug der langen Zähne: Es gibt noch genug Winzersekt da draußen – holen wir ihn doch herein!
Bezugsquellen:
Mayer am Pfarrplatz, Chardonnay-Sekt „Nussberg Brut“ 2009, ist um EUR 21,90 ab Hof erhältlich, www.pfarrplatz.com
Weingut Jurtschitsch, Brut Nature 2009 kostet EUR 20,53 bei der Vinothek Fohringer, www.fohringer.at
Kattus, „Cuvée No. 1“ ist um EUR 14,99 bei Wein&Co. zu haben, die Cuvée Sophie Kattus gibt es (leider) nur für Gastronomen um EUR 6,99 (netto) und die „Grande Cuvée“ ist um EUR 19,99 bei Wein&Co. erhältlich, www.weinco.at
Hannes Harkamp, Brut Rosé ist um EUR 16, der „Brut Reserve Zero“ 2011 um EUR 21 erhältlich, beide ab Hof, www.harkamp.at
Sektkellerei Christian Madl, Cuvée Special Brut 2008 kostet EUR 16,70 und der Brut Nature 2009 EUR 16,90, jeweils ab Hof, www.madlsekt.at