Premiere feiert bei der Verkostung in Schloss Grafenegg die ersten Weine gemäß der ÖTW-Lagen-Klassifizierung aus Carnuntum. Endlich also Rotwein, der sich dem Herkunftsprinzip der Donauraum-Winzer unterzieht. 2018 hatten wir die damals noch Anwärter auf den ÖTW-Status verkostetet. Es stach – nicht unerwartet – der Spitzerberg als Top-Boden heraus. Speziell die Blaufränkischen hatten hier einen dunklen Würzeton, der an die Oliven-Paste Tapenade erinnert und auch dem Beitrag der damaligen Weinprobe (hier steht er) den Titel gab.
Mit den 2017ern der Probe bestätigte sich dieser Eindruck einmal mehr. Es ist ein echter Terroirwein, der hier gedeiht, quer über die Ausbau-Weisen der Weingüter, und damit genau das, wofür der ÖTW-Einser am Etikett steht.
Wieviel Seitenaufrufe mehr das Weingut Glock nach Johann Gudenus‘ russischer Übersetzung von „Pistole“ im Ibiza-Video erhielt, ist unbekannt. Aber auch unwichtig. Denn sein Blaufränkisch „Spitzerberg 2017“ ist ein eigenes Geschoss. Lorbeer, Wacholder und schwarze Olive bilden in dieser Lage eine fast schon Eisenberger Würz-Mischung. Doch wir sind in Carnuntum und nicht im Südburgenland. Der satte Duft, in den sich auch das Adlerholz (oud) mischt, hat am Gaumen eine deutlich frischere Entsprechung. Pikant und cremig zugleich, bringt der Wein Günther Glocks Herzkirschen und Graphit, aber auch säurig-pikante Töne á la Rote Paprika mit. Es ist einer dieser Weine, der alles hat – und von seiner lebendig-würzigen Ader wie mit einem Vektor in eine lange Zukunft getragen wird.
Christian Dietrich wiederum bringt bei seinem Blaufränkisch „Spitzerberg 2017“ eine an Malven und Gewürznelken erinnernde „rote“ Duftigkeit hervor, die von Beginn weg animierend wirkt – und das in der Jugend schon. Die Würze spart sich dieser Wein für den Gaumen auf. Dann aber wirkt er wie Harissa aus der Tube, die feine Kreukümmel-Note schält sich aus dem vollmundigen Fruchtcharakter. Der Kern aus dunklen Beeren (Hollunder, Brombeere) wird im Finish von Kampot-Pfeffer begleitet. Das ist ein echter Erd-Geborener mit großem Potential (und einer Kaufempfehlung von uns)!
Spannend war auch anderswo zu sehen, wo der Lagencharakter direkte Vergleiche ermöglichte und wo dann die Winzerhandschrift eigene Akzente setzte. Die beiden „Rosenbergs“ von Walter Glatzer und Martin Netzl aus dem Jahr 2017 sind dafür ein gutes Beispiel. Netzls Cuvée hat den gleichen, kräftigen Alkohol (14%), bringt aber einen expressiven Duft mit, in dem sich fast selchige Noten mit Cola-Nuss (für heimische Botaniker: Eberraute) und ordentlich Schwarzer Johannisbeere vermengen. Im fruchtsüßen Antrunk eines fülligen Beeren-Mix‘ liegt durchaus Charme; die Vanille als Begleiter und ein Rest von Gerbstoff macht diesen Wein zu „Everybody’s Darling“. Man könnte auch sagen: ein überaus trinkanimierender Blend vom Rosenberg mit Niveau.
Hell und offen fällt dagegen der Duft von Glatzers Cuvée aus: Rote Früchte mit herbe-erdiger Grundierung, also Cranberry, Sauerkirsche und etwas Rote Rübe sind zu riechen. Die Vanille des Holzausbaus wird hier von einer jugendlichen Säure konterkariert. Kühle Töne und wieder die saftigen Preiselbeeren kommen auf den Gaumen; den Schluss setzen Zedernholz und Graphit mit einer dunklen, tiefgründigen Würze. Hier braucht man das große Potential nicht vermuten – es ist offensichtlich.
Bezugsquellen:
Weingut Glock, Blaufränkisch „Spitzerberg 2017“ kostet EUR 22 ab Hof (keine Web-Seite!)
Weingut Dietrich, Blaufränkisch „Spitzerberg 2017“ kostet EUR 22 ab Hof, https://weinbau-dietrich.com
Hans & Martin Netzl, Cuvée „Rosenberg“ 2017 kostet EUR 25 ab Hof bzw. im Online-Shop des Weinguts, www.netzl.net
Walter Glatzer, Cuvée Rosenberg 2017 kostet EUR 24,50 ab Hof bzw. im Online-Shop des Weinguts, www.weingutglatzer.at