Chassagne-Montrachet, Vosne-Romanée oder Corton-Charlemagne – die magischen Namen der burgundischen Appellationen waren alle versammelt. Und die Zauberworte klangen nicht nur schöner, wenn sie Véronique Drouhin aussprach, sondern sie wurden wie alte Freunde vorgestellt. Die Winzerin aus Beaune stellt schließlich auch die vierte Generation des Hauses Joseph Drouhin dar, das ihr Urgroßvater gegründet hat. Eigentlich startete Monsieur Joseph als Buchhändler, ehe der Traubenankauf und Weinverkauf dazu kam. Den bekanntesten Weingarten „Clos des Mouches“ kaufte aber der Opa (Maurice Drouhin) vor über 100 Jahren an. Vater Robert Drouhin wiederum startete das Engagement im Chablis, wo man heute 38 Hektar von insgesamt 93 Hektar Eigenfläche hält. Er begann aber auch die Umstellung auf Bio-Landwirtschaft, die sein Sohn Philippe Drouhin als Weingartenmanager heute biodynamisch weiterentwickelt.
Entsprechend macht auch ein Chablis des Jahrgangs 2021 den Anfang der Verkostung im Keller von Schlumberger. Kreidestaub ist die erste Assoziation, wenn man in den Wein hineinriecht; Orangenblüte, eine jugendlich-frische Birne, aber auch eine klare mineralische Prägung ließen sich ergänzen. Druckvolle Frische und eine leichte Kräuter-Anmutung machen ihn am Gaumen aus. Doch vor allem die engmaschige und säurige Art des Chablis wirkt wie ein Sturzbach, der Zitrusfrüchte mit sich führt. Die Frage, die Philippe Drouhin gerne zu diesem Wein stellt, drängt sich in der Tat auf: „Wo sind die Austern“?
Während Véronique Drouhin Anekdoten wie diese, Familiengeschichte und den Stil des Hauses schildert, wird weiter Weißweine verkostet. Am Ende steht der Corton-Charlemagne 2018 als eine Art flüssiges Sesambrot mit Serrano-Schinken. Die Würze und die Säure sind hier nicht nur im Einklang, sondern bereits im Duft präsent. Nicht nur als weißer Sesam und Dim Sum, sondern auch in Form getrockneter Kapern und einem reduktiven Geruch, den man mittelalten Österreichern am besten mit „Munitionsstreifen aus dem Kapselpracker“ beschreibt. Das will man einfach trinken!
Und der 2018er Grand Cru enttäuscht nicht. Salzig und wunderbar würzig lässt sich dieser Corton-Charlemagne an. Beeindruckend ist vor allem der Hall, denn er packt dann noch eine Schippe drauf und verstärkt alle bisherigen Eindrücke. Für Véronique Boss-Drouhin (so der volle Name der Winzerin) ist es schlicht „einer der größten Weine Burgunds“. Wir radebrechen begeistert: „C’est vrai“!
Drouhin gehört seit jeher zu den Häusern mit einem eher geringen Anteil an Barriques. Maximal 40% neues Holz kommt zum Einsatz, gerne verzichtet man ganz auf Holzeinsatz. Dafür achtet man aber auf minimale Tannine, wie Véronique erzählt: „Das Holz wird bei uns auf der Domaine gelagert, bis mein Bruder es für ideal für die Küferei erachtet“. Diese intensive Kontrolle zahlt sich aus, wie etwa der Savigny-Les-Beaune 2017 zeigt. Der wunderbar helle Pinot Noir erfreut Burgunderfans schon mit der Farbe, die im Kontrast zum intensiven Duft nach getrockneter Kirsche, Hibiskus, Magnolienblüten und Schwarztee steht. Die dunkle Würzigkeit, die fast schon an Trüffel anstreift, steht dieser zurückhaltenden Frucht gut – vor allem, da sie ein typisches „Stinkerl“ auch noch bekrönt.
„In den 1980ern waren wir aus der Mode, weil wir keinen intensiven Barrique-Einsatz mögen. Doch als Familienunternehmen blieben wie dem Stil treu“.
Véronique Drouhin, Winzerin
Am Gaumen hat dieser Rotwein Zug, wirkt mit seiner kühlen Brombeerfrucht aber fast „austere“. Etwas Orangenzeste und Kreide ist auch zu spüren, der Gerbstoff ist fein (10% neues Holz verwendet man im Keller) und erinnert an den Nachgeschmack von Tee. Hier darf man getrost noch zuwarten, was für die meisten Weine gilt, die Véronique Drouhin mitgebracht hat. Etwa auch für den vielleicht schönsten Pinot Noir der Probe, den 2018er Nuits-Saint-Georges. Es mag nur ein „Villages“, eine Ortsappellation, sein, doch dieser Wein überrascht mit seiner Frische, die bisweilen sogar Sesam in der Nase aufweist wie bei einem Weißwein. Dazu kommt eine offene, rotfruchtige Art, die schon wie ein Früchtetee intensiv wirkt. Neben Malve ist aber auch das das „Stinkerl“ da, das Vorfreude auf den Kostschluck macht.
Der fällt druckvoll aus, dieser 2018er hat auch ordentlich Tannin für einen Pinot Noir, man denkt bei der zartbitteren Note an Walnüsse. Auf der Fruchtseite sind es getrocknete Zwetschken, Heidelbeeren und – etwas dezenter – Brombeeren, die man schmeckt. Beeindruckend ist der Nachklang, der eine ganze Sammlung an „hard spice“ (Nelke, Piment) aufweist. Es ist ein großartiger Wein, dessen Potential noch nicht ganz geweckt, aber deutlich absehbar ist.
Der burgundische Preis-Leistungstipp
Vor allem zählt der Nuits-Saint-Georges auch zu den leistbaren Burgundern (also jenen ohne dreistelligen Preis😉). Madame Drouhin erwähnt dies explizit („Wir wollen, dass unsere Weine auch getrunken werden“) und hat einen weiteren Tipp für Pinot-Freunde mit kleinem Budget. Er heißt relativ schlicht „Côte de Beaune“ und stammt aus dem Jahrgang 2018. Man muss dazu aber das Zauberwort „declassé“ verstehen. Denn der Wein, dessen Trauben ausschließlich aus Beaune selbst stammen, wurde „abgewertet“. Im Klartext bedeutet das, dass man es mit hochwertigem Lagenmaterial zu tun hat. Allerdings sind es vielfach jüngere Rebanlagen, die dafür aber etwa aus dem mythischen „Clos des Mouches“ stammen.
Der Duft nach Erdbeeren, eingekochten Weichseln, Bitterschoko und etwas Gewürznelke stapelt hier tief, auch er ist da etwas „declassé“. Doch im Mund zeigt der 2018er alles, was Burgunder-Trinker lieben: Balance, einen eleganten Mix aus roten Früchten, die säurige Anteile ebenso wie seidig-fruchtige Exemplare aufweisen. Ein animierendes Gerbstoff-Quäntchen bringt wieder die Assoziation zu Tee mit sich, rundet diesen Einsteiger-Pinot Noir aber perfekt ab. Danke für diesen Tipp, Mme. Boss-Drouhin!
Bezugsquelle:
Joseph Drouhin, Chablis Village 2021 kostet EUR 38, der Corton-Charlemagne 2018 ist um EUR 210 zu haben, eine Flasche Nuit-Saint-Georges 2018 kostet aktuell EUR 65, der Savigny-Les-Beaune 2017 EUR 59 und der Côte de Beaune Rouge 2018 ist (in Restmengen) um EUR 45 erhältlich – allesamt über P. M. Mounier, www.topspirit.at