West-Australien ist eine eigene Welt. Selbst die motiviertesten Fahrer, die einen in Perth auflesen, nennen die Strecke nach Margaret River „unspektakulär“. Drei Stunden später kommt man dann in einer Weinbauregion an, die sich selbst gerne als isoliert darstellt. „Wir sind nicht Teil einer allgemeinen australischen Wein-Konversation“, formuliert Virginia Willcock es gleich zur Begrüßung. Tatsächlich ist der an drei Seiten vom Meer umschlossene Zipfel ein Baby in der Geschichte des Weinbaus „down under“. Während man etwa in Barossa stolz 140 Jahre alte Rebstöcke zeigt, startete hier alles 1967.
Vor 30 Jahren kamst Du zum Surfen, Dope-Rauchen oder Weinmachen nach Margaret River. Für mich zählte immer das Letztere.
Virginia Willcock, Vasse Felix
Willcock führt als Chief Winemaker die Produktion der „founding winery“ weiter. Denn begonnen hat – nach ausführlichen Bodenanalysen und günstigen Prognosen für Wein – alles mit Ärzten, die hier zunächst ein Hobby pflegten. Der bekannteste war Tom Cullity, der „Vasse Felix“ gründete. Damit begann vor 51 Jahren auch in Margaret River das Wein-Zeitalter. Die Zeit wurde allerdings nicht nur bei Vasse Felix gut genutzt: Trotz des relativ kleinen Gebiets, das nur 2% der Wein-Ernte des Fünften Kontinents stellt, kommt ein Fünftel der australischen Top-Weine aus Margaret River. Und deshalb rebelliert man auch gegen die staatliche Wein-Steuer; die „wine equalisation tax (WET) wird nämlich vom Wert des Weins berechnet. Massenproduzenten zahlen also praktisch nichts, ärgern sich Winzer wie Clare und Keith Mugford (Moss Wood) und führen den lokalen Protest dagegen an. Recht haben sie!
Wenn Virginia Willcock bei ein paar österreichischen Anekdoten (ihr Mann war Praktikant bei Albert Gesellmann, einem guten Freund) einschenkt, versteht man den Qualitätsanspruch. Ort des Geschehens ist das Restaurant des Weinguts, für das Brendan Pratt zwei „Hauben“ erkochen konnte. Gemeinsam mit der Galerie im ursprünglichen Weinkeller hat Vasse Felix-Eigentümer Paul Holmes à Court das Gut zum Gesamt-Kunstwerk ausgebaut. Wir starten in Rot – ein Cabernet zum Start soll auch zeigen, dass man hier einen anderen Blick pflegt. Zudem hat man das Portfolio auf den beiden Sorten Chardonnay und Cabernet Sauvignon aufgebaut. An der Spitze stehen jeweils die „Icons“, der „Heytesbury Chardonnay“ bzw. seit kurzem der „Tom Cullity“, eine Selektion aus den ältesten Cabernet -Trauben mit Malbec-Anteil.
Der 2014er „Tom Cullity“ bringt neben den am Etikett angeführten Blend-Partnern auch noch 4% Petit Verdot mit, geprägt wird er aber von 80% Cabernet der Cuvée. Wie mittlerweile 80% der Weine, wurde auch dieses rote Flaggschiff spontan mit Weingarten-eigenen Hefen vergoren. Der Duft erinnert an Blumen, Lavendel und kandierte Veilchen sind die ersten Assoziationen. Dazu kommen eine intensive dunkle Beerenmischung und Vanille. Der erste Schluck bringt die Fruchtsüße von Heidelbeeren auf den Gaumen. Diesem nachdrücklichen Erstkontakt folgt eine zarte Würze, die im Trinkverlauf zum Gestaltwandler mutiert: Mal denkt man an Paprikapulver (edelsüß), dann kommen wieder die Sekundäraromen, vor allem Vanille, durch. Bei aller Kraft der 14,5% Alkohol stellt sich eine kühle Stilistik ein, die reichhaltige Frucht, aber nie kitischige Eindimensionalität mitbringt. Ein perfekt gemachter Blend, der auch in fünf Jahren noch viel Freude macht – nur leider in Europa kaum zu bekommen ist.
Für Chardonnay sieht es besser aus, auch einige deutschsprachige Händler führen den „Heytesbury“, dessen aktuellen Jahrgang 2016 Virginia Willcock einschenkt. Der herrliche Sesam-Duft leitet diesen Spitzen-Weißen ein, dass es kein 08/15-Ausdruck dieser Sorte sein wird, signalisieren reife Schwarze Johannisbeere und in Butter gebräunter Banane. Ergänzt wird das Bouquet von einem Touch Thymian, Feuerstein und Toastbrot. Gerundet und sanft präsentiert sich der 2016er zu Beginn, da hat der Fruchtmix aus Nektarinen und Gelber Kiwi das Wort. Doch das bleibt nicht so, denn die Kunst beim „Heytesbury“ liegt in der Mischung aus Frische, die mit zitrusfruchtiger Klarheit auf den Gaumen kommt, und seinem exotischen Schmelz. Immer enger werden die Räume gegen den Abgang hin; da regiert dann die Grapefruit.
Aber es spielt sich viel mehr ab: Heller Tabak erinnert an die Fass-Lagerung (und auch vergoren wird in Barriques), der bemerkenswerte Zug ist aber die Würze. Safran, Weißer Pfeffer und Piment tollen in einem fröhlichen Wechsel mit der intensiven Frucht am Gaumen. Grandiose Burgunder-Kunst, nur eben von der Brise des Indischen Ozeans geküßt.
Bezugsquellen:
Vasse Felix, Cabernet-Malbec „Tom Cullity” 2014 ist um ca. EUR 97 beim Schweizer Fachhändler Ruttishauser zu haben, www.rutishauser.com
Vasse Felix, Chardonnay Heytesbury 2016 ist um EUR 56,90 bei Belvini erhältlich, www.belvini.de