Mit den Namen ist es ein bisserl verwirrend bei der Domaine Berthoumieu. Denn die Berthoumieus gibt es im 25 Hektar-Weingut im südwestfranzösischen Viella schon lange nicht. Es war die Familie Barré, die sich um das 1850 etablierte Weingut verdient machte. Didier Barré vor allem hat sich als Bannerträger eines neuen, zugänglicheren Madiran-Stils etabliert. Noch vor seinem Tod gelang ihm die Weichenstellung für die Zukunft dieses Lebenswerks: Claire und Marion Bortolussi, Winzertöchter aus dem Ort, übernahmen 2017 die Aufgabe.
Und eine solche ist es, die Rebsorte populär zu machen, die am Weingut die erste Geige spielt: Tannat. Es gibt meist nur einen Wein mit dieser Sorte, den Einsteiger kennen. Er heißt „Château Montus“. Als wir ihn das erste Mal ins Glas bekamen (das ist ein paar „Monde“ her), lautete die Trinkanweisung in der Tat: „Normal wartet man, bis er 12 Jahre gereift ist“. Mittlerweile hat sich die gesundheitsfördernde Wirkung des Stoffes Resveratrol herumgesprochen. Und er hat seine höchste Konzentration im Tannat. Jetzt müßte nur der Wein damit auch noch schmecken! Schließlich will man sein Herz ja nicht erst in 12 Jahren stärken.
Die alten Vorurteile waren allerdings auch begründet und sie liegen in der Gerbstoff-Struktur des Tannat. Mit ihm muss man sich auseinandersetzen, wenn man einer ungeduldigen, jungen Klientel, die am Handy wischt, die Sorte des Madiran schmackhaft machen will. Das wissen die Bortolussi-Schwestern auch und setzen gezielt auf Mikrooxidation im Fass. Der laufende, aber minimale Sauerstoff-Eintrag schleift die notorisch herbe Rebsorte kontinuierlich wie einen Bachkiesel. Dem „Tanninmonster“ stellen sie sich auch beim „Aulet“ und dem „La Fé“, doch beide reinsortige Tannats erzählen nicht so stark von „le sud-ouest“ wie ausgerechnet ein Cuvée.
Bei „Constance“ wurde der Anteil des Tannat auf 65% zurückgefahren. Neben der zweiten klar im Département Gers zu verortenden Sorte Pinenc (mit 5% des Blends) sind es Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon, die nachrückten. Der kumulierte 30%-Anteil dreht das Parfüm der „Constance“ aber in eine spezielle Richtung. Der Name selbst führt übrigens zum berühmtesten – wenn auch fiktiven – Landsmann von Claire und Marion Bortolussi. Denn der „Gascogner“, wie d’Artagnan in „Die drei Musketiere“ als deren vierter Mann eingeführt wird, stammt natürlich aus der gleichen Gegend wie diese Cuvée. Doch nicht nach dem Landei, das in Paris zum Kämpfer reift, sondern nach seiner Herzensdame Constance Bonacieux wurde der Wein benannt.
Er soll eben auch so charaktervoll sein wie die Vertraute der Königin in Alexandre Dumas‘ Roman-Hit. Dieser Wunsch der Winzerinnen geht beim Jahrgang 2021 jedenfalls auf!
So wie am Korken „Vignobles du Sud-Ouest“ gedruckt steht, so klar erzählt auch der erste Duft von der Heimat dieses Rotweins. „Garrigue“ nennt man diese Mischung aus kräutrigem Unterholz in der Weinsprache gerne – hier hat man sie in Reinkultur. Wermut, Wilder Thymian und etwas (grüner) Wacholder lassen sich erkennen. Roter Kampot-Pfeffer bringt noch mehr Würze, diesmal aus der Ferne, in das Duftbild ein. Dann setzt der Reigen der Früchte ein. Sehr dunkel sind sie, die Gerüche von Heidelbeere und Rum-Zwetschken. Da passt als „Drüberstreuer“ auch die Kochschokolade.
Wer nun die schallende Ohrfeige eines Gerbstoff-reichen Madirans erwartet, wird überrascht. Denn am Gaumen stehen erst die roten Früchte, und zwar solche mit herb-säuerlichen Eindrücken im Vordergrund. Cranberry und vor allem Sauerkirsche machen sich breit, bis ein fast schräger Würzeton den Reigen der Frucht beendet wie ein Pausensignal. Pfeffrige Würze erinnert mit leichter Pikanz an Fenchelsalami (ja, wirklich!). Mit diesem Weckruf der Gewürze geht der „Constance“ 2021 in das Finale. Die pfeffrigen Akkorde setzen sich fort, etwas Pikanz kommt dazu, doch dann übernimmt das jugendliche Feuer des Cabernet-Duos: Eine richtige Welle der Garrigue-Noten ballt sich da zusammen. Mit dieser doppelten Dosis Frische, aus säuriger Frucht und Kräutergeschmack, zerbirst das letzte Vorurteil vom unzugänglichen Tannat. Diese Cuvée ist der Stoff, die man im Haus haben will, wenn eine Pasta mit Fleischsugo (vorzugsweise: Reh, Wildschwein oder Lamm!) aufgetragen wird. Oder wie d’Artagnan über diese zeitgenössische „Constance“ sagen würde: Als Rotwein ist sie einer für alle!
Bezugsquelle:
Domaine Berthoumieu, „Constance“ 2021 ist um EUR 10,90 beim Frankreich-Spezialisten Pinard de Picard im Versand erhältlich, www.pinard-de-picard.de