Ungewöhnliche Brände sind in Autignac bei Béziers, das wieder in der Gegend von Montpellier liegt, das tägliche Handwerk. Das Atelier du Bouilleur (soviel wie: „Werkstatt des Sieders“) arbeitet vor allem mit den biodynamischen Winzern der kleinen Weinregion. Martial Berthaud baut dabei auf die Weinbrände auf, die er aus den Sorten Grenache, Syrah, Carignan, Cinsault und Mourvèdre erzeugt. Der Klassiker der Region, der bereits 1948 als erstes Eau de vie des Languedoc eine Herkunftsbezeichnung (AOC – Appellation d’origine contrôlée) erhielt, ist dabei der „Fine de Faugères“. Er erinnert entfernt an Cognac, wobei die Mindestlagerung im Pays d’Hérault fünf Jahre beträgt, die Brennblase gleicht der in der Charente für den weitaus bekannteren Cognac verwendeten. Allerdings ergibt die meist auf Schieferboden gewachsene Rebsorten-Vielfalt ein anderes Geschmacksprofil als die Ugni Blanc-Traube weiter nördlich. Mengenmäßig haben wir es aber mit einer Rarität zu tun, keine 4000 Liter werden vom „Fine de Faugères“ heute erzeugt, so die Schätzung der Gemeinde Faugères.
Wir haben also eine Rarität im Glas, aus dem es nach Orangen und Haselnuss riecht, die süße Vanille, die sich dazwischen mengt, lässt fast an einen Rum denken. Doch am Gaumen meldet sich dann die Traube im Destillat: Mild und rund, vor allem aber mit der deutlichen süß-nussigen Weinbrand-Note kommt der Fine de Faugères auf die Zunge. Elf Jahre gereift und mit 43,5% Alkohol abgefüllt, so die Eckdaten, ruht das Destillat in sich und wäre auch seiner Milde und der immer präsenten Haselnuss-Note wegen ein perfekter Brand zum Kaffee.
Doch zuvor gibt es ein würziges „Hauptgericht“ in destillierter Form: Wie Grünes Curry riecht der „La Verveine“ von Martial Berthaud. Dazu entdecken wir im Eisenkraut-Mazerat (Basis ist wieder Weinbrand) Zitrone und Zitronengras, dazu auch eine an Marc erinnernde Weindestillat-Note. Dass in Frankreich „Verbene“ als Tee getrunken wird, gab dem Brand den Spitznamen „Tee mit 40 Volumsprozent“. Tatsächlich erinnert der Schluck an die italienischen Weinrauten-Grappe (grappa alla ruta) mit ihrer frischen und grünen Aromatik. Irgendwo zwischen dem Hermés-Duft „Jardin sur le Nil“ und dem Oregano, der die Pizza würzt, schmeckt dieses eigenwillig-große Destillat, das mit einem herben Kräuterfinish ausklingt.
Für uns als bekennende Lavendel-Skeptiker stellte aber das Destillat mit den provençalischen Blüten die größte Überraschung dar. Denn der „Lavodka“ zeigt zum einen einmal klar den Qualitätsanspruch des „Bouilleurs“: Getrockneter Lavendel bringt immer auch bittere Noten zu seinem an sich meist überdosiert-penetranten Aroma mit. Hier kommen aber frische Blüten in die kleine Produktion. Da sind dann plötzlich Duftnoten wie Brombeere, kandierte Früchte und etwas Schoko-Brownie zu erschnuppern. Der Lavendel tritt in der Nase zurück und das allein zeigt die feine Hand. Am Gaumen wird die Blüten-Note deutlicher, es ist eine würzige Lavendel-Version, die man schmeckt, weit entfernt von jeder Seifigkeit. Ein technisches Geheimnis stellt die sanfte Schleppdestillation im Geistkorb dar; die Blüten kommen in einem Sack in den Alkoholdampf, wie einen Riesen-Teebeutel darf man sich das vorstellen. Somit bleibt der Lavendel zwar unverkennbar, er ist aber soft und fast elegant, mit leichter Süße zu Beginn und dem zart pfeffrigen Finish der 40 Volumsprozente.
Wer den Bisongras-Vodka schätzt, für den gibt es auch eine Mazeration von Ruchgras, den „Le Flouvovin“ aus Autignac. Und das gleiche Spiel treibt Monsieur Berthaud mit Wacholder. Gin darf er das zwar nicht nennen, weil sein eigener Alkohol zu niedrig für die strengen Gesetzeshüter der EU ist. Aber die Aromatik – Traubenkirsche und Wacholder im Duft, ätherisch-frische Minz- und Himbeernoten im Mund – das „wacholderisierten“ Weinbrands würde man sich international öfter in dieser klaren, weichen und (muss man gestehen:) süffigen Form wünschen.
Bezugsquelle:
L’Atelier du Bouilleur, „Fine de Faugères“ sowie die erwähnten aromatisierten Versionen sind jeweils um EUR 50 (0,5 Liter-Flasche) bei der Vincaillerie erhältlich, https://la-vincaillerie.de