Wann ist eigentlich der Südtiroler Wein aus der Wahrnehmung verschwunden? Irgendwann war man die roten Massenweine (Kalterer See, um ein Stichwort für ältere Semester zu geben) leid bzw.konnte dieses Geschäft auch selbst gut besorgen. So weit eine These. Die weniger böse Lesart hängt damit zusammen, dass man sich als patriotischer Trinker auf den Aufbau des heimischen Weinbaus konzentrierte – und da braucht man keinen Importwein. So oder so, gilt dieser Fluch aber vornehmlich dem Roten. Dass Südtirol oder Alto Adige, wie die „Welschen“ sagen, auch auf dem Weißwein-Sektor eine Macht darstellt, ganz abseits der Nischen-Sorte Traminer, wissen viel zu wenige. Und wem die Vorrede zu polemisch/einseitig/dick aufgetragen war, mache die Gegenprobe in einem Restaurant seiner Wahl: Wieviel weiße Südtiroler (Traminer gilt wie gesagt nicht) führt die Weinkarte auf?
Insofern war die Freude auf ein Wiedersehen mit Hans Terzer groß, als er dieser Tage im Palais Coburg die Weine der Kellerei St. Michael-Eppan einschenkte. Denn auch wir haben sie schon gut fünf Jahre nicht mehr gekostet – und Kellermeister Terzer ist das Gegenteil eines Geheimniskrämers, weshalb auch das Gespräch mit ihm immer aufschlussreich ist. Etwa, wenn die Rede auf die Rekordsommer in Südtirol und ihre Auswirkung auf die Lese kommt. „Da riskiere ich lieber mehr Alkohol“, ist zu früh geerntetes Traubenmaterial nichts für ihn. Dafür kann die Kellerei mit ihren Vertragswinzern sich mehr „spielen“, wenn es um höhere und tiefere Lagen geht – kennen muss man sie halt. „Und das sollte ich nach 39 Ernten auch“, so Terzer extra dry.
Die Premium-Linie der auf 340 Winzer aufbauenden Genossenschaft nennt sich Sanct Valentin – und ihr Weissburgunder aus dem Jahrgang 2013 macht den Anfang. Der Wein zeigt, was mit dieser Sorte möglich ist, wenn man mit dem Fass-Holz zu spielen versteht: 50% wandern in große Fässer, der Rest ins Barrique, ehe nach elf Monaten mit der Cuvéetierung der beiden Chargen begonnen wird, die zur Harmonisierung ein weiteres Halbjahr im Stahltank ruht. Die Sorte selbst hat eine Hochburg in Eppan gefunden, wie Hans Terzer beim Einschenken verrät. Seine zweite Bemerkung, dass 2013 in Südtirol ein gutes Weißwein-Jahr darstellte, kann man bereits im Duft nachvollziehen: Kräftig, mit ausgeprägter Karamell-Note, aber immer noch finessenreich, was Kräuter-Einschlüsse im Geruch betrifft, ist der Weißburgunder. Der erste Schluck zeigt einen saftigen, aber nicht „fetten“ Wein, der irgendwo zwischen Mango und Nektarine oszilliert. Das zarte Gerbstoff-Bitterl, das momentan im Abgang noch da ist, stört nicht, im Gegenteil, es sorgt für eine gewissen Trinkfreudigkeit dieses fruchtsatten Verkostungsauftakts.
50 Hektar stehen Hans Terzer allein vom Sauvignon Blanc zur Verfügung, das Flaggschiff wird in 130.000 Flaschen gefüllt. Das ist insofern von Belang, weil dieser Wein der Kellerei als Seriensieger der „drei Gläser“ (tre bicchieri) des Weinführers Gambero Rosso zu den höchstprämierten Weinen Italiens gehört. Tatsächlich findet sich hier die tropenfruchtige Richtung der Sorte, grasig ist gar nichts am Duft des Sauvignons: Maracuja in Reinkultur, dazu auch eine ebenfalls zwischen süß und sauer pendelnde Note von gelber Paprika prägen den Duft, in den sich auch eine zarte Mineralik mischt. „Er wächst auf Kalkschotter“, meint Terzer zwischendurch und erklärt so zu einem gewissen Grad die würzige Art dieses Sanct Valentin. Auch am Gaumen kommen die saftigen Nuancen durch, jeder Schluck animiert zum nächsten, die große Zeit dieses Weins, einem 2014er, kommt aber erst. Dass er trotz seiner Provenienz von vielen Winzern Lagencharakter habe, bestätigen auch die steirischen Kollegen – „ich bin mit allen im Austausch“ – die ähnlich gebaute tropisch-muschelkalkige Vertreter keltern.
Das gilt auch für den dritten Liebling – den Chardonnay Sanct Valentin 2014 mit seinen Creme Brulée- und Zitronengras-Noten fanden wir gut, aber leicht hinter dem Niveau der bisher beschriebenen Weißen – nämlich einen Pinot Grigio. Die Sorte bekommt hier einen deutlich anderen Touch wie im Friaul, aus der man sie vielfach kennt. Es ist ein deutlich Würze-geprägterer Typus, konkret lässt sich Muskatnuss herausriechen, auch kalkige und zart laktische Noten finden sich. Am Gaumen wird es fast karibisch – Aromen nach weißem Rum und vor allem Kokosraspel sind hier plötzlich vorhanden. Mit dem seit 1986 in Eppan angebauten Grigio hat man einen guten Griff getan, das Potential dieses ebenfalls 2013 gelesenen Weißen ist bei weitem nicht ausgeschöpft, ein zartes Bitterl im Finale zeigt das ebenso an wie die noch ungestümte Wucht zu Beginn. In zwei Jahren sollte sich hier aber Beachtliches eröffnen.
Best of Jahrgang – das Prestige-Projekt Appius
A propos Beachtliches: Praktisch außer Konkurrenz, da der Wein bereits fast vergriffen ist, kommt der Appius ins Glas. „Seit zwei Jahren haben wir dieses neue Projekt“, so Kellermeister Terzer. Das Beste eines jeden Jahrgangs kommt in eine markante Flasche, das kann reinsortig sein, aber auch eine Cuvée der besten Lagen. 2011 vermählte man in St. Michael daher Weißburgunder, Pinot Grigio und Sauvignon blanc. Das Ergebnis verblüfft bereits in der Nase – einerseits wird sie sehr buttrig, fast an Chardonnay erinnernd, zum anderen könnte das auch ein hochwertiger Lagen-Sauvignon sein, so tropisch und mit leichten Kalk-Noten versehen, ist der Geruch. Auch am Gaumen mäandert der Appius mal in die salzige Richtung, dann wieder in eine karamellige Region, die Tropenfrucht kann sich ebenso wenig entscheiden, ob sie mehr Ananas oder Papaya sein will, die Würze setzt dem Ganzen ein Krönchen auf. Dass der Wein trotz des Preises von mehr oder weniger 100 Euro bereits kaum mehr erhältlich ist, unterstreicht in diesem Fall seine außergewöhnliche Art – denn was er hier gezeigt hat, stellt erst den Anfang dessen dar, was der 2011er Appius einmal sein wird.
Bezugsquelle:
Kellerei St. Michael-Eppan, Weissburgunder „Sanct Valentin“ 2013 und der Pinot Grigio „Sanct Valentin 2013 sind um jeweils EUR 22 erhältlich, der Sauvignon Blanc „St. Valentin“ 2014 um EUR 21 beim Weinhandel Gottardi & Partner erhältlich, www.gottardi-partner.at