Ein Cru Classé mit Seltenheitswert. Das kann man über das Weingut Smith Haut Lafitte genau so hinschreiben. Denn erstens ist der Betrieb im Pessac-Léognan eines der wenigen Spitzengüter in Familien-Hand. Florence und Daniel Cathiard waren 1991 eingestiegen und haben dem Château und seinen Weinen wieder Glanz verliehen. Dazu gehört auch der ungewöhnlliche Fokus auf Weißweine. Sie machen 11 Hektar des insgesamt 78 Hektar umfassenden Château Smith Haut Lafitte aus. Camille Meyrou ist der Mann, der solche Zahlen im Schlag kennt. Der „Außenminister“ des Weinguts – in der Tat steht auf seiner Karte – weilte in der Stadt, um im Restaurant Glasswing die neue Welt der Cathiards vorzustellen.
Auch das darf man wörtlich nehmen, denn mit „Founding Brothers“ aus dem Napa Valley hat man sich auch in Kalifornien einen Namen gemacht: Cathiard Vineyard ist der Neuzugang in den USA. Davor hat man 2012 das Château Le Thil Comte Clary übernommen. Es liegt unmittelbar in der Nähe von Château Smith Haut Lafitte und wird mit seinen 11,6 Hektar (mehrheitlich Merlot-Trauben) vom gleichen Keller-Team betreut. Alle diese Weine begleiteten das Menü von Alexandru Simon, um einen Eindruck vom Zugang der mittlerweile biologisch arbeitenden Familie zu bekommen.
Der Weißwein (Hauts de Smith Blanc) kommt als reiner Sauvignon Blanc in die Flasche. Neues Holz bei maximal 50% der Fässer sorgt für Geschmeidigkeit, die beim verkosteten 2023er erst am Gaumen zuschlägt. Denn die recht frische Brise, die aus dem Glas weht, trägt Pfirsichblüten und feine Kräuternoten mit. Auch an Guyot-Birne darf man denken. Ein Touch Melisse ist dann auch am Gaumen da. Sie begleiteten einen fruchtigen, aber nie zu süßen Mix, der an Zwerg-Mandarinen und Nektarinen erinnert. Ein an das „Pfefferl“ guter Grüner Veltliner erinnernder Schlussakkord sorgt bei aller Reife für gutes Trinkanimo des „Haut de Smith Blanc“.
Diese Kompetenz in Sachen weißem Bordeaux lässt sich noch steigern. Das zeigte der 2013er (!) Château Smith Haut Lafitte „Blanc“. Salzigkeit und die heute so moderne Reduktion in der Nase sind die hervorstechendsten aromatischen Merkmale. Am Gaumen wirkt das wie saftiger Salzteig mit etwas tropischen Fruchteinsprengseln. Mit Steinpilzen und Kaspressknödeln aus Alexandru Simons Menü kam diese Rarität bestens zurecht. Doch natürlich warteten alle auf den „grand vin“, von dem es regulär zwei Jahre – 2010 und 2018 – zur Wachtel zu verkosten gab. Eine Magnum aus dem Jahrgang 2005 hatte sich Camille Meyrou als Überraschung vorbehalten, die direkt aus dem Keller des Châteaus kam.
„2018 war einer unserer ersten Bio-Jahrgänge“, leitete er den jüngsten der roten Cuvées ein. Dunkle Frucht liefert er der Nase, die Johannisbeere als Signatur des Cabernet Sauvignon im Blend ist unverkennbar. Dazu kommen noch deutliche Eichenholz-Töne, die von Mu-Err Pilzen und schwarzem Tee bis zu Torfmulch reichen. Im Mund ist es ein deutlich hellerer Eindruck. Leicht in der Textur, was angesichts der Nase erstaunt, ist der 2018er. Ribisl, generell eine kühle Art und ein erneut dunkler Grundton (Graphit) stehen zu Buche. Peter Moser, der für Falstaff den „Wine & Dine“-Abend mit Smith Haut Lafitte moderierte, gab ihm „sicheres Reifepotential bis 2060“. Und in der Tat wirkte der 2018er noch sehr jung. Vor allem im direkten Vergleich mit jenem Wein, den Monsieur Meyrou als nächstes vorstellt.
Der wiederum hatte es einst in seiner Wein-Jugend schwer. 2009 war mit den seltenen 100 Parker-Punkten ausgezeichnet worden. Eine Steigerung ist da schwer möglich. Und so nahm man 2010 nicht ganz so wahr, wie er es verdient hätte. 15 Jahre später bietet der „grand vin“ der Nase ein ordentliches Potpourri: Da sind Trüffel, der von Freunden geschätzte „Pferdeschweiß“ alias Brettanomyces, auch getrocknete Feigen und eine generell von erdigen Tönen und Unterholz geprägte Erscheinung. Fast aberwitzig fällt dann im Vergleich das Mundgefühl des Château Smith Haut Lafitte aus; seidig und wunderbar leicht in seiner Textur ist der 2010er heute. Dazu trägt auch die fast pikant wirkende Säure bei, die sich über die Jahre gut erhalten hat.
Dennoch ist das eine Bei-Note, denn wie Plüsch legen sich die Geschmackseindrücke auf Zunge und Wangen. Wieder ist da die Tiefe und Umami von Sommertrüffeln zu erkennen. Was aber viel spannender ist, zumal der Wein auch noch in Restmengen erhältlich ist im Handel: Zwei, drei Jahre Reife sind hier immer noch anzuraten. Dieser 2010er hat gerade erst begonnen!
Bezugsquellen:
Château Smith Haut Lafitte, Hauts de Smith Blanc 2023 kostet EUR 44,90 beim Austro-Importeur Kracher Finewine, www.finewineshop.com
Château Smith Haut Lafitte 2010 ist um EUR 224,- bei der Vinothek Fohringer zu haben, www.fohringer.at