Die Familie Bourgeois darf man getrost als Dynastie des Sauvignon Blancs bezeichnen. Zwar hat man auch Pinot Noir im Programm, doch im Wesentlichen ist seit Henri Bourgeois der Name mit dem Weißwein aus dem Vallée de la Loire verbunden. „Manchmal ist der gute Ruf eben berechtigt“, zieht Hermann Sussitz am Ende der Bourgeois-Verkostung eine Parallele zur Champagne. Diese Region genießt immer noch einen Wissensvorsprung in Sachen Schaumwein – und wartet eben mit tollen Abfüllungen auf. Dass es Trittbrettfahrer dieser weltbekannten Weinnamen gibt, ist klar. Mit Klasse schafft man ein Image, mit der Masse aber macht man Kasse. Doch Jean-Marie, Arnaud, Lionel und Jean-Christophe Bourgeois als aktuelle Generation in Chavignol halten die alte Liebe Sauvignon in Ehren.
Das beginnt bereits merkbar beim „Baby-Sancerre“, wie es der Reiseführer zu den Loireweinen Thierry Bougit nennt. Mit dem aus allen Parzellen stammenden „Petit Bourgeois“ startet die Verkostung in der Delikatessen- und Weinhandlung Sussitz. Feiner Rauch und Brennessel sind auch hier schon zu riechen. Der 2023er bringt Maracuja und Grapefruit auf den Gaumen und eine ganz leichte Mineralität. Diese typische Signatur lässt sich aber noch steigern, vor allem beim Flaggschiff namens „D’Antan“. Er stammt von den ältesten Rebstöcken und wächst auf Feuerstein-Böden. Dieser Sancerre wird auch als einer der wenigen Weißweine der Familie in Holzfässern gereift, ein Viertel davon sind neue Eichenfässer – und nicht wenige davon stammen aus Österreich. „Wir waren der erste Kunde der Fassbinderei Stockinger an der Loire“, so Monsieur Bougit (am Bild rechts). Doch zurück zum Jahrgang 2019 mit dem markanten längs aufgebrachten Streifenetikett. Dieser zeigt herrlichen Rauch, der in der Tat an aneinander geschlagene Feuersteine erinnert. Dazu kommt Passionsfrucht und geflämmte Limettenschale.
Am Gaumen bringt der De luxe-Sauvignon eine ganze Reihe an grünen Früchten mit. Kiwi und Kräuter prägen den Geschmack, der an Heu, Estragon und Wermutkraut erinnert. Dazu trägt auch das überaus trockene Finale bei, das man anfangs bei diesem saftigen Sancerre mit dem dezentem Vanille-Ton nicht vermutet hätte. Die klassische Empfehlung, diesen Wein zu Meeresfrüchten zu reichen, versteht sich auch daher. Wobei man explizit erwähnen sollte, wie frisch dieser bereits fünf Jahre alte Franzose noch immer wirkt. Viel typischer geht französischer Sauvignon nicht!
Bei Manitou, trinkt Menetou!
Günstiger allerdings schon, denn eine spezielle Empfehlung gilt dem ebenfalls 2019 gelesenen „La Demoiselle de Bourgeois“. Allerdings stammt er aus der rund halb so kleinen AOP-Region Pouilly Fumé, nicht dem Sancerre. Der Muschelkalk bringt auch hier eine rauchige Duftnote mit, doch die reduktivere Art weist schon eher in Richtung Burgund – wo schließlich auch der Kalk dominiert. Im Pouilly Fumé kommt auch noch Feuerstein hinzu, doch die Rauchigkeit eines Sesambrots bzw. der Kinder-Revolver-Munition lässt sich auch ohne Geologie-Kenntnisse einfach genießen.
Am Gaumen bringt der „La Demoiselle de Bourgeois“ 2019 eine straffe Säure mit, die sich aber kaum trennen lässt vom begleitenden Rauch. Er erinnert mit dem Gerbstoff zusammen an Lapsang-Tee, die Frucht vertritt bei diesem Sauvignon ebenfalls eine Note aus dem Teeladen, nämlich die Bergamotte eines „Earl Grey“. Der Nachklang fällt so kreidig-trocken aus, dass er sich fast schon staubig anfühlt am Gaumen.
Neben Sancerre und Pouilly-Fumé (1400 Hektar) ist die Domaine aber noch in einer anderen Loire-Region aktiv. Dem weitaus kleineren Menetou-Salon; hier teilen sich rund 50 Winzer die 800 Hektar Rebfläche. Der Anteil von Henri Bourgeois ist mit 2,5 Hektar entsprechend klein. Das große „Aber“: Dieser Wein, natürlich auch ein 100%-iger Sauvignon Blanc, hat einen eigenen Charakter. „Mehr Minze als Rauch“ sagt man ihm nach – und der 2023er Menetou-Salon bestätigt das. Limette und Yuzu zeigen die säurige Frische im Duft, fruchtigere Note liefert etwas Honigmelone. Dazu kommt Grüntee (Genmaicha) und die besagte Minze.
Am Gaumen entwickelt dieser Sauvignon Blanc viel Druck. Exotische Früchte und ein herrlicher Steinobst-Touch, der an Pfirsichsaft erinnert, steht ebenfalls zu Buche. Diese Delikatesse an Frucht wird von einem Quäntchen Orangenminze in den Nachhall begleitet. Ein saftiger Weißwein, der über beachtlichen Trinkfluss gebietet! In punkto Food Pairing gibt es dazu eine allererste Wahl, schließlich stammt auch der weltberühmte Ziegenkäse Crottin de Chavignol aus der Region. Und er komplettiert seiner Würze und Säure tatsächlich die cremig-fruchtigen Noten des Weines.
Mittlerweile hat man bei Bourgeois die Expertise für alles, was mit Sauvignon Blanc zu tun hat, auch exportiert. Clos Henri nennt sich das Weingut im fernen Neuseeland, das sich im Sorten-Mekka Marlborough befindet. Von dort kommt ein Einsteiger für alle Sauvignon-Fans, der mit einem Tūī-Honigfresser am Etikett die lokale Vogelwelt ehrt. Der „Estate“ 2022 ist recht „laut“ in der Nase und erinnert an den weltbekannten „Cloudy Bay“ mit dem reichen Tropenfrucht-Bouquet. „Es ist ein exotischer Fruchtsalat in flüssig“, kommentiert Monsieur Bougit. Recht hat er! Vor allem Guave und Lychee sind zu erschnuppern. Und sie nehmen einen saftigen Typus Weißwein vorweg.
Die Lychee trifft man auch im Geschmacksbild, dazu auch Ananas in einer wahnwitzig intensiven Fruchtigkeit. Wäre nicht die Säure des 2022ers im Nachhall, wäre das fast zu viel an ACE-Saftigkeit. So aber klingt der Clos Henri lebendig aus. Auch in Neuseeland versteht man aber die Qualität in Stufen in die Flasche zu bringen. Einige Sauvignons gehen noch über den „Estate“ drüber. Vor allem der „Ōtira“, der mit 95 Parker-Punkten als einer der besten Sortenvertreter Neuseelands gilt.
Bei Sussitz kam Jahrgang 2022 dieses Weißweins ins Glas, der nach der letzten Eiszeit-Periode Ōtira benannt ist, die in etwa parallel zur europäischen Würm zwischen 75.000 und 14.000 Jahre vor unserer Zeit in Marlborough herrschte. Papaya, Guave, feine Anklänge an Passionsfrucht, machen zusammen ein tropenfruchtiges, typisch neuseeländischen „SB“-Duftbild aus. Allerdings kann man mit Rauch und einer säurigen Note auch die französische DNA dieses Weines erkennen. Noch deutlicher zeigt sich dieses Erbe von Sancerre im Mund, wo eine extrem intensive Frucht auf eine Frischegarantie in Form von Limettenzeste stößt. Was so tropenfruchtig begann, endet in einem an Grapefruit erinnernden Ausklang. Die feine Klinge, die man hier führt, wird von der Passage im Stockinger-Fass unterstützt – die Bourgeois haben ihre Lieblingsgebinde auf die Südinsel Neuseelands mitgenommen. Und der „Ōtira“ zeigt so perfekt das Beste aus den beiden Sauvignon-Welten.
Bezugsquelle:
Henri Bourgeois, Petit Bourgeois 2023 kostet EUR 11,60, der Sancerre „D’Antan“ 2019 ist um EUR 51,- erhältlich, während der „La Demoiselle de Bourgeois“ (Pouilly Fumé AOP) 2019 um EUR 35,- angeboten wird, Clos Henris „Estate“ 2022 kostet EUR 16,-, Clos Henri „Otira“ 2022 wiederum wird um EUR 25,- angeboten, alle Weine bei Sussitz – Wir leben Wein, www.sussitz.eu