Wir sind Weltmeister! Gestern kam die Bilanz der steirischen Winzer beim internationalen Weinwettbewerb Concours Mondial du Sauvignon herein. Über 40 % der eingereichten Weine wurden mit Gold und Silber ausgezeichnet, die Trophäe als Weltmeister in Sachen Sauvignon Blanc durfte Peter Skoff übernehmen. Sein Weingut wurde für den besten Wein im Holzfass („Tonnellerie Sylvain Trophy“) ausgezeichnet, der Preis für den besten österreichischen Sauvignon ging wenig überraschend auch nach Österreich. Ihn holte das Weingut Wruss (Kategorie „Austria Revelation“). Und das erinnerte uns an einen der ersten Weltmeister in der jüngeren Geschichte des von Frankreich und der Steiermark dominierten Bewerbs.
Reinhard Muster vom Weingut Muster.Gamlitz holte 2016 ebenfalls den Preis für den „oaked“ Sauvignon. Wir stellten den Wein hier bereits vor. Doch aus seiner Monopollage Grubthal kommt ja nicht nur der Sauvignon, sondern auch ein Chardonnay; denn die 2,5 Hektar teilen sich ziemlich zu gleichen Teilen auf die beiden Sorten auf. Wichtiger als der Sortenspiegel ist aber der wetterwendische Charakter der Lage, die von der Koralpe im Süden beeinflusst wird. Von hier kommt der kalte Wind im Winter und doch treibt die kälteste Riede in Gamlitz als erste im Frühling wieder aus. Diese Paradoxa lassen sich weiterführen, wie Muster weiß. So betragen die Temperatur-Unterschiede zwischen dem Talboden auf 280 Metern und der Kuppe auf 320 Metern Seehöhe unglaubliche 5 bis 7 Grad Celsius!
Dazu zieht sich eine Nebelgrenze durch die Ried Grubthal, die Feuchtigkeit „anzieht“. Die Unberechenbarkeit subsummiert Reinhard Muster mit einer eigenen Bezeichnung. Für ihn ist diese Lage „grantig“ , wie er es nennt. Allerdings von einer Grantigkeit, die nur außen getragen wird und eine herzensgute Seele verbirgt. Denn die Weine, die hier wachsen, tragen die Spannung und das Widersprüchliche von Beginn an in sich. Das zeigt auch der aktuelle Jahrgang des Chardonnay Grubthal, der aus dem an sich warmen Jahr 2019 stammt. Doch auch hier fungierte die Koralpe im Herbst als Kühlaggregat. Und als Konservierungsmittel der Widersprüchlickeit, wie wir gleich sehen werden.
Auffällig ist schon ein zarter rosé-goldener Schimmer, den man so in der Regel von einem Cousin des Chardonnays in der Burgunderfamilie, dem Pinot Gris, kennt. Doch auch hier leuchtet das Glas verführerisch. Der zweite Sinn – der Geruch – hat allerdings noch etwas Pause. Denn der 2019er Grubthal gehört zu den Weinen, die sich sehr langsam öffnen. Anders gesagt, ist dieser vor wenigen Wochen gefüllte Weißwein ein Paradebeispiel dafür, junge Weine in der Karaffe zu belüften. Denn im Glas legt er erst nach einer Stunde los. Davor sind die Eindrücke intensiv, aber schwer zu benennen in ihrer leicht blumigen Süße. Etwas Tropenfrucht ist gewiß dabei, auch Mandelblüten. Doch sein ganzes Potpourri entfaltet sich erst nach einiger Zeit: Pochierte Birne, Pitahaya (da war die Tropenfrucht wieder!) und auch kühle Mango-Töne sind zu merken. Die buttrige Note des kleinen Holzfasses baut sich minütlich mehr auf.
Doch der Butterkeks-Ton vieler Burgunder im Holz will sich glücklicher Weise nicht einstellen. Was daran liegt, dass nun auch – wie von Geisterhand aus dem Hut namens Weinglas gezaubert – plötzlich Kräuter da sind. Nicht irgendwelche, sondern sehr aromatische wie Thymian und Estragon, die sich zusammen mit der Fruchtigkeit zu einem Duft wie von Zwiebelmarmelade aufsummieren. Es ist eine Vorwegnahme des Kostschlucks. Denn auch hier legt der Schmelz einmal vor. Saftig und mit einem Touch von Orange und Nektarine kleidet der Chardonnay den Mund aus. Die Säure ist hier kaum zu merken, alles lebt von Extraktsüße, die den warmen Jahrgang verrät. Anderswo würde nun Vanille und somit das Fass übernehmen und das wäre es in der Jugend dieses Weines auch schon. Aber halt!
In diesem Falle lässt sich der Einfluss des kühlen Nachtwinds (aber auch der Muschelkalk-Böden) deutlich schmecken. Der Nachhall bringt eine beachtliche Frische mit; auch da sind wieder die würzigen Komponenten, eine leichte Note von Brotgewürzen wie Fenchelsamen etwa. Überraschend ist aber die Zugänglichkeit dieses eben erst auf die Flasche mit dem von uns geliebten Glas-Verschluss gebrachten Weins. Dass er locker 12 weitere Jahre überdauert, steht außer Frage. Dann braucht man diesen Muster-Wein auch nicht mehr in die Karaffe geben, sondern lässt ihn in Burgunderglas strömen wie einen Windhauch von der Koralpe.
Bezugsquelle:
Weingut Muster.Gamlitz, Chardonnay Ried Grubthal 2019 kostet EUR 39 im Webshop des Weinguts, www.muster-gamlitz.at