Wir wollten sie lieben, doch es ging nicht. Der alkoholfreie Wein mag aktuell Rückenwind durch Gesundheitsbewußtsein und schickes Selbstoptimierer-Wording (mindful drinking oder sober curious) haben. Er findet sich auch vermehrt in den Vinotheken. Doch 21 Kostproben sind ein valides Sample angesichts der dünnen Auswahl. Und fragt man zum Abschluss unserer promille-losen Studie ganz wie eine berühmte österreichische Demoskopin „Welches Tier wäre der alkoholfreie Wein?“, lautet unsere Antwort: ein nicht stubenreines!
Die Kärrnerarbeit, diese Alternativen aus vier Ländern zusammenzutragen, tat sich Bernadette Steurer-Weinwurm an. Das Set up in der Agentur Die Zwei war mustergültig, selbst die Rotwein-Surrogate waren auf den Punkt angekühlt. Doch was nützt das, wenn der Geschmack im Glas an Himbeersaft mit Eichen-Extrakt erinnert? Eine bemühte Laubsäge-Arbeit ist kein komplexer Wein!
Es begann schon fordernd, wobei die Runde mit Verjus, dem Saft grün gelesener Trauben, eher mit ihrer markanten Säure heftig war. Die Produkte selbst, die ein Abfallprodukt des Weingartens nutzen, stammten aus der Thermenregion (Florian Alpharts Grape it und der „Frühzzante“ vom Teesdorfer Weingut Frühwirth) sowie dem Weinviertel (WG Neustifter). Der Sieger dieser Kategorie war ebenfalls ein Produkt der Südbahn, das es zudem schon recht lange gibt. Christian Fischer startete 2016 mit dem „Frizz“, das so auch das Wortspiel „Fischers Frizz“ am Label ermöglicht. Top karbonisiert, herrlich sauer, ersetzt dieser Verjus-Spritzer der Fischers das Soda Zitrone locker.
Abseits dieses Flights und der natürlichen Sparkling Teas – hier gewann der bei uns schon hier präsentierte „Grøn“ der Copenhagen Sparkling Tea Company – begann das Tal der Tränen. Der explizite Ersatz für Weißwein, Schaumwein und Rotwein hatte nicht nur keine Promille, sondern vielfach auch wenig mit Wein zu tun. Da wir in der Regel keine Verrisse trink-protokollieren, soll ein Auszug der Notizen reichen: „Schwefelquelle trifft Grapefruit“, „penetranter Pfirsich“ (im Nachhinein gelüftet: das war laut Hersteller eine „Burgunder-Cuvée“!), „Eichenspäne in ACE-Saft“ oder „picksüß wie Pfirsich-Eistee“.
Vor allem der Rest-Zucker machte den Verkostern zu schaffen; von weinigen Vertretern und Säure war bei den entalkoholisierten oder „nachgebauten“ Weiß- und Schaumweinen wenig zu sehen. Der Tiefpunkt war dann ein Rotwein-Ersatzprodukt das nach Banane (!), HARIBO-Goldbären und Kirschsaft roch. Alkoholfreier Merlot aus Frankreich – echt jetzt?? Immerhin: Zum Glück war am wenigsten von den roten Alkfreien zu kosten!
Die Lichtblicke nach einem schwachen Start mit der künstlich und nach Banane schmeckenden „Cuvée Blanc Nr.1“ lieferte das Berliner Start-up Kolonne Null. 2018 von Moritz Zyrewitz und Philipp Rößle gegründet, geht man den Weg, nicht als Winzer zu dilettieren. Vielmehr werden ausgewählte Weine im Labor in Neukölln ent-alkoholisiert. In diesem Fall, einem „Sparkling Rosé“ stammt der Grundwein von Julius Wasem aus der rheinhessischen Rotweinstadt Ingelheim. Das beste Produkt des Badener Tastings gilt auch als der Bestseller der Berliner und ist sogar als Magnum zu haben. Farblich mit schönem Rosa, kam der leicht metallisch-kühle Duft, der rote Beeren begleitete, dem Schaumwein-Odeur nahe. Bemerkenswert fiel auch der Schaum beim Einschenken aus, der ebenso wie die Perlage lange anhielt. Das mag zwar ein Nebenschauplatz zum Geschmack sein, aber einer, der sich deutlich von den anderen deutschen und französischen Weinen abhob.
Der Erfrischungsfaktor bei diesem Nullprozenter war lebhaft und druckvoll, Pink Grapefruit, Ribisl und etwas Hibiskus (wie einem Früchtetee) sind zu schmecken. Der Restzucker war auch hier zu spüren und das täuschte nicht: 29 Gramm pro Liter sind es laut Etikett, doch sie sind gut verpackt. So lange das Getränk gut gekühlt ist, kommt das sehr, sehr nahe an rosa Schaumwein heran. Als Apéro ist diese Kolonne Null-Abfüllung aller Ehren wert!
Als Stimmungsaufheller gab’s Einhorn-Blut
Und nachdem man Verkostungen – speziell die fordernden! – mit einem „Belohnungsflight“ abschließen soll, hatte sich auch hier ein „Pirat“ eingeschmuggelt. So nennt man bekanntlich die thematisch nicht zum Rest passenden Proben, mit denen man die Tester gerne testet. In diesem Falle war es ein niedrig alkoholisches Getränk (6% vol.), das aber schon beim Einschenken seine naturbelassene Machart zeigte. Im ersten Glas strahlend Rot und klar, kam es beim weiteren Einschenken mit Trübung ins Glas. In der Tat steht hinter dem „Einhorn-Blut“ (sic!) Fruchtsaft, genauer gesagt Holunder.
Er fungiert als Gerbstofflieferant, weshalb der Saft auch an Rotwein erinnert, auch wenn der Geschmack eher an Erdbeere erinnert. Es ist eine kluge Mischung aus Marille und Sauvignon Blanc (vom Weinhof Erlacher), die man im Vulkanland ersonnen hat. Anton Erlacher und Thomas Jeindl aus Markt Hartmannsdorf sind die Väter des im Vorjahr vorgestellten Getränks, das leicht prickelt und irgendwie das „missing link“ zwischen Weiß- und Rotwein darstellt. Hochwertige Rohstoffe vom Weingut Erlacher ergeben einen rot-fruchtigen und doch zart herb und leicht weinig wirkenden Mix. Das ersetzt zumindest in jedem Fall süße Aperitivliköre. Und mit Eis erfrischte das „Einhorn-Blut“ die Jänner-Kostrunde fast sommerlich. Und die konnte Freude wahrlich brauchen!
Bezugsquellen:
Kolonne Null, „Rosé prickelnd“ (J. Wasem) ist um EUR 17,80 im Webshop erhältlich, https://kolonnenull.com
Wein & Gästehof Erlacher, „Einhorn-Blut“ ist um EUR 8 im Webshop zu haben, https://einhornblut.at