Dass ein Weingut Synonym für eine Rebsorte wird, kommt öfter vor. Man weiß, wer geniale Chardonnays in der Burgund macht, schlanken Shiraz im Barossa Valley und natürlich Top-Rieslinge im Rheingau oder der Wachau. Im Falle von Elisabetta Foradori stand am Anfang aber ein Gebiet, das selbst innerhalb Italiens wenig Reputation abseits seiner Schaumweine besaß. Dafür stand das Trentino, Weißwein kaufte man lieber bei den nördlicheren Anbietern in Alto Adige oder neben an in Friuli Venezia Giulia, Roten sowieso südlicher. So war die Ausgangslage, als die Zwanzigjährige 1986 nach dem Tod ihres Vaters Roberto in Mezzolombardo mit dem Weinmachen begann. Der Rest zählt seither zu den Heldinnen-Geschichten des Weinbaus, nicht nur in Italien.
Denn Signora Foradori verschrieb sich dem Teroldego und bewies, dass er nicht nur dünne Rotweine ergibt – sondern dank ihrer Arbeit seit Jahren einen der Kultweine aus unserem Nachbarland. Dass sie auch früh auf biodynamische Prinzipien im Weingarten setzte, machte sie erneut zum „role model“ für internationale Winzer. Mittlerweile ist Sohn Emilio Zierock federführend am Weingut, auch er kehrte früh zurück, allerdings im Sinne einer harmonischen Übergabe. Denn eigentlich hatte er in Freiburg Philosophie studiert. Doch Kontemplation bieten auch die alten Reben, deren ehrwürdigste aus den späten 1930er Jahren stammen und in Pergolas wachsen, genug. Und stilistisch weiß er sich ohnehin eines Sinnes mit seiner stil-prägenden Mutter.
Das zeigt etwa auch das Engagement für Sortenraritäten wie Nosiola oder Manzoni, die man in kleinen Mengen kultiviert. Denn mit 70% Rebflächenanteil regiert immer noch der Teroldego in der Azienda Foradori. Was nicht heißt, dass die Weißweine vernachlässigt werden dürfen! Bestes Beispiel wäre für uns der Pinot Grigio „Fuoripista”, der einen maische-vergorenen Weißwein darstellt, wie es nicht allzu viele gibt. Erstens liebt man hier den Farb-Eintrag des Grauburgunders, der mit seiner rötlichen Beerenhaut einen fast schon Almandine-roten Schimmer im Glas ergibt. Der Jahrgang 2020 wurde acht Monate in Amphoren aus Spanien gelagert und duftet nach Hagebutten-Gelée und getrockneten Kirschen – ein zarter Stein-Ton erinnert an Marzipan-Kastanien. Schon hier wird klar: Wer immer noch Tourette-artig „Most!“ schreit bei Naturweinen, muss sich ein anderes Feindbild suchen.
Dieser Pinot Grigio besitzt aber auch himbeer-fruchtige Kühle und einen mineralischen Zug. Der Gerbstoff des langen Schalenkontakts ist genau dosiert und erinnert eher an Rosa Beeren, den „falschen“ Pfeffer, denn an Tannin. Er bringt eine würzige Zusatzdimension ein, mit der dieser „Fuoripista“ 2020 die neue Weinfarbe „Orange“ auf das Trefflichste repräsentiert. Rote Johannisbeere-Akzente zum Abschluss geben einen Hinweis für die nächste Serviergelegenheit: Dieser „Grigio“ ist geboren, um eine frische Burrata zu begleiten.
Bei den Teroldegos hat man sich entschieden, zwei Einzellagen getrennt auszubauen. Der „Morei“ stammt dabei aus über 30 Jahre alten Reben eines 2,5 Hektar großen Weingartens am Fuße der Dolomiten. Der Name wurde mit Bedacht gewählt, Morei“ bedeutet im Trentino „dunkel“ – und so schmeckt dieser Rotwein auch. Auch er ruhte acht Monate auf der Schale in den „Tinajas“, den spanischen Amphoren. Bereits in diesem jugendlichen Stadium bringt er erdige Noten und einen mineralischen Nerv mit. „Beeren-Kräfte“ besitzt er ohnehin: Der Geruch nach Heidelbeere steigt unverkennbar aus dem tief dunklen Glas. Frischer Salbei schickt dazu einen kräutrigen Gruß; wie bei Dijon-Senf ist diese Würze intensiv in der Nase zu spüren, auch Bockshornklee-Samen aus dem indischen Gewürzregal begleitet die schwarzen Beeren-Töne. Sie nehmen minütlich an Kraft zu, wenn man den Gast aus den Dolomiten durchatmen lässt.
Im Mund leicht moussierend in seiner Jugendlichkeit, wirkt dieser säurig-frische Zug als Gegenpol zum prägnanten Gerbstoff und der Beeren-Melange, die auch einen Touch Weichsel-Bittere aufweist. Dieser Teroldego lebt aus der Spannung zwischen Säure und Gerbstoff. Ceylon-Tee, etwas Teer und Jod ergänzen im Finale die ohnehin komplexe Mischung aus Mineralik und Frucht. Und das wird noch viel Jahre so bleiben!
Das Gebiet um das Flüsschen Noce stellt heute die Hochburg des Teroldego dar, der im Mittelalter erstmals erwähnt wurde und weit verbreitet war. Die kleinen Parzellen in diesem „Campo Rotaliano“ genannten Gebiet unterscheiden sich aber deutlich. Das demonstriert der „Sgarzon”, als 2020er Lagenwein das Gegenstück zum „Morei“. Er erhielt seinen Namen von der Vitalität und Wüchsigkeit der Reben, nicht dem Aroma: Das Wort bedeutet „Trieb“ oder „Schößling“. Kellermeister Emilio Zierock-Foradori selbst spricht von „unüblicher Frische“, die Trauben aus dieser Lage prägt. Der „Sgarzon“ kommt nach Anfängen in Tongefäßen nun zum achten Mal als reiner Amphoren-Wein auf den Markt; mit Stielen und Stängeln kommen die Trauben in die 420 Liter großen „Tinajas“.
Im Zeichen des Teroldego: Zwei „crus“ und der „Granato“
Heidelbeere und etwas Myrte drängen sich im Duftbild vor, dazu liefert Feuerstein einen rauchigen Grund-Ton. Er fungiert auch als eine Art aromatisches Gegengewicht zu den auffrischenden Blumendüften wie Stiefmütterchen. Im Mund wirkt der 2020er „Sgarzon“ von Anfang an straff; der jugendliche Druck spült Welle auf Welle von Sauerkirsche-Noten über die Zunge. Mal wirkt das fast moussierend lebendig, dann pfeffrig und mal wieder wie Kirsch-Marzipan. Im Abgang jedenfalls läßt die herbere Gangart an Tapenade und Salzmandeln denken. Viel Tiefgang, kein Fruchtkitsch und gutes Reifepotential!
Womit wir beim Flaggschiff des Hauses angelangt wären, das so ungewöhnlich ist, wie die Herangehensweise Elisabetta Foradoris es von Beginn an war. Denn der „Granato“, der auch am Etikett mit rot leuchtenden Kernen den Granatapfel führt, ist kein Lagenwein. Sondern eine Selektion aus den drei ältesten Pergola-Weingärten des Hauses. Die über 70 Jahre alten Rebstöcke und 15 Monate Reifung in neutralen Holzfässern ergeben einen Wein, der trotz seines Ruhmes leistbar geblieben ist und der auch jede Diskussion über Biodynamie verstummen lässt.
Der „Granato“ ist quasi das Plateau, das Teroldego im Trentino erklimmt, könnte man mit alpinistischem Vergleich sagen. Das zeigt sich auch schon beim Ankosten des 2019ers. Er ist jung, aber auch durchaus zugänglich. Begrüßt wird der Weinfreund von feinem Gerbstoff-Duft wie bei einem Assam-Tee, dazu kommen Wald-Erdbeeren und auch der Unterholzton aus feuchter Rinde, Steinpilz und Heidelbeeren, den der Italiener gerne „sottobosco“ nennt. Für Frische sorgt ein vorwitziges Eukalyptus-Tönchen.
Hingegen völlig absent sind die oft parfümiert wirkenden Vanille- und Eichenholz-Töne vieler italienischer Spitzen-Rotweine, die wie ein Warnschild signalisieren, dass man noch Jahre auf den ersten Genusshöhepunkt warten muss. Der „Granato“ allerdings ergießt sich als Top-Wein wie Öl über den Gaumen. Herb und dunkel wie ein dunkel gerösteter Kaffee beginnt er, wird dann aber immer eleganter im Verlauf. „Gestürzte Reihenfolge“ könnte man, befreit von einem „Pelzgoscherl“ im Abgang, sagen. Dafür bringt er Früchte wie Kornelkirsche (Dirndl), Blutorange und gleich eine Fülle dunkler Beeren mit. Das alles wird von einen Kräuterstrauß bekränzt, aus dem besonders der Lorbeer herausragt. Sicheres Potential zum Lagern ist hier gegeben, doch in jeder Phase – auch jetzt schon! – stellt er feinsten „Stoff“ aus dem Trentino dar.
Bezugsquelle:
Azienda agricola Foradori, Pinot Grigio „Fuoripista” 2020 wird um EUR 31,80 verkauft, der Teroldego „Morei“ 2020 ist um EUR 32,80 erhältlich, der „Sgarzon” 2020 kostet EUR 31,90 und der „Granato” 2019 EUR 48, alle bei Pinard de Picard, www.pinard-de-picard.de