Die Brauerei von Friedrich Lechner in Grafenbach ist jung, doch schon beim ersten Besuch am Bärentalweg sprachen wir viel über „farmhouse brewing“: Zutaten zu verwerten in der Würze, die man selbst erntet. Diese alte Autarkie-Idee lag nahe im Friedrichsbräu. Denn am Hügel in Grafenbach erprobt der Zahnarzt neben dem Brauen seiner Marke Membier auch seine Idee von der Landwirtschaft. Es gibt Schweine, Weinreben und auch Kürbisse am Hof. Ein „Pumpkin Ale“ lag da nahe. Schnell kreiste auch unser Gespräch um dieses alte Bier der US-Siedler, während „Friedi“ Lechner hausgemachtes Brot und eigenen Schinken nach istrischem Rezept auftischte.
Denn was heute als Gimmick vor allem zu Halloween aus (amerikanischen) Craft-Brauereien kommt, hat einen ernsten Hintergrund. Gerstenmalz war rar im Neuengland des 17. und 18. Jahrhunderts und so griff man auf den einfach zu handhabenden Kürbis als vergärbare Zuckerquelle zurück. Der Beigeschmack und die Cremigkeit wurde später wieder entdeckt, doch mittlerweile geht das Stilvorbild eher in Richtung des „Pumpkin Pie“. Der Kürbiskuchen mit seinen Gewürzen wie Zimt verleitet Brauer aber zur nachträglichen Aromatisierung des Bier im Lagertank. Der experimentierfreudige Dr. Lechner aber wollte den Kürbis selbst schmecken in seinem Spezialbier. Das heißt nun „Kürbiskuss“ und ist aromatisch ein sanftes Bussi, kein entfesselter „Zungenroller“, wie man im südlichen Niederösterreich sagen würde.
Denn weder transportiert der frische Hokkaido-Kürbis die Pikanz eines Kürbisletschos, noch die weiche Süße des besagten Kuchens. Viel mehr ist er Strukturgeber als Gewürz: Das Mundgefühl wird deutlich cremig, aber bleibt weniger süß als mit der gleichen Menge an dunklem Malz. Die Farbe zieht natürlich vom Hokkaido an, dessen Schale bekanntlich essbar, aber auch farbintensiv ist. Und vor allem kommt eine zart bitter-gemüsige Note ins Bier. So weit die Theorie zu einem „echten“ Pumpkin-Bier, keinem nachgebauten flüssigen Kürbis-Muffin.
Die Farbe ist schon mal gelungen in Grafenbach – dunkel-orange mit kastanienbraunen Anklängen kommt das Pumpkin Ale ins Glas. Der Duft ist malz-betont und anfangs auch mit zart holzigen Noten versehen. Fruchtigkeit blitzt auf, bleibt aber in der Minderheit. Es handelt sich um Orangenschale, die es aber gegen die ebenso herbalen wie herben Duftnoten nicht leicht hat. Die minimalistische Brauphilosophie kommt auch in diesem Spezialbier durch; im Zweifel entscheidet sich Friedrichsbräu immer gegen den aromatischen Exzess. Balance ist alles im Bärental!
Das zeigt auch der Kostschluck, der zwar malz-süß beginnt, aber mit so viel Druck von (5,3% Alkohol) und Leichtigkeit (rezente Kohlensäure) begleitet wird, dass gar kein Pappigkeitsverdacht aufkommt. Das Malz begegnet uns röstiger auch im Kern des Kürbiskuss‘. Dazwischen liegt eine leicht blumige Note, die entfernt an Jasmin-Tee erinnert, aber auch als grüner Anteil des Kürbis‘ gelesen werden könnte. Falls den „Blutzer“ immer noch wer sucht, findet er auch im Nachklang des Biers eine Geschmacksnote, die an Kürbisschale erinnert. Lässt man die orange Zutat mal weg, ist das neue Membier ein sehr gastronomisches Brauerzeugnis geworden. Die cremige Art macht es nicht unbedingt zu einem Durstlöscher, aber es kann sowohl mit scharfen, als auch leicht süßen Speisen gut. Risotto, Erdäpfelknödel, aber auch Pasta aller Art, eher indische als thailändische Currys – die Liste ließe sich lang fortsetzen. Ein Bussi dem Brauer!
Bezugsquelle:
Friedrichsbräu, Membier „Kürbiskuss“ ist im Sechser-Pack (6×0,33 Liter-Flasche) zu EUR 17,40 direkt im Webshop der Brauerei zu haben, www.membier.com