Die Piraten sind natürlich ein unbezahlbarer Marketingfaktor für die Rums der Karibik. Doch auch Europa hat seine Tradition, wenn es um das Zuckerrohr geht. Zumal der Rohstoff für die Brenner auch aus „good old Europe“ in die Kolonien kam. Das Zuckerrohr wanderte von den Mittelmeer-Inseln immer weiter nach Westen. Erst hatten die Genueser die Hand drauf, dann die Portugiesen und am Ende brachten die Holländer das Wissen aus Brasilien auf die Inseln der Karibik. Die Folgen waren grausam und lösten den Dreieckshandel aus, der Sklaven aus Afrika in die Karibik und Melasse nach Amerika brachte (die USA waren Rum-Nation, lange bevor es Bourbon gab). Deren Erzeugnisse wiederum gingen nach Europa.
Etwas humaner gingen es die weitgehend vergessenen dänischen Kolonialherren an, deren Inseln mitten im Ersten Weltkrieg den Besitzer wechselten. Doch die seitdem amerikanischen „Jungferninseln“ waren lange Zeit Lieferanten des dänischen Zuckers. Und damit langte auch genug Rum aus St. Croix und Co. in Kopenhagen ein. Besser gesagt, kam ein großer Teil der Destillate im wichtigen Überseehafen Flensburg an. Die norddeutsche Stadt begründete so eine Rum-Tradition und -Liebe, die sich auch erhielt, als nicht mehr der „Dannebrog“ von den Türmen wehte, sondern der preussische Adler. Es waren ausgerechnet österreichische Schiffe, die das 1864 ermöglichten – angeführt wurden sie von einem gewissen Wilhelm von Tegetthoff.
Wie man nun in Schleswig-Holstein seinen Rum-Durst stillte, weiß Walter Braasch. Er führt mit seinem Sohn Karsten das Rumhaus Braasch in der berühmten Roten Straße von Flensburg: „Rum von Jamaika in die Stadt – als über 70%iger, hocharomatischer „German Flavoured Rum“. Jürgen Brodersen war einer der Männer, die daraus etwas Neues schufen, indem sie dieses Rum-Konzentrat oder „Over-Proof“ einfach streckten. Neutraler deutscher Korn und Wasser ergaben am Ende den „Flensburger Rum-Verschnitt“. Brodersen hatte reichlich Kenntnis von „Dansk Westindien“, der dänischen Karibik, nachdem sein Großvater Asmus Brodersen diese Strecke als Kapitän befahren hatte. Unmittelbar nach dem aus dänischer Sicht verlorenen Krieg, 1867, benannte er den ehrwürdigen „Colonialwaaren-Handel H. P. Schmidt“ (1779 gegründet) um. „J. Brodersen, Flensburg“ war nun Lieferant eines Rum-Verschnitts, der vor allem als Grog gegen die nordische Kälte getrunken wurde.
Und Jürgen Brodersen wiederum gibt heute dem „Flensburger Schiffer-Rum-Verschnitt“ seinen Namen, die Vater und Sohn Braasch füllen. Es ist ein nostalgisches Etikett, das mit seiner Geschichte so manchen „echten“ Rum verblassen lässt. Zumal der Inhalt eine durchaus hohe Qualität an den Tag legt. Bis heute importiert man karibische Original-Rums (auch in Fass-Stärke!) und die Braaschs setzen natürlich auf das historische Vorbild: Jamaika ersetzte St. Thomas, St. Croix und St. Jan als Rum-Quelle – und das gibt auch dem „Schiffer-Rum“ ordentliche Ester-Noten.
Süß und anheimelnd duftet es aus dem Bernstein-farbenen Glas, die Orange ist gleich zu erkennen, die Gewürze muss man in der Punsch-artigen Melange erst analysieren. Muss man natürlich nicht, aber wer gleich trinkt, verpasst die schöne – weil sehr feine – Honignote. Sie gesellt sich zum Rum-Duft, der an Malaga-Eis erinnert und auch ein Quäntchen Zimt und Nelke mitbringt.
Rund und völlig ohne jede Schärfe kleidet der Flensburger Rumverschnitt den Gaumen aus – es hat etwas von schmelzendem Karamellbonbon. Denn im Geschmack hat die Familie Braasch hier einen Zeitverzögerer „eingebaut“. Wohlig warm wird es im Finish, wenn die Gewürze wie von einem Zerstäuber noch einmal aufgewirbelt werden. Etwas Ingwer mischt sich pikant zwischen Piment und Nelken. Ein Touch Weißer Pfeffer ist da und vor allem auch das Verlangen, diesen Allrounder mit etwas zu mischen. Gegen die Kälte geht natürlich Tee, der ohnehin eine Hochburg im Friesischen besitzt. Die modernere Variante würde mit Ginger-Beer und Limette funktionieren.
Wirklich grandios als Filler wäre aber das gute, alte Bitter Orange, mit ein Paar Tropfen Orgeat zusätzlich. Oder – als späte Versöhnung mit Dänemark – ein halber Barlöffel Cherry Heering. Aber ganz ehrlich: Diese Hommage an J. Brodersen geht auch pur, etwa zum Espresso. Eine Warnung aber, in der Sprach seiner Heimat: „Nich toveel“!
Bezugsquelle:
Wein- und Rumhaus Braasch, „Flensburger Schiffer-Rum-Verschnitt“ ist um EUR 19,95 (0,7 Liter) oder EUR 10,95 (0,35 Liter-Flasche) im Webshop erhältlich, www.braasch.sh