Der Opernball für Weinfreunde fand ebenfalls im Ersten Bezirk statt. Aber statt „Alles Walzer“ hieß es „Alles Cabernet“, als Bettina Bryant bei ihrem ersten (!) Österreich-Besuch die Weine des kalifornischen Kultweinguts öffnete. Ihr Mann Don hatte den Betrieb zu Zeiten mit Reben bestockt, als das Land noch leistbar war im Napa Valley und Wein noch als Hobby gedacht war. 600 Euro für die Flasche waren Utopien für diese Gründer, denen es vielfach um Eigenbedarf ging. Mit 2000 „cases“ im Durchschnitt gibt es heute noch nicht wirklich viel von den Weinen der Bryants. Im Grunde geht es – Warteliste hin oder her – um den Bordeaux-artigen Blend namens „Bettina“ und den „Estate Wine“, der einen reinsortigen Cabernet Sauvignons vorstellt.
Was 1992 mit der ersten Ernte eines Cabernet Sauvignons begann, wurde allerdings eine der Kult-Wein-Geschichten des kalifornischen Weinbaus. Zugegeben, die Winemaker wechselten sich oft im Jahrestakt ab in der Winery in St. Helena, aber wir befinden uns im Napa Valley. Und dort ist – für Österreicher oft immer noch schwer nachvollziehbar – der „grower“ der eigentliche Star. Der Trauben-Bauer liefert dem, der den besten Preis bietet und/oder Jahrzehnte ein Freund (und verlässlicher Business Partner) ist, das perfekte Material.
Solche, in Schuss gehaltene, alte Weinanlagen brauchen wenig Kellertechnik, das hat man Mitte der 2000er Jahre auch in der neuen Welt gelernt. „Es geht um den Anbau von Trauben und nicht darum Wein zu machen“, lautet die Conclusio bei Bryant. Der fälschlich oft als „Zweitwein“ wie im Bordelais angepriesene „Bettina“ etwa ist ein Blend aus drei Weingärten. Mit fast 550 Metern Seehöhe bringt der „Las Posadas“-Weingarten eine ungewohnte Säurestruktur von dem windgepeitschten Hügel ein, während auf der anderen Seite eine der ältesten Cabernet-Lagen der Region (wir sprechen von 70 Jahre alten Stöcken) Tiefgang bietet.
Frucht bekommen wir in Napa jedes Jahr. Das ist der einfache Teil. Die Kunst für die Farmer ist es, die Säure zu erhalten.
Bryant Family-Credo
Das Ergebnis strahlt in einem Jahr wie 2016 – „vielleicht dem größten Bilderbuch-Jahrgang, den wir jemals hatten“ – in einer Art, die im Rotwein-Bereich selten ist: Die Nase erklärt den Wein bereits komplett. Wie eine perfekt gereifte Sauerkirsche bringt der Duft rote Frucht, herbe Töne und viel Würze mit. Das steht ja öfter wo. Vor allem beim Cabernet Sauvignon ist aber die Frage, wie es um den Paprika-Touch und den „grünen“ Anteil steht.
Einerseits stabilisiert er die Sorte in derart jungen Jahren. Zum anderen sollte es kein Pyrazin zum Greifen sein. Im Falle des 2016er „Bettina“ verhält es sich wie mit einer cremigen Pistazie, die aber sofort in Schokolade-Duft übergeht. Kaffeepulver ist zu Beginn da, mit mehr Luft allerdings wirkt der Bryant-Wein, als hätte ein Drei-Sterne-Patissier das dröge „Mon chéri“ mit den besten Rohmaterialien nachgebildet: Nougat satt und eine stets säurige Kirschfrucht stehen zu Buche.
Espresso aus Frucht: Estate Cabernet 2016
Der Gaumen bringt eine dunklere Fruchtigkeit, irgendwo zwischen Zwetschke und Brombeere, mit, das Tannin ist natürlich da bei einem 2016er, aber es wirkt fein und nicht bitter. Im Nachklang erinnert der Wein an einen Espresso aus Frucht; die Würze spart sich der „Bettina“ für den Nachhall auf. Kaisers Bart-Diskussionen mögen nun entstehen, ob eher Grüner Pfeffer in Kotanýi-Gewürzpaprika gerollt wurde, oder doch eher um Grünen Paprika handelt, der gepfeffert wurde. Das Außerordentliche an diesem Wein allerdings stellt die Tatsache dar, dass er sich nicht über diese irrwitzige Würze definiert, für die sich andere winemaker Glieder amputieren würden. Das ist lediglich eine Draufgabe bei diesem Kalifornier, der aktuell vielleicht fast zu zugänglich ist.
Der 2015er etwa, den Bettina Bryant gleich darauf einschenkt, zeigt, wie unterschiedlich die Jahre ausfallen. In 20 Jahren, vielleicht auch schon in fünf, wird dieser Cabernet die Nase vorne haben – doch aktuell wirkt er gegen den 2016er hart und ruppig. Tonkabohne und Pflaume im Duft sind noch der schmeichelnden Fraktion zuzuordnen. Doch der Kostschluck zeigt sofort, dass hier der Gerbstoff die Frucht (noch!) niederbügelt.
Die außerordentliche Klasse des Jahrgangs 2016, über die Berater Michel Rolland meinte, „ein außerordentlicher Winzer macht hier den Wein seines Lebens“, zeigt auch der „Bryant Family Cabernet Sauvignon“. Aus den unter zwei Hektar im Eigenbesitz von Don und Bettina Bryant stammen, ist der „Estate Wine“ eine so reife Angelegenheit, dass er anfangs laktisch wie ein Heidelbeer-Yoghurt an die Nase kommt. Edelster Nougat hüllt diese Frucht ein. Aber eigentlich ist es müßig, den 2016er beschreiben zu wollen. Ethnologen würden ihn einen „shapeshifter“ nennen. Denn dieser Wein verändert sich minütlich. Gegrillte Kokosnuss, saure Kirsche und dunkle Kraft wirken, als hätten sie ihren Frieden gemacht. Obwohl dieser Wein nach allen Regeln der Kunst sich eigentlich noch sortieren müsste.
Wen diese Vollendung vor der Zeit verstört, sollte sich den ein Jahrzehnt älteren „Bryant Family Cabernet Sauvignon“ ansehen. Der 2006er bringt eine Familienähnlichkeit mit, aus der anfangs wieder das laktische Element herausragt. Doch viel dunkler ist hier das Yoghurt – Schwarzbeeren und Cassis. Doch das ist nur ein dummes Polaroid eines Weines, aus der Laune heraus geschossen. Kurz darauf kommt die rötliche Frucht deutlich wie säurige Himbeere durch, dann obsiegt wieder das würzige Erbteil, das dann zarten Gewürzpaprika auf den Gaumen tupft. Fassen lässt sich dieser Duft nicht. Lieben schon.
Was den 2016er Cabernet generell auszeichnet, ist seine perfekte Balance. Angeblich passierte im Weingarten alles zum richtigen Zeitpunkt. Dieses Rarissimum der Pflanzenphysiologie trägt dazu bei, dass sich Zwetschke wie bei den alten pruneaux d’Agen mit Säurigkeit (nach 14 Jahren!) und einem wunderbaren Johannesbeer-Ton trifft, der wie eine Coda zu den restlichen Noten dazu tritt.
Bezugsquelle:
Bryant Family, Bettina 2016 kostet EUR 599,- beim österreichischen Importeur Kracher Fine Wine, der Estate-Wine 2006 ist um EUR 629,- zu haben, alle beide über www.finewineshop.com